Paris: Wieder Smog, wieder Fahrverbote

Warum Paris mit dem Smog überfordert ist

Björn Tolksdorf

verfasst am Thu Dec 08 17:55:05 CET 2016

Seit Dienstag herrschen in Paris Smog-Höchstwerte und Fahrverbote. Allein, es hilft wenig. Das liegt zuerst natürlich am Wetter - aber nicht nur. Ein Kommentar von Björn Tolksdorf.

Dicke Luft in Frankreichs Hauptstadt: In dem Ballungsraum leben fast 12,5 Millionen Menschen. Seit Dienstag gilt in der Stadt ein teilweises Fahrverbot
Quelle: dpa/Picture Alliance

Paris – Franzosen legen Wert auf Tradition. 2CV, gentechnikfreier Rohmilchkäse, Revolutionspathos, störrisches Galliertum. Eine andere Tradition ist weniger beliebt: Dicke Luft in der Hauptstadt. Paris erreicht regelmäßig Smogwerte, wie sie in Deutschland – trotz höherem Industrialisierungsgrad – seit Jahrzehnten ausgestorben sind.

So auch jetzt. Eine sogenannte Inversionswetterlage schließt die Stadt in ihrem eigenen Qualm ein. Knapp 12,5 Millionen Menschen leben im Großraum Paris. Die Ring-Autobahn „Boulevard Périphérique“ umschließt das Stadtzentrum als stinkendes Würgehalsband – oft mit der Durchflussgeschwindigkeit einer Fußgängerzone.

Polizisten kontrollierten an Dienstag die Einhaltung des Fahrverbots. Randnotiz: Nicht einmal der Premierminister Manuel Valls hielt sich daran
Quelle: dpa/Picture Alliance
Ja, Paris ist überfordert – von viel mehr Autos, als die Haussmannsche Stadtplanung aus dem 19. Jahrhundert aufnehmen kann. Und von viel mehr Smog, als die Lungen der Menschen aufnehmen sollten. Die Stadtverwaltung unter Führung der Sozialistin Anne Hidalgo geht dagegen mit oftmals drastischen Verordnungen vor.

Rauchverbot nach Nummernschild

Eine davon: „Circulation Alternée“. Bereits zum vierten Mal in den letzten 20 Jahren greift Paris zu diesem Rettungsanker gegen dicke Luft. Dann dürfen an geraden Kalendertagen nur Autos mit gerader Endziffer auf dem Nummernschild fahren, an ungeraden Tagen die anderen. Zum Ausgleich fahren öffentliche Verkehrsmittel kostenlos.

Warum stinkt es in Paris trotzdem zum Himmel? Einerseits, weil das Wetter nicht wechselt. Andererseits, weil Paris in Frankreich liegt. Vieles, was mit Verwaltung zu tun hat, geschieht dort im südeuropäischen Stil. Je komplizierter die Vorschriften, desto weniger werden sie befolgt. Je drakonischer die Strafandrohung, desto laxer die Durchsetzung. Da steckt jede Menge Italien in Frankreichs Rechtsverständnis.

Die Asterixe fahren trotzdem

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, auf dem C40-Treffen der Bürgermeister am 1. Dezember 2016 in Mexiko City
Quelle: dpa/Picture Alliance

Zunächst mal, kein Fahrverbot ohne Ausnahmen. Viele Ausnahmen. Wer möchte den armen Gendarmen verdenken, dass sie bei so komplizierten Regeln nicht immer genau hinschauen. Und dass sie, wenn sie kontrollieren, nicht jedem der rebellischen Asterixe ein Bußgeld aufbrummen.

Und Bußgeld hin oder her – der Verkehrsteilnehmer kann ja nicht gezwungen werden, das Auto an Ort und Stelle abzustellen. Wo sollte er auch parken, wir sind immer noch in Paris.

Nein, 400 Polizisten auf Sonderkontrolle werden 12 Millionen Parisern nicht das Autofahren abgewöhnen. Oder das Rauchen. Das macht Frankreich liebenswert – und wird zu noch strengeren Verordnungen führen. Und irgendwann, ganz langsam, vielleicht sogar zu besserer Luft.

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EIndrucksvoll: Pariser Smogblase unter blauem Himmel
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Dicke Luft, dicker Verkehr: Am Dauerstau auf der Autobahn rund um die Innenstadt änderte das Fahrverbot offenbar fast nichts
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Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, auf dem C40-Treffen der Bürgermeister am 1. Dezember 2016 in Mexiko City
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Bei einer Inversionswetterlage befinden sich die warmen Luftschichten oben, die kalten darunter. Die Folge: Praktisch kein Luftaustausch mehr: In Ballungsgebieten mit hohem Emissionsaufkommen ist Smog die logische Konsequenz
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