18-Tonnen-Wohnmobil Magellano auf Actros-Basis

Neben Magellano wird Marco Polo zum Zwerg

MOTOR-TALK

verfasst am Mon Apr 03 11:44:35 CEST 2017

Reisen in den eigenen vier Wände ist möglich. Der Magellano auf Mercedes-Actros-Basis bietet 30 Quadratmeter Wohnfläche mit 421 PS und 2.100 Newtonmeter Drehmoment.

Wohnmobil Magellano auf Actros-Basis: Rund 30 Quadratmeter Wohnfläche bietet der 18-Tonner
Quelle: Magellano

Saal an der Saale – Am liebsten schläft er auf Reisen im eigenen Bett. Das ist für gewöhnlich nicht so leicht. Oder gar nicht so angenehm, wenn sich das eigene Bett in einem engen Campingbus befindet. Für Michael Ebner sieht die Sache anders aus. Sein „Campingbus“ wiegt 18 Tonnen und bietet 30 Quadratmeter Wohnfläche.

Ebner ist Software-Unternehmer. Erfolgreich. Wahrscheinlich könnte er sich die edelsten Hotels leisten. Aber da verbringt er ohnehin sein halbes Leben auf Dienstreisen. Wirklich glücklich ist der 43-Jährige aus der Rhön, wenn er zwei Meter über der Straße thront. Dann zuckelt er mit nicht mal 100 Sachen über die Autobahn kreuz und quer durch Europa und genießt die knappe Freizeit. Oder er besucht Geschäftspartner. LTE-Router und Laptop in der Küchenschublade machen auch das möglich.

Lange genug hat Ebner sich über die mäßige Qualität von Caravans geärgert. Auch von sehr teuren. Die beengten Platzverhältnisse waren auch nicht sein Ding. Also hat er seinen Magellano kurzerhand selbst entwickelt. Handwerker aus seiner Heimat haben ihn mit Technik aus dem Hausbau aufgerüstet. Ebner benannte ihn nach dem portugiesischen Weltumsegler Magellan. Nicht ungewöhnlich für Mercedes-Reisemobile, früher gab es mal den James Cook, aktuell nennt Mercedes dan Camper auf V-Klasse-Basis Marco Polo.

Wo andere Camper auf ausrangierte Transporter setzen oder das Offroad-Abenteuer im Unimog suchen, hat er als Basis einen Mercedes Actros genommen und den 18-Tonner zur Suite auf Rädern umgebaut – Wellnessdusche, Fußbodenheizung, King-Size-Bett, Gourmetküche, Biergarten und Skikeller inklusive.

Michael Ebner baut den Magellano jetzt auch im Auftrag, mindestens 500.000 Euro muss man anlegen
Quelle: Magellano

Magellano: Für mindestens drei Wochen autark

Keine fünf Minuten, nachdem er das Monstrum abgestellt hat und der riesige Reihensechszylinder im Bug Ruhe gibt, sind die beiden Erker einen Meter weit ausgefahren. Die Federung hat den Fernlaster automatisch ins Lot gebracht. Im Souterrain surren leise Generator und Klimaanlage. Die Anzeigen für Wasser und Treibstoff geben Ebner die Gewissheit, dass er für mindestens für drei Wochen autark ist.

Seine Frau und Chefplanerin Stefanie zündet schnell noch ein paar Kerzen im Schlafzimmer an. Per Knopfdruck senkt sie das Bett über der riesigen Fahrerkabine ab und stellt die Sitzbank in den breiten Flur. Der wuchtige Esstisch im Wohnbereich ist gedeckt, ihr Mann fährt die elektrische Treppe aus und lädt zum Hausbesuch – aber bitte nur auf Socken!

Daran, dass er ständig Gäste hat, hat Ebner sich gewöhnt. Er hat genauso neugierig an die Tür geklopft, als er zum ersten Mal ein solches XXL-Wohnmobil gesehen hat. Vor ein paar Jahren bei einem Urlaub in Südtirol war das. Außerdem weiß er: Es gibt regen Bedarf für solche Luxusliner. „Glamping liegt im Trend“, sagt Ebner über die vornehmste Form des Caravan-Urlaubs.

Meist seien es Menschen in den besten Jahren, die ihr Vermögen gemacht haben und die ihr Geld nicht in eine Yacht investieren wollen. Die kann man schließlich nur an der Küste nutzen – viel zu selten. „Stattdessen kaufen sie lieber eine Landyacht, mit der ist man flexibler und hat am Ende mehr von seinem Geld.“ Wer trotzdem ein Boot hat, kann es im Actros an den Haken nehmen.

Auf unebenem Untergrund bringt der Magellano sich selbständig in eine waagerechte Position
Quelle: Magellano

Die Schattenseite: Maximal 110 km/h

Es gibt auch Schattenseiten. 12,8 Liter Hubraum, 421 PS und 2.100 Newtonmeter Drehmoment sind eine Wucht. Aber auf Reisen bremst der Riese. Schneller als 80 darf und mehr als 110 kann er damit nicht fahren.

Ebner ficht das nicht an: Für ihn beginnt der Urlaub schon beim Losfahren. Außerdem fühlt er sich dabei wie einer der Fernsehhelden seiner Kindheit: „Früher habe ich keine Folge von ‚Auf Achse’ verpasst und heute fahre ich selbst wie Franz Meersdonk durch die Welt.“ Ebner strahlt wie ein kleines Kind und lässt die Actros-Hupe tönen.

Inzwischen ist der Magellano für Ebner und seine Frau allerdings mehr als ein Urlaubsmobil. „Das Interesse war so groß, dass wir auch in die Auftragsfertigung eingestiegen sind“, sagt Ebner. Jetzt ist er auch Geschäftsführer der Xaxoa GmbH geworden. Gerade wurde in Saal an der Saale Richtfest für eine neue Fabrik gefeiert.

Eine Handvoll festangestellter Mitarbeiter und viele lokale Handwerker machen dort in sechs bis acht Monaten aus einem Lastwagen eine Luxusvilla auf Rädern. Dabei legen sie dieselben Maßstäbe an, wie beim Hausbau: Die Fenster sind ordentlich isoliert, die Schränke aus Massivholz, der Strom fließt mit 220 Volt, im Bad gibt es Keramik. Selbst mit vollen Tanks für mehr als 1.000 Liter Frisch- und Brauchwasser sowie 300 Liter Diesel im Bauch bleiben noch 1,5 Tonnen Zuladung übrig, sagt Ebner. „So viel Urlaubsgepäck und Vorräte nimmt man nicht einmal auf eine Weltumrundung mit.“

Schlafen wie zuhause: Das breite Bett hat nur wenig mit der üblichen Camping-Athmosphäre zu tun
Quelle: Magellano

Der Magellano kostet mindestens 500.000 Euro

Umsonst gibt es so viel Unabhängigkeit nicht. Rund 500.000 Euro kostet der Magellano mindestens. So wie Ebener ihn sich gebaut hat, 680.000 Euro. Den Lkw-Führerschein braucht man dafür auch. Den ersten Wagen hat er gerade verkauft, mit einer Handvoll Kunden führt er „sehr ernsthafte Verhandlungen“, sagt er. Und nebenbei plant er ein Carsharing-Modell für Luxuscamper.

Viel mehr als vier Autos pro Jahr will der Unternehmer nicht bauen. Schließlich muss er nebenbei noch sein Software-Unternehmen leiten. Sonst bleibt keine Zeit mehr für die Reisen in den eigenen vier Wänden. Die will Ebner nicht einschränken, sondern ausweiten. Spätestens wenn die Kinder aus der Schule sind, will sich die Familie nämlich einen Traum erfüllen und mit dem Magellano nach Amerika. Da fällt das Ungetüm auch kaum auf.

Quelle: sp-x

Michael Ebner baut den Magellano jetzt auch im Auftrag, mindestens 500.000 Euro muss man anlegen
Quelle: Magellano
Schneller als 80 km/h darf man mit dem Magellano nicht fahren, aber dabei hat man es wenigstens gemütlich
Quelle: Magellano
Auf die Idee für den Magellano kam Ebner, weil andere Wohnmobile ihm zu eng waren. Im Glamper auf Actros-Basis ist Platz
Quelle: Magellano
Die Arbeitsplatte im Magellano ist aus Marmor, Gewicht spielt beim 18-Tonner keine Rolle
Quelle: Magellano
Schlafen wie zuhause: Das breite Bett hat nur wenig mit der üblichen Camping-Athmosphäre zu tun
Quelle: Magellano
Für Entertainment ist gesorgt, der Flachbildschirm sitzt in der Konsole
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Im Badezimmer kommt Keramik zum Einsatz und kein Plastik, wie in anderen Wohnmobilen
Quelle: Magellano
Der Magellano schöpft 421 PS aus einem 12,8-Liter-Motor
Quelle: Magellano
Die Erker fahren vollautomatisch aus und erweitern die Wohnfläche
Quelle: Magellano
Auf unebenem Untergrund bringt der Magellano sich selbständig in eine waagerechte Position
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Der Kommandostand des Magellano erfordert natürlich einen Lkw-Führerschein
Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X
Michael Ebner ist Software-Unternehmer - und jetzt auch Wohnmobil-Fabrikant
Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X
Dieser Besuch kam fürs Foto, doch Ebner empfängt auch auf Reisen regelmäßig Neugierige
Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X