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Audis riskanter Wachstumskurs - Gewinne für Wolfsburg statt Vorsprung durch Technik

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Rochaden im Vorstand, schrumpfende Gewinne und vor allem immer weniger Vorsprung: Für Audi wird der Erfolgsdruck zum Balanceakt mit ungewissem Ausgang.

Der Audi-Vorstand im März 2012: Peter Schwarzenbauer (l.), Michael Dick (3. v. l.) und Ulf Berkenhagen (4. v. l.) sind weg. Wolfgang Dürheimer, der Dick ersetzte, ist auch schon wieder weg Der Audi-Vorstand im März 2012: Peter Schwarzenbauer (l.), Michael Dick (3. v. l.) und Ulf Berkenhagen (4. v. l.) sind weg. Wolfgang Dürheimer, der Dick ersetzte, ist auch schon wieder weg Quelle: dpa/Picture Alliance

Ingolstadt - Anfang Juni 2013: In Berlin fährt die versammelte Motorpresse den Audi R8 e-tron. Kurz zuvor hatte sich Audi offiziell von dem Projekt verabschiedet. Und zeigte nun, dass es eigentlich ganz schön hätte werden können.

Bei Daimler amüsierte man sich köstlich. Zwar verkauft Mercedes den SLS AMG Electric Drive vermutlich nicht deutlich öfter als der Audi den Stromer, den es gar nicht gibt. Aber der Schwabe darf sich immerhin „schnellstes Elektro-Serienfahrzeug auf der Nordschleife“ nennen.

Ein weiterer kleiner Riss im Image der hochprofitablen VW-Tochter Audi. „Vorsprung durch Technik“ ist immer noch der Audi-Claim. Aber maßgebliche Innovationen wie einst die Alu-Karosse, der Quattro-Antrieb oder der TDI-Dieselmotor sind nicht in Sicht.

Vorsprung?

2009: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem R8 e-tron. Hackenberg-Vorgänger Dürheimer legte die Audi-Eigenentwicklung erst mal auf Eis 2009: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem R8 e-tron. Hackenberg-Vorgänger Dürheimer legte die Audi-Eigenentwicklung erst mal auf Eis Quelle: dpa/Picture Alliance Bei den Hybridantrieben ist Toyota vorn, BMW hat die sparsameren Diesel und den i3. Vorreiter beim Business-Elektroauto ist Tesla, in der Luxusklasse führt kein Weg an Mercedes‘ neuer S-Klasse vorbei.

Und bei Audi? „Connectivity“ – das können heute Handys für 299 Euro. „Power to Gas“ – energiebilanziell ist die aufwändige Umwandlung von Wasserstoff und CO2 in Erdgas „eher Unsinn“, sagen Fachleute für alternative Antriebe.

Die Vorzeige-Projekte A1 e-tron, Elektro-A2, R8 e-tron, A1 Hybrid mit Wankelmotor, R8 Dieselhybrid – alle bis auf Weiteres, nach Milliardeninvestitionen, gestrichen.

Auch vorhandene Stärken könnte man besser nach außen tragen. Carbon als Karosseriewerkstoff, autonomes Fahren? Da denkt man zuerst an andere Hersteller. Dabei hat Audi natürlich auch viel Expertise beim Leichtbau. In die Autopilottechnik investierte man geschätzt eine halbe Milliarde Euro. In die Abendnachrichten brachte das Thema erst Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Randbemerkung von Piëch?

Geht es Audi deshalb schlecht? Auf den ersten Blick: Nein. Audi verdient die Hälfte des VW-Konzerngewinns, wird in diesem Jahr deutlich mehr als 1,5 Millionen Autos verkaufen. Das war eigentlich erst für 2015 geplant.

Aber: glaubt man der Fachzeitschrift Manager-Magazin, stimmt hinter der glitzernden Audi-Fassade immer weniger. VW-Konzernpatriarch Ferdinand Piëch habe sich kürzlich beschwert: Seit seiner Zeit (also seit 1992) gab es bei Audi keine echte Innovation mehr.

Gemeinhin sind Piëchs Randbemerkungen bei VW Gesetz. Möglicher Beleg dafür: Vier Vorstandsposten wurden seit Sommer 2012 neu besetzt. Einer der Neuen, Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer, durfte nur ein Dreivierteljahr bleiben.

Als Nachfolger kam einer der engsten Vertrauten von Martin Winterkorn nach Ingolstadt, und die Branche horchte auf: Ulrich Hackenberg, Vater der Modulbaukästen, galt in Wolfsburg eigentlich als unabkömmlich. Hackenberg sagt, der Querbaukasten ist fertig, jetzt arbeite er bei Audi am neuen Längsbaukasten. Eine andere Interpretation: Die Entwicklung bei Audi ist jetzt Chefsache.

Audi-Chef Rupert Stadler und Konzernchef Martin Winterkorn Audi-Chef Rupert Stadler und Konzernchef Martin Winterkorn Quelle: dpa/Picture Alliance

Stadlers Dilemma

Viel, so scheint es, darf bei Audi nicht mehr schief gehen. Bislang galt der Finanzexperte und Audi-Chef Rupert Stadler, der Mann an der Spitze, als potenzieller Winterkorn-Nachfolger. Vor ihm nutzten Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch Audi als Sprungbrett in die Konzernspitze.

Rupert Stadler steckt nun in einem Dilemma: Soll Audi wieder „Vorsprung durch Technik“ liefern, kostet das Geld. Viel Geld. Audi verdient Geld, muss es aber in Wolfsburg abliefern. Die Profite aus Ingolstadt bezahlen die ehrgeizigen Expansionspläne der Konzernspitze. Schon bald will VW der größte Autohersteller der Welt werden, vor Toyota und General Motors.

Für diese Ziele muss auch Audi zuerst in Wachstum investieren, nicht in technische Sensationen. In neue Werke, vor allem in China. In neue Modelle, die sofort einschlagen, etwa SUV-Coupés nach BMW-Vorbild und einen neuen Kleinwagen.

In den nächsten drei Jahren kostet das erstmal 11 Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr 2013 stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf acht Prozent des Umsatzes. Und auch im soeben abgelaufenen, dritten Quartal musste Audi melden: Wir haben zwar mehr Autos verkauft, aber weniger Geld damit verdient. Um 18 Prozent sackte der Gewinn ab, auf 954 Millionen Euro. Die ersten drei Quartale zusammen ergaben ein Gewinn-Minus von 11 Prozent.

Nun wird gespart

Für sich genommen sind das immer noch Zahlen, die andere gern hätten. Aber Audi muss (zusammen mit Porsche) einen Konzern stützen. Das laufende Geschäft der Marke VW fiel in den letzten drei Quartalen um 27 Prozent, Skoda ließ um 35 Prozent nach und Seat schreibt tiefrote Zahlen.

Experte Ferdinand Dudenhöffer sagt: Porsche und Audi subventionieren die Massenmarken, ohne die erfolgreichen Premium-Marken wäre die Lage für VW kritisch. Schon erklärt Martin Winterkorn die Jahresziele für „ambitioniert“, und Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch legt den Fokus auf „konsequente Kosten- und Investitionsdisziplin".

Wirtschaftlich ist Audi vom chinesischen Markt abhängig - viel stärker als die Konkurrenz, die in den USA viel stärker ist Wirtschaftlich ist Audi vom chinesischen Markt abhängig - viel stärker als die Konkurrenz, die in den USA viel stärker ist Quelle: dpa/Picture Alliance Das betrifft natürlich auch Audi. Hackenberg soll und wird in den Entwickleretagen den Rotstift schwingen, Audi soll noch viel stärker von den Synergien im Großkonzern profitieren. Auf der Streichliste stehen Kleinigkeiten, die in der Summe aber ins Geld gehen: Lenkrad- und Felgenvarianten, die in großer Zahl entwickelt und vorgehalten werden. Aber auch ganze Autos. So behauptet das Manager-Magazin, Hackenberg habe das A9 Coupé erst mal gestrichen.

Die Konkurrenz schläft nicht

Das alles hilft aber erst mittelfristig. Frühestens 2016 kann Audi von den Investitionen und Neustrukturierungen profitieren. Und die Konkurrenz schläft nicht: Mercedes legte bei der Umsatzrendite zuletzt von 6,4 auf 7,3 Prozent zu, bei Audi fällt die Kurve seit Jahren deutlich. Von 21,1 Prozent 2011 auf zuletzt nur noch 9,4 Prozent im 3. Quartal 2013.

Fällt dieser Wert weiter und zieht Mercedes sogar vorbei, wird es schwierig für Audi. Schon jetzt zahlen Mercedes-Kunden je Auto höhere Preise, das Mercedes-Portfolio ist frischer und kompletter. In China holt Daimler auf, in den USA bleiben sie weit vorn. Mit den alten Modellen wird Audi die Trendwende nicht schaffen, die neuen kommen eben erst 2016.

Der Mix aus hohen Investitionen, schlankeren Kosten und drei Jahren mit wenig neuen Produkten ist riskant – und er muss klappen. Damit, schreibt der Wirtschaftsjournalist Michael Freitag, steht und fällt auch Rupert Stadlers Zukunft im VW-Konzern.

Quelle: Wirtschaftswoche; dpa

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Renault
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