Ford Sierra Cosworth mal anders: 24-Ventil-Umbau, Tuning

Ford Sierra als Rentnerschleuder mit Cosworth-Power

MOTOR-TALK

verfasst am Sat Sep 15 08:47:18 CEST 2018

Der Ford Sierra galt als biederes Rentnerauto. Mit dem 2,9i-Cosworth-Motor vom Scorpio wird der Wagen zum zornigen Lustgreis. Wir haben uns einen Umbau angesehen.

Der Ford Sierra von 1990 sieht unscheinbar aus, unter der Haube sitzt jedoch der Cosworth-Motor aus dem Scorpio 2.9i
Quelle: Haiko Prengel | mobile.de

Von Haiko Prengel

Berlin – Es gibt Menschen, die mögen Autos ohne jegliches Charisma. Klaus Kucharczyk zum Beispiel. Sein Ford Sierra rollt auf öden Stahlfelgen mit Radkappen, die Sitze sind mit beige-braunem Stoff bezogen, auf der Hutablage liegt eine umhäkelte Klopapierrolle. „Das ist genau das, was ich wollte“, sagt Kucharczyk über seinen Ford Sierra. „Der soll aussehen wie eine Rentnerschleuder!“

Doch man sollte bei diesem Sierra nicht zu schnell urteilen. Auch wenn ihm ein doppelstöckiger Spoiler wie am Sierra XR4i fehlt oder der Riesenflügel des Sierra RS Cosworth: Dieser Berliner Youngtimer, Baujahr 1990, hat es faustdick unter der Motorhaube. Die Lufthutzen darauf deuten es schon vorsichtig an. Genau wie die dezente Tieferlegung. Kennern geht spätestens bei der Kennzeichen-Kombination ein Licht auf: „BOA“ - so lautete der Codename für den 2,9i-Cosworth-Motor, den Ford Anfang der Neunziger im Ford Scorpio 24 V verbaute. Markenzeichen: Ein kraftvolles DOHC-Aggregat mit satten 195 PS und 275 Newtonmetern Drehmoment.

Ford Sierra mit 24-Ventil-Umbau: Nur 65.000 km gelaufen

Heute ist der Sierra als Fords letzter Mittelklasse-Wagen mit Heckantrieb ein interessanter Youngtimer...
Quelle: Haiko Prengel | mobile.de
Ganz schön viel Power für einen Opa-Sierra. Tatsächlich kaufte Klaus Kucharczyk sein Auto einem Rentner aus Wuppertal ab. Im Jahr 2001 war das, der Kfz-Mechaniker war 18 Jahre alt. Damals steckte noch keine Cosworth-Maschine in der Mittelklasse-Limousine. Dafür hatte der Sierra nur jungfräuliche 65.000 Kilometer auf dem Tacho. Die komplett rostfreie Karosse lockte Kucharczyk endgültig ins Bergische Land. Der junge Ford-Fan aus Ostdeutschland nahm das Rentnerauto sofort mit. Und stellte den Sierra erst einmal in die Garage. Lange Zeit passierte gar nichts. „Mit 18 hatte ich einfach kein Geld.“ Die Summe für den Fahrzeugkauf hatte ihm seine Oma geliehen.

Schon sein allererstes Auto war ein Ford Sierra. „Und das Auto musste ziemlich viel mitmachen“, erinnert sich Kucharczyk, der aus der Nähe von Ludwigslust stammt. 120 PS hatte der Wagen, ziemlich viel für ein Anfängerauto. Dazu kamen Schaltgetriebe und Hinterradantrieb – die Folgen waren klar: „Damit bin ich gedriftet ohne Ende.“ Sein Ur-Sierra hielt immerhin bis 2007 durch, dann folgte ein Ford Scorpio.

Den zweiten Sierra aus Wuppertal hatte er sich kurz nach dem ersten gekauft. Abgesehen vom Geld mangelte es auch an Zeit zum Schrauben, deshalb stand der Wagen für längere Zeit auseinandergenommen in der Schrauberhalle. Als die finanzielle Lage sich besserte und mehr Muße da war, begann Kucharczyk, seinen Sierra nach eigenen Vorstellungen umfangreich umzubauen.

Ford Sierra Tuning: Größere Bremsen und Tieferlegung

Die Lufthutzen verraten, dass es sich hier um keinen „normalen“ Ford Sierra handelt
Quelle: Haiko Prengel | mobile.de
Dazu gehörte eine dezente Tieferlegung und stärkere Bremsen, die originalen 14-Zöller mussten größeren 15-Zöllern vom Scorpio weichen. Auch die mausgraue Innenausstattung kam raus und eine hellbraune rein. Im Zuge dessen tauschte Kucharczyk die elektrischen Fensterheber gegen mechanische Kurbelfenster. „Ich finde, das passt zu dem alten Auto“, sagt er. Sein 90er-Sierra ist ein feiner „Ghia“, zu den Extras gehören ABS, Windschutzscheibenheizung, Schiebedach und die damals sehr seltene Klimaanlage, die sogar heute noch funktioniert.

 

An der Karosserie musste nichts gemacht werden – sehr untypisch für den Sierra, von denen viele andere Exemplare wegrosteten. Schweller, Längsträger, Radläufe – neuralgische Stellen gab es viele. Der bordeaux-rote Wagen aus Wuppertal war sauber, was der peniblen Vorsorge des Vorbesitzers zu verdanken ist. „Der hat das Auto im Winter abgemeldet“, sagt Kucharczyk.

Sein wichtigster Eingriff beim Tuning galt dem Motorraum. Der originale Motor, als 2,9 12V (145 PS) auch kein Leisetreter, kam raus und wurde durch den 2,9i Cosworth aus einem geschlachteten Scorpio 24V ersetzt. Mit 225 km/h ist dessen Spitzen angegeben, aber der Sierra ist das leichtere Auto und deshalb schneller. Neulich machte Kucharczyk den Bleifuß-Test auf der Autobahn. „Mein Navi zeigte 236 km/h an.“ In England sind solche Sierra-Umbauten auf Cosworth-Motoren sehr beliebt, dann allerdings meist mit Schaltgetriebe.

Der letzte Mittelklasse-Ford mit Hinterradantrieb

Für 195 PS Cosworth-Power sieht dieses Cockpit ziemlich unscheinbar aus
Quelle: Haiko Prengel | mobile.de
Erst im vergangenen Herbst hatte Klaus Kucharczyk seinen Super-Sierra im Rentner-Look erstmals angemeldet – nach 16 Jahren Stillstand und viel, viel Umbau-Arbeit. Die Liebe fürs Detail reicht bis zum nachgerüsteten Tempomaten oder verchromten Türgriffen vom Ford Granada – denn die originalen beim Sierra waren bloß aus Plastik. „Der Sierra war halt ein Verbrauchsauto“, sagt Kucharczyk. Was nicht wegrostete, wurde verschlissen. Viele Exemplare fielen dann der G-Kat-Pflicht und der Abwrackprämie zum Opfer. Schade eigentlich, denn der Sierra ist der letzte Mittelklasse-Ford mit Hinterradantrieb. 1993 wurde er vom frontgetriebenen Mondeo ersetzt.

Den Ford Sierra von Klaus Kucharczyk wird man nun öfter auf der Straße sehen – und wenn der Berliner aufs Gaspedal drückt, in der Regel von hinten. Noch sei er dabei, „Erfahrungs-Kilometer“ zu sammeln, sagt der 35-Jährige. Eine erste große Ausfahrt zu einem Ford-Sierra-Treffen im Ruhrgebiet hat sein Auto aber schon erfolgreich absolviert. Nur Driften tut er mit seinem alten Ford nicht mehr, sein unscheinbarer Ghia ist ein Automatik. Ganz Rentner-Auto eben. Auf den ersten Blick.

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Technische Daten Ford Sierra 2,9i 24V (1990)

  • Motor: Sechszylinder-V-Benziner, 24 Ventile (Umbau, original: 2,9i 12V)
  • Hubraum: 2933 cm³
  • Leistung: 195 PS
  • Getriebe: Vierstufen-Automatik
  • Höchstgeschwindigkeit: circa 230 km/h
  • Verbrauch: ca. l2/100 km
  • Leergewicht: ca. 1.200 kg
  • Länge: 4,425 m
  • Breite: 1,694 m
  • Höhe: 1,407 m
  • Radstand: 2,608 m

 

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Ein Ford Sierra Kombi wäre Kucharczyk wohl zu cool gewesen. Er will seine Sierra-Limousine nur im Sommer nutzen. Im Alltag fährt er Roller und VW Golf
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„Ghia“ hieß damals die Top-Ausstattung bei Ford
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Die Radhäuser hat der Sierra-Fan für die Ewigkeit versiegelt
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Für den Notfall liegt ein Feuerlöscher im Kofferraum. So ganz traut Klaus Kucharczyk seinen umfangreichen Kfz-Umbauten selbst noch nicht
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Für 195 PS Cosworth-Power sieht dieses Cockpit ziemlich unscheinbar aus
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Verschlissen sieht anders aus: Die Sitze wirken wie aus dem Ei gepellt
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Die Bleche sind in hervorragendem Zustand, von Rost keine Spur
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Viel gefahren ist dieser Sierra noch nicht: Der Tacho zeigt erst 71.000 Kilometer an
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Im Rahmen des Interieur-Umbaus hat Kucharczyk die elektrischen Fensterheber durch Kurbelfenster ersetzt
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Die Viergang-Automatik macht Driften schwer, dafür erlaubt sie entspanntes Cruisen
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Auch das manuelle Schiebedach mit verchromter Kurbel ist herrlich oldschool
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Die Klimaanlage ist besonders selten beim Sierra. „Und sie funktioniert sogar“, betont Klaus Kucharczyk
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Im Original waren die Sitzbezüge Mausgrau, jetzt sind sie Rentnerbeigebraun
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Die Accessoires auf der Hutablage sind bloß Nebelkerzen. Wehe, wenn der Sierra seinen wahren Charakter zeigt
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Boa ey: Der Codename BOA verrät den potenten 24V-Sechszylinder-Motor
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