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Ode an die Knieschleiferfraktion

Themenstarteram 19. April 2006 um 20:26

Hallo Leute,

ich habe in der WELT mal eine lustige Ode an die Knieschleiferfraktion gelesen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Gern auch Eure Meinung zu dem Thema:

"Kniet nieder!

Warum es das höchste Glücksgefühl eines jeden Motorradfahrers sein muß, auf einem Knie die Kurve zu kratzen

von Johannes Riegsinger

Das waren noch Zeiten. Als das Frühjahr noch nicht unter dem Titel begann: "Sicher durch die Saison - sanfte Trainingseinheiten für Wiedereinsteiger". Sondern unter: "Machs geil wie Kenny - Knieschleifen in zwei harten Stunden". Ach ja. Seufz.

 

Heute muß man sich am Bikertreff "Sonnenblume" wortreich für allzu verantwortungslose Schräglagenwinkel in der Zitterkurve vor dem Lokal - einst hieß das ja noch Applauskurve - entschuldigen. Früher wurde man ohne signifikant angeschliffene Kniepads noch mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Aber da hieß das Restaurant auch noch nicht "Sonnenblume". Damals stand"Zum rotäugigen Benzinbruder" überm Eingang.

 

Dabei wissen die sicherheitsbewußten Motorradfahrer des neuen Jahrtausends ja überhaupt nicht, was ihnen entgeht: Es gibt ja sowieso nichts Schöneres, als eine elegant, mit Dampf durchzirkelte Kurve. Die Kurve in all ihren Variationen ist die Krönung des Motorradelns, egal ob lang gezogen oder eng. Entscheidend ist allerdings - wie beim Austernessen das kräftige Kauen - daß man die Kurve auch spürt. Wer mit zusammengekniffenen Hinterbacken und Schräglagengrusel durch die Gegend schleicht, kriegts nicht mit. Motorradfahren ohne Schräglage ist wie Weintrinken mit Cola-Verdünnung. Wie Horror-Thriller mit Augenzuhalten. Ach was. Schlimmer! Völliges Banausentum! Zumal sich die Schleicherei ja gerne mit der Moral der Verantwortlichkeit, des Sicherheitsbewußten ziert.

 

Alles Fehlanzeige. Von der panikartigen Angst vor der fühlbaren Dynamik des Einspurgeräts bis hin zur enthemmten Raserei ist es ein weiter Weg. Den müßte der Verschreckte erst mal überwinden. Wer will bestreiten, daß unsichere und langsame Fahrer viel eher Gefahr laufen, auf die Nase zu fallen? Und wenn, dann wissen sie nicht einmal, warum es plötzlich dahinging. Sie erklären das dann mit dem immergleichen, selbigen, einzigen Grund: Ich war zu schnell.

 

Dabei ist Zu-schnell kein Maß. Es ist eine Relation. Zu schnell für die Kurve? Oder zu schnell für die hilflos am Anschlag zuckende Panikschaltung des Stammhirns? Zu schnell für Rollsplitt, Kuhmist oder Gegenverkehr hat auch nichts mit objektivem Zu-schnell zu tun. Eher mit subjektivem Erleben und Reagieren. Früher hat man das so gesehen: Wenn ein anderer in derselben Ecke noch am glitschenden Rinderdung vorbei kam, dann war er Genau-richtig. Und Du einfach blind. Zu schnell? Was'n das?

 

So basisphilosophisch eingenordet sollten wir uns dem Wesentlich widmen: Der Lust. Der Kurvenlust.

 

Absolutes Anfängerprogramm, aber immer wieder prima: Enge Ecken mit ordentlich Zug am Hinterrad und in Schräglage gedrücktem Motorrad durchzuschlenzen. Schafft einen wunderbaren Kraftbogen. Dann das genüßliche Verkosten der Schräglage an sich: In harmonischer Linie mit der Silhouette des Bikes sich neigen, spüren, wie die Reifengummis souverän den Asphalt abtasten, Grip, Fliehkraft, Leichtigkeit, In-sich-ruhen - Motorradfahren ist Meditation, Sensibilität. Gegen diese Fortbewegung ist Autofahren wie Fernsehen. Motorradfahren - es gibt nichts Besseres. Punkt.

 

Und damit sind wir auch schon bei der Schräglage. Runter mit dem Bock. Tiefer. So lange bis das Gehirn um Hilfe ruft, die Muskeln in Beinen, Rücken, Armen sich verhärten, alles ganz gezwungen und furchtsam wird. An diesem Punkt sind schon ganze Motorradclubs von ambitionierten Sportfahrern umgestiegen aufs Tourenfahren oder gar Choppern. Und ranzen nun eifersüchtig die "Schräglagenwixer" an. Mit vollen Hosen läßt sich gut stinken.

 

Wie man's macht? Der Trick ist das mentale Setup. Knieschleifer brauchen einen Mentor. Wie Luke Skywalker Obi Wan Kenobi. Ein Windgesicht, das einem ganz still erklärt, daß der Gummi im Normalfall gript, bis die Ohren kratzen. Und daß das Überwinden der ganz persönlichen Schräglagengrenze zuerst in der Übung, größtenteils aber in der richtigen Blickführung liegt: Blick weit voraus, das entzerrt den Horizont. Und dann ganz locker den Körperschwerpunkt neben die Maschine schieben. Keine krampfartigen Kunststückchen. Sondern das Motorrad wie ein Körperteil behandeln. Knie raus. Und dann fliegen lassen.

 

Irgendwann dann - Rennstrecken sind da unglaublich hilfreich, und man kann nur jedem zu ein paar Hockenheim-Abstechern pro Saison raten - also irgendwann dippt plötzlich das Knie ganz zufällig gegen den Asphalt. Elektrisiert einen. Ich hab es! Das ist es! Es ist soo einfach!

 

Einmal dort gewesen, läßt sich die Kurventechnik mit dem Knie ganz locker reproduzieren. Man weiß einfach wie weit es runter geht. Ähnlich wie früher, als man sich nachts im Dunkeln aus dem Haus der Schwiegereltern in spe geschlichen hat: Man wußte einfach, wie viele Schritte es im Dunkeln bis zur Haustür waren.

 

Und dann? Dann macht das Knieschleifen außer Spaß plötzlich auch Sinn. Als Schräglagensensor. Als drittes Stützrad. Als Balancierstange. Das erste Mal mit 200 km/h einen lang gezogenen Knick entlangbürsten, als pantherhaftes Kraftbündel eingeduckt in die brüllende Maschine, explosionsartig in den Horizont jagen und dabei surft der Knieschleifer sanft über den Asphalt - da überkommen selbst introvertierte Naturen Allmachtsgefühle.

 

Wer das erlebt hat, weiß eh wie Motorradfahren geht. Muß nicht zu schnell fahren, um den Kick zu kriegen. Redet kein Wort mehr darüber. Sondern tut es einfach immer wieder. Geil wie Kenny. "

 

Artikel erschienen am Sa, 15. April 2006

 

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Gruß

Kai

13 Antworten

Johnny Riegsinger ist der Meister. Der schreibt auch für die MO. Ich finde den so herrlich...

Cooler Text - sehr treffend geschrieben...da kriegt man gleich wieder Lust... ;)

@kai... fährst du zufällig ne zxr?;)

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Gruß

Kai

 

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Es gibt nichts gutes außer man tut es.

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Honda CBF 600 N ABS 05

Yamaha YZF-R1 06

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Wieso fragste nach der zxr ?

nur so, weil der gleiche Text vor kurzem in einem dementsprechenden Forum kam. Vielleicht hat ihn kai ja da gelesen. ;)

nur so aus interesse.

Ach soo.

Hab mich nur gefragt, was jetzt grad ne zxr mehr mit Knieschleifen zutun hätte, als ne andere Maschine ;)

Themenstarteram 19. April 2006 um 21:25

@callbyreference

Nee, ich bin auf einer R1 unterwegs. Ich fand den Text heute im Internet - wie zu sehen ist er am Wochenende in der Welt erschienen. Da hat sich wohl im Kawa-Forum auch schon einer gefreut ;-)

Ich werde mir den Text vor dem Wochenende noch mal reinziehen und dann losfahren...

Am kommenden Montag lasse ich die 1000er Inspektion machen, dann kann ich den Schaltblitz endlich neu einstellen. Ich freu mich !

Gruß

Kai

Genial geschrieben! :D

Und vielleicht werde ich eines Tages meine "persönliche Schräglagengrenze" auch etwas weiter ausdehnen können ... ;)

am 20. April 2006 um 5:39

Vor Jahren hatte der Riegsinger mal einen Artikel in der MO, der ging über bestimmt zehn Seiten und hatte das Thema "Heizen auf der Landstraße". Saugeil geschrieben, voller Wahrheiten... Ein paar Leserbriefschreiber waren entsetzlich betroffen, wie kann man nur... Naja, der Rest fand's geil!

Der Mann spricht mir aus der Seele. Endlich mal jemand der Mut hat, solche Dinge auszusprechen. Auch wenn die Mehrheit dem widersprechen würde. Schluss mit der Heizer Pauschalisierung;-)

Grüße, Niko

Themenstarteram 22. April 2006 um 10:28

...als ich das erste mal letztes Jahr beim Kurventraining die Fußrasten meiner Honda CBF600N auf dem Boden hatte, ging es mir auch so: ich fand das so geil, ich kriegte mich nicht wieder ein.

Das war dann allerdings auch der Tag, an dem ich wusste, ich brauche eine andere Maschine - eine, mit der ich RICHTIG in die Schräglage kippen kann ;-)

Themenstarteram 13. Mai 2006 um 6:02

Gestern war es das erste Mal so weit:

ich hatte ein Kuventraining in der Nähe von Hamburg und habe mir zum Geburtstag sogar ein Einzeltraining schenken lassen.

Die ganze Zeit stand ich also unter strenger Beobachtung und habe nach jeder "Runde" ein sehr gutes Feedback erhalten. Aber das nur am Rande.

Ich also mit meiner neuen R1 das erste Mal auf einer Rennstrecke (klein, aber sehr kurvig: www.heidbergring.de

Mein Ziel für den Tag: mit dem Knie auf den Boden und zur "Kniescchleiferfraktion" gehören - wollte doch wissen, ob das wirklich so toll ist.

Bei der ersten Runde hatte ich meine jungfräulichen Knieschleifer noch ab, weil ich das total peinlich finde, wenn man mit Knieschleifern herumfährt und gar nicht auf den Boden kommt...

Naja, in der Runde fühlte ich mich noch nicht so sicher. In der nächsten Runde (jeweils 15 Minuten, eine Runde ca. 1 Minute) habe ich dann die Knieschleifer aufgesetzt....

Schon in der ersten Runde war ich mit dem Knie am Boden.

Ich bekam das Dauergrinsen den ganzen Tag nicht mehr aus dem Gesicht. Das ist ja soooo geil !

Das erste mal war natürlich am schönsten - aber mein Gott, was habe ich für einen Schreck bekommen.

Ich bin richtig glücklich und werde meine Knieschleifer jetzt immer an der Kombi dranlassen ;-)

Gruß

Kai

am 13. Mai 2006 um 10:29

Nichts ist schlimmer, wie die Dainese-Fraktion mit jungfräulichen Schleifern, aber nem kantigen Hinterreifen und Aerohöcker!

Als es bei mir das erste mal gekratzt hat, bin ich regelrecht erschrocken. Man hat zwar darauf gegeiert, aber man wusste nie, wann es passiert. Dann auf einmal ein Kratzen, Vibrationen am Knie. Das war der Moment, der Augenblick! Die Schleifer waren immernoch jungfräulich. Kleine Zierliche Kratzer auf der Oberfläche, kaum zu sehen. Aber der Bann war gebrochen. Jetzt wusste man wie, wusste wann. Jetzt konnte man es quacken lassen.

Und dann gab es sie, die Applauskurve, wo selbst Oldtimer-Fahrer einem während der Durchfahrt Respekt zollen, weil sich neben dem Brüllen der Duc noch ein leichtes, kratzendes Geräusch vernehmen läßt....

Man kann sich dem nicht entziehen! Nur die Leute in der Dose schütteln den Kopf, aber ich vergeben ihnen, denn sie wissen nicht, wie es ist und werden es auch nie!

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