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Diesel-Software: Tuner löschen Umwelt-Updates - Die Diesel-Downgrader

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VW versichert, dass die neue Software für Skandal-Diesel nicht schädlich ist. Viele Kunden haben trotzdem Angst und lassen das Update in Tuning-Werkstätten rückgängig machen.

Das Downgrade nach dem Update: Tuner bieten an, die neue Software der Skandal-Diesel EA189 zu löschen Das Downgrade nach dem Update: Tuner bieten an, die neue Software der Skandal-Diesel EA189 zu löschen Quelle: dpa/Picture Alliance

Von Haiko Prengel

Berlin – Erst das Update, dann das Downgrade: Viele VW-Fahrer lassen ihre umgerüsteten Skandal-Diesel nachträglich wieder auf den alten Stand bringen. Anlass ist die Sorge, dass die neue Software den Motor schädigen könnte.

Wie Recherchen von MOTOR-TALK ergeben haben, werden für die Zurücksetzung Tuning-Werkstätten beauftragt. Sie sollen die vom VW-Konzern aufgespielte Software des Motorsteuergeräts wieder überschreiben. Nach dem Eingriff sollen die Autos angeblich so laufen wie früher, also vor dem Update. Höhere Emissionswerte werden von den Kunden dabei in Kauf genommen.

Diesel-Downgrade: Tuner spielen alte Software auf

Über die Motorsoftware lässt sich ein Auto stark verändern. Oft geht es um Leistung, mittlerweile eher um eine bewährte Software Über die Motorsoftware lässt sich ein Auto stark verändern. Oft geht es um Leistung, mittlerweile eher um eine bewährte Software Quelle: dpa/Picture Alliance „Ja, so was machen wir auch“, erklärt ein Tuner aus Sachsen auf Anfrage. Am Beispiel eines VW Golf 6 GTD mit 170 PS erklärt er die Prozedur: Über die OBD-Schnittstelle würden zunächst die Originaldaten auf dem Motorsteuergerät ausgelesen. „Anschließend ziehen wir das Update von VW 'runter'“, erklärte der Chiptuner, der anonym bleiben will. Das Auto fährt dann wieder mit dem alten Softwarestand.

In der Regel würden die Software-Manipulationen mit einer Leistungssteigerung kombiniert. So könne der Golf 6 GTD von 170 PS auf bis zu 215 PS getunt werden. Kostenpunkt für das Gesamtpaket, inklusive Software-Downgrade: 999 Euro.

Dabei versichert VW, dass umgerüstete Diesel-Autos fahren wie bisher. „Den Kunden entstehen keine Nachteile durch die technischen Maßnahmen“, bekräftigt ein VW-Sprecher auf Nachfrage von MOTOR-TALK. Das KBA habe für alle freigegebenen Modelle bestätigt, dass mit der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Fahrzeugakustik keine Verschlechterungen verbunden seien. Nur der Adblue-Verbrauch kann sich bei einigen Modellen erhöhen.

Die Rückrüstung ist strafbar

Viele VW-Kunden sind offenbar trotzdem verunsichert und ziehen eine Zurückrüstung ihrer Fahrzeuge in Betracht – oder haben dies schon veranlasst. Es gebe derzeit viele solche Anfragen, sagt ein anderer Chiptuner, der seine Kunden im Großraum Berlin-Brandenburg hat.

Auf MOTOR-TALK sind die Erfahrungen nach dem Software-Update ein Dauerthema. Rückrüstungen von Skandal-Dieseln auf den alten Stand seien längst verbreitete Praxis. Und die Kunden scheinen durchaus zufrieden mit den Tunern: „Der Verbrauch ist sogar weniger als vor dem Update von VW“, heißt es in einem Thread. Und ein anderer Nutzer schreibt: „Mir wäre es auch am liebsten man würde die Schummel-Software drauf lassen und gut wäre es. Das wäre wohl das beste fürs Auto.“

Aktuell kümmern sich Tuner vor allem um Diesel des VW-Konzerns. Illegale Manipulationen gibt es aber bei vielen Fahrzeugen aller Hersteller Aktuell kümmern sich Tuner vor allem um Diesel des VW-Konzerns. Illegale Manipulationen gibt es aber bei vielen Fahrzeugen aller Hersteller Quelle: dpa/Picture Alliance Das Problem: Zwar sind die Eingriffe ins Motormanagement durch einen Tuner selbst nicht illegal. Aber sie können zum Problem werden, sobald der Wagen wieder auf die Straße rollt. Eine Verschlechterung der Abgaswerte ist nicht erlaubt – auch, wenn noch andere Fahrzeuge mit alter Software unterwegs sind. Genau das tritt bei einer Rückrüstung aber ein. Laut der Prüforganisation KÜS kostet das im günstigsten Fall 90 Euro. Erfüllt das Auto die angegebene Abgasnorm nicht mehr, kann wegen Steuerhinterziehung ermittelt werden. Für noch nicht umgerüstete Fahrzeuge gibt es eine Ausnahmeregelung.

Ähnliches gilt für das sogenannte Chiptuning, also die Leistungssteigerung durch eine neue Motorsoftware. Es muss von einer anerkannten Prüforganisation wie TÜV oder Dekra genehmigt werden. „Doch viele wollen das nicht eintragen lassen“, berichtet der Tuner aus Sachsen. „Die sagen nur: Bloß 'runter mit dem ganzen Scheiß.'“ Ohne entsprechende Eintragung aber erlischt die Betriebserlaubnis der Fahrzeuge. Das kann den Versicherungsschutz beeinträchtigen. Eine Eintragung der alten Motorsoftware ist auf legalem Wege nicht machbar.

Diesel-Manipulation: Abgasreinigung wird deaktiviert

Diesel-Tuning beschränkt sich nicht auf Skandal-Diesel des Volkswagen-Konzerns. Auch Diesel-Pkw anderer Hersteller werden umgerüstet. Besonders populär ist der Ausbau des Partikelfilters, weil die Halter die hohen Werkstattkosten bei Defekten fürchten. Gerade bei viel Kurzstreckenbetrieb verstopfen die Filter, eine Reparatur ist teuer. Der Austausch kostet zwischen 1.000 und 3.000 Euro. So viel wollen viele Diesel-Fahrer offenbar nicht zahlen – und lassen den Filter ausbauen oder durchbohren. Die Folge: ein höherer Schadstoff-Ausstoß.

Deutschlands größter Automobilclub ADAC sieht dringenden Handlungsbedarf. „Es erreichen uns immer wieder Hinweise über die Möglichkeiten des illegalen Umrüstens von Dieselfahrzeugen“, erklärt ein ADAC-Sprecher. So würden Rußpartikelfilter ausgebaut, AdBlue-Systeme deaktiviert und die Fahrzeugsoftware so manipuliert, dass bei der Diagnose kein Fehler angezeigt wird.

Einige Diesel-Fahrer lassen die Abgasreinigung manipulieren. Dadurch werden mehr Schadstoffe ausgestoßen Einige Diesel-Fahrer lassen die Abgasreinigung manipulieren. Dadurch werden mehr Schadstoffe ausgestoßen Quelle: dpa/Picture Alliance Auch die Prüforganisationen wissen Bescheid. „Illegale Umrüstungen von Diesel-Fahrzeugen gewinnen immer mehr an Popularität“, sagt Thomas Schuster von der Kfz-Überwachungsorganisation KÜS. Die Praxis habe in den vergangenen Monaten zugenommen, nur fehlten bislang belastbare Zahlen. Die KÜS beziehe ihre Informationen hauptsächlich auf Zuruf und von Informanten aus der Tuning-Szene. Denn bei der Hauptuntersuchung würden die Software-Manipulationen meist nicht auffällig, erklärt Schuster. Welcher HU-Prüfer überprüft schon alle elektronischen Steuergeräte auf mögliche Manipulation?

Einzig der Vertragshändler würde bei der nächsten Inspektion über die fremde Software stolpern. Zudem erkennen die Mechaniker ausgebaute oder schadhafte Partikelfilter.

Manipulierte Diesel und die Hauptuntersuchung

Die KÜS fordert, dass die Fahrzeughersteller ihre Motorsoftware offenlegen. „Nur so kann nachvollzogen werden, was der Sollzustand ist und was manipuliert wurde.“ Außerdem seien die Motor- und Softwarediagnose den Anforderungen anzupassen, um die Manipulationen auch wirklich erkennen zu können.

Auch hier gebe es Wege zum Betrug. Manche Tuner werben damit, dass Werkstätten ihre Software nicht erkennen würden. Ein anderer sagt, dass man bei Inspektionen den Anschluss an das Diagnosegerät untersagen kann. Geschieht das trotzdem, würde sich seine Software selbst löschen.

Eine genaue Abgasmessung im Rahmen der Hauptuntersuchung könnte helfen. Derzeit gilt eine AU als erfolgreich bestanden, wenn das Diagnose-Gerät keine Fehler meldet – egal, was aus dem Auspuff kommt. Die Umweltministerkonferenz forderte das Bundesverkehrsministerium daher schon im April vergangenen Jahres dazu auf, „alle Elemente der periodischen Abgasuntersuchung (wie Sichtprüfung, OBD-Kontrolle und ggf. ergänzende Abgasmessungen) an den Stand der Technik anzupassen und fortzuentwickeln.“ Dabei sei ergänzend zur On-Board-Diagnose eine verbesserte Endrohrmessung zu entwickeln und verpflichtend einzuführen, lautete der Beschluss. Reagiert hat die Bundesregierung bislang nicht.

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