Classic Driving News
Edel-Polo - in 800 Stunden zum Goldstück
Dieser Audi 50 GL ist der älteste Erhaltene aus dem Jahr 1974. Er ist nur in wenigen Details anders als das spätere Serienprodukt, er ist goldfarben, und er ist perfekt von Besitzer Michael Höcker restauriert.
Klick, Klick, Klick. Im September 1974 lichteten die Fotografen eifrig jedes Detail des auf Sardinien vorgestellten, neuen deutschen Kleinwagenstars namens Audi 50 ab. Knapp 35 Jahre später steht wieder ein Audi 50 im Rampenlicht. Diesmal allerdings nicht in Sardinien, sondern bei einem Motor Klassik- Fototermin in Iserlohn.
Heftige Liebe zum Polo entbrannte mit 18
Das Klicken der modernen Kameras klingt mittlerweile weicher, und es werden keine Diafilme belichtet, sondern Digitalbilder auf einer Speicherkarte hinterlegt. Die Zeiten haben sich geändert. Nur an dem goldfarbenen Audi 50 scheinen die dreieinhalb Jahrzehnte spurlos vorüber gezogen zu sein. Hatte man ihn damals eingefroren und nun wieder aufgetaut? Keineswegs. Der Mann, der diese ungewöhnliche Begegnung möglich machte, heißt Michael Höcker. Und er ist kein Magier, sondern ein kaufmännischer Angestellter. "Also ein Bürohengst mit zwei linken Händen", fasst Höcker das seine Berufsgruppe betreffende Klischee mit einem Schmunzeln zusammen. Aber es gibt ja auch Liebesgedichte schreibende Metzger, entsprechend trotzt Höcker den mit seinem Beruf verknüpften Vorurteilen. Er ist tatsächlich ein Schraubertalent. Wie konnte das geschehen, wird sich so mancher fragen.
Der Auslöser war Höckers Liebe zum Audi 50 beziehungsweise VW Polo, die 1988 entbrannte. Der damals 18-jährige Führerschein-Neuling überzeugte seine Eltern, ihm einen gebrauchten VW Polo zu kaufen ? aus erster Hand, mit nur 31.000 Kilometern auf der Uhr. "Auf den Rat, das marsrote Auto Hohlraum-konservieren zu lassen, hörte ich damals nicht, und nach drei Jahren war die Karosserie durchgerostet", erinnert sich Höcker. Viele seiner Altersgenossen sammelten in jener Zeit nach bestandener Führerscheinprüfung ihre ersten Erfahrungen im Straßenverkehr mit forsch gefahrenen Polos. "Ich bin mit diesen Autos groß geworden", erklärt er seinen Faible für diesen Kleinwagen, der mit dem Kauf eines rostfreien Polo im Jahr 1994 neuen Auftrieb bekam.
Höcker beschloss, sich mehr um diese durch Korrosion zunehmend dezimierte Baureihe zu kümmern, speziell der in deutlich geringerer Zahl als der Polo vom Band gelaufene Audi 50 hatte es ihm angetan. Dass es hier und da mal etwas zu schrauben gab, blieb nicht aus. Aber Höcker beließ es nicht bei kleineren Schraubereien, er stieg tief in die Materie ein. Bei seinem Freund Wolfgang Lohoff von WL Motorsport in Hamm lernte er alles Wissenswerte rund um die Technik eines Autos. "Einen Motor kann ich mittlerweile fast im Schlaf auseinandernehmen und zusammenbauen", sagt Höcker. Aber auch das Reparieren von Karosserieschäden ließ er sich von Experten ebenso beibringen wie das Schweißen.
Kümmert sich: 1. IG der Audi 50 Freunde
Ein weiterer wichtiger Schritt, der den Erhalt des sogenannten Typs 86 sicherte, wie VW Polo und Audi 50 sowie der spätere Derby werksintern hießen, war die Gründung eines Clubs. Das liegt mittlerweile 15 Jahre zurück. Von Anfang bot die 1. IG der Audi 50 Freunde seinen Mitgliedern und anderen Typ 86-Interessenten jede mögliche Unterstützung, wenn es um Fragen und Probleme rund um diese Kleinwagen ging. Durch diese intensive Kommunikation mit Gleichgesinnten erfuhr der an der Spitze des Clubs stehende Michael Höcker im Jahr 2003 von einem zum Verkauf stehenden Audi 50 in Soest. Da dies nur einige Gasstöße von seinem Wohnort entfernt war, fuhr er eine Woche später dorthin, um sich den Wagen einmal anzuschauen. Vor ihm hatten schon andere das im Farbton Hellas lackierte Exemplar inspiziert. "Doch die diversen Rostflecken und der Kantenrost hatten die Interessenten anscheinend abgeschreckt", erinnert sich Höcker.
Da er sich schon eine Weile sehr intensiv in Theorie und Praxis mit dem Typ 86 befasst und ein geradezu lexikalisches Wissen darüber erworben hatte, fiel ihm natürlich sofort anhand der Fahrgestellnummer auf, dass hier eines der ersten gebauten Exemplare eines Audi 50 GL vor ihm stand. Die Rostflecken schienen weit weniger schlimm zu sein, als sie aussahen. Lediglich der Klarlack auf dem Dach hatte sich beim Anheben der darauf wohl schon lange liegenden Gummimatten gelöst. Das alles schreckte ihn nicht, doch der geforderte Preis war heftig. Mehrere Wochen verhandelte Höcker, bis der Verkäufer schließlich nachgab und mit weniger Geld zufrieden war. Der Motor des nur 31.000 Kilometer gelaufenen Wagens ließ sich noch in Gang bringen, und so fuhr er seine Neuerwerbung auf Achse nach Hause.
Erst dort wurde ihm bald klar, was für ein Goldstück er sich mit dem Audi 50 GL tatsächlich an Land gezogen hatte. Da waren zunächst einmal die vielen Details wie die beiden Motorhaubenschlösser, die besonderen hinteren Schriftzüge und die zwei Nummernschildleuchten in der Heckstoßstange, die bereits bei ab März 1975 gebauten Versionen dem Rotstift zum Opfer gefallen waren. Als GL-typische Details besaß sein Auto seitliche Zierleisten mit Hartplastikkante, zusätzliche Schwellerleisten, Rammschutzleisten auf den Stoßstangen, zwei Gasdruckdämpfer an der Heckklappe und einen lastabhängigen Bremsdruckregler, um nur einiges zu nennen. Doch es gab noch mehr Gründe zum Jubeln.
Alles raus, alles auseinanderund Ärmel hochgekrempelt
Die Karosserie des vor 24 Jahren abgemeldeten Audi erwies sich als überraschend gesund, Höcker registrierte nur Oberflächenrost, aber keine wirkliche Durchrostung. Unglaublich. Im Jahr 2007 wagte er sich dann endlich an die Restaurierung, nachdem er zuvor an anderen Exemplaren genügend geübt hatte. Übrigens zeichnen seinen Anfang September 1974 produzierten Audi eine Reihe weiterer Besonderheiten aus wie die fehlende, unterhalb der Heckscheibe verlaufende Kante und etwa drei Mal so viele Schweißpunkte an der Karosserie wie bei anderen Audi 50. "Das liegt daran, dass der Wagen noch vor der Vollautomatisierung der Produktionsstraße entstand", weiß Höcker. Das spornte ihn natürlich an, noch akribischer zu arbeiten, als er es sonst tat.
Mit Elan machte er sich ans Werk, wobei ihm gelegentlich seine Freundin zur Hand ging. Nach der kompletten Zerlegung des Audi 50 GL widmete sich Höcker zunächst dem Blech. Er entfernte allen Unterbodenschutz und alle Dämmmatten und entrostete mit einem Sandstrahlgerät die oberflächlich korrodierten Blechpartien. Sollte es noch irgendwo Rost geben, er würde diese Stellen finden, sagte er sich. Deshalb demontierte er auch den Dachhimmel, weil Audi darunter einen hygroskopischen Kleber verwendet hatte. Ja, er bördelte sogar die Haubenkanten und Türen auf, um dahinter nach möglichem Rost Ausschau zu halten.
Selbst die Dichtmasse über den Schweißnähten entfernte er, um hier das Metall nachhaltig vor der braunen Pest zu schützen. Die Schweißpunkte des Frontblechs bohrte er auf, um verdeckte Falze inspizieren und bearbeiten zu können. Dieses Frontblech wies eine kleine Delle auf, weshalb es ausgebeult werden musste. Denn Höcker konnte es nicht durch ein Neuteil ersetzen, "weil die Formen, Knicke und Falze mit keinem verfügbaren Ersatzblech vergleichbar sind. Auch nicht mit dem Blech, das nur einen Monat später im Audi 50 verwendet wurde", verrät Höcker.
In 800 Stunden zum perfekten Audi 50
Da dieses frühe Exemplar des Audi 50 GL etliche einzigartige Bauteile aufweist, nützte ihm also manchmal auch sein großes Ersatzteillager nichts. Selbst in Teilekatalogen waren diese Komponenten nicht zu finden - es blieb also nur übrig, sie aufzuarbeiten. Ein kleines Loch im Blech hat Höcker letztlich dann doch noch gefunden, das durch ausgelaufene Batteriesäure entstanden war. Nur bei dieser Reparatur und beim Zusammensetzen des zerlegten Frontblechs musste geschweißt werden, sonst nirgends. Im lackierten Innenraum verzichtete Höcker übrigens auf das Verkleben von Dämmmatten, weshalb jeder das ungeschweißte, völlig intakte Bodenblech bewundern kann. Den grundierten Unterboden behandelte er mit überlackierbarem, Original-VW-Unterbodenschutz und die Radhäuser mit Original-VW-Steinschlagschutz.
Natürlich zerlegte Höcker auch den Motor in alle Einzelteile, trotz der nur geringen Laufleistung. Er erneuerte Haupt- und Pleuellager, Kolbenringe und -bolzen, Ölsieb und Dichtungen, Ventilfedern und alle Simmerringe. Etliche Anbauteile bis hin zum Gaszughalter wurden sandgestrahlt und schwarz pulverbeschichtet. Andere Teile wie Halter oder Schrauben wurden glasperlgestrahlt und dann gelbverzinkt. Mit ebensolcher Sorgfalt rückte Höcker dem Fahrwerk und allen anderen Teilen des Wagens zu Leibe. Entweder er verwendete ein Neuteil oder er überholte die entsprechenden Komponenten. Nichts überließ er dem Zufall, stets erledigte er alle Arbeiten mit großer Sorgfalt. Sein nun beendetes Werk stößt allenthalben auf große Bewunderung. Nach rund 800 Stunden Eigenleistung ist ein perfekter Audi 50 entstanden, der auch bei der Präsentation 1974 in Sardinien eine gute Figur gemacht hätte.
Quelle: Motor Klassik
Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen
Kulturgutvernichtung? 😕 Ist doch nen nettes Wägelchen geworden 😊
Es ist eben kein originaler Polo, sondern ein Neuaufbau, wozu man auch einen 300 € Polo hätte nehmen können, der eh in die Presse gewandert wäre. Nichtmal der angeblich so toll erhaltene Lack blieb bestehen. Es ist fast ein Neuwagen, abgesehen von der Fahrgestellnummer, die ja alt ist.
naja, nen völlig verwanzten 300 Euro Polo (so man einen findet) wieder aufzubauen ist halt ne ganze andere Nummer. Ich mein, der hat das Teil durch seine Arbeit wenigstens nachhaltig instandgesetzt. Früher oder später wäre der sowieso fällig gewesen...
ich finde es schön das solche Exemplare erhalten werden😊😊
den jeder ältere Polo isses wert ,was zu machen😊
Ja und wo ist das Problem, wenn ein alter 50 neuaufgebaut wird? 🙄
Möchte nicht jeder im Gammellook unterwegs sein, nur um die "Authentizität" zu waren und um später mit bösen Rostauswüchsen zu kämpfen. Nach gut erhalten klang das nicht, wenn der Klarlack schon am Ablösen war.
Schöne Restauration eines ausgestorbenen Fahrzeuges; bewundernswert, dass man sich mit so einem Auto überhaupt "abgegeben" hat, es war ja damals ein pures Verbrauchsauto und ohne wirkliches Image. Ebenfalls ist der Serienzustand eine schöne Eigenschaft, sind doch einige schon von der "Tiefer-Fraktion" an den Boden gebracht worden...
Interessant ist die Nahaufnahme von der geöffneten Tankklappe. Dieser rostherd bestand ja noch gute 25 Jahre später, von Polo I zu Golf III und von Audi B1 zu Passat IV (3A). Man hatte einfach keine Radhausschale eingesetzt und so sammelte sich der feuchte Dreck immer auf dem Tankrohr. Ideale Bedingungen für Rost...
Schöne Arbeit - mit dem Word "perfekt" gehe ich aber immer vorsichtig um...
Allerdings Falznähte aufbiegen... ??? Na ja.
Gammel im Tankdeckel? Ich putze miene Fahrzeuge alle von Hand - auch im Tankdeckel. Da gammelt nix.
So ein Audi 50 mit 2,5TFSi, das wärs ;-)
Geil, so einen in GRÜN hatte meine Mum von 1977-1979 gehabt, Audi 50 GL mit 60PS, das war damals eine "Rakete". Waren so meine ersten Erinnerungen die ich noch an fahrbare Untersätze habe. Gutes Projekt geworden dein Audi 50 😉
Einfach genial, würde mal sagen: Besser als Neu.
Mein erstes Auto (1989) war ein 1975 Polo mit 40PS.
Mein 77er Polo kann sich zwangsläufig nicht mit diesem Prachtstück messen, steht dazu überwiegend in der Garage und Bewunderung ist das nicht, mit dem man mich betrachtet, wenn ich über Aufwand und von den getätigten Kosten berichte, um ihn so zu erhalten wie er sich zeigt.
Wenn ich dann mal wieder eine Runde mit ihm drehe werden viele Erinnerungen aus den nunmehr 34 Jahren wach, die er uns nun begleitet.
Warum man sich das antut..... es gibt keine verständliche Erklärung dafür, häufig hat es sich halt so ergeben. 😜
und nun zum Verkauf
http://suchen.mobile.de/.../showDetails.html?...
Warum richtet man erst 34.000 € rein, um ihn für 17.500 € zu verkaufen?
Ist doch ein sehr sehr seltenes stück!!!
Zumal die meisten Audi jünger bestimmt gar nich wissen das so ein Audi mal gegeben hat.