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Pikes Peak Hill Climb: VW will den Rekod - Zwischen Motorsport und Marketing-Gag

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Am 24. Juni will VW mit einem Elektro-Rennwagen einen Rekord auf dem Pikes Peak brechen. Wir fragen uns: Ist das Sportsgeist oder ein Marketing-Gag?

VW I.D. R Pikes Peak: Der Rennwagen soll die Elektro-Familie von VW ankündigen VW I.D. R Pikes Peak: Der Rennwagen soll die Elektro-Familie von VW ankündigen Quelle: Volkswagen

Berlin – Zumindest für einen Tag soll der ganze Diesel-Kummer vergessen sein. Am Sonntag, den 24. Juni wird Romain Dumas seinen Helm aufsetzen, durch die Dachluke des VW I.D. R klettern und sich startklar machen. Der Franzose will mindestens den Rekord für Elektrofahrzeuge brechen, lieber noch den Streckenrekord holen.

Zum ersten Mal geht Volkswagen mit einem vollelektrischen Rennfahrzeug beim Pikes Peak International Hill Climb an den Start. Der VW I.D. R. Pikes Peak ist 5,20 Meter lang und 1,20 Meter flach. Unter der Carbonhülle treiben zwei Elektromotoren mit jeweils 250 kW (340 PS) und insgesamt 650 Newtonmeter Drehmoment je eine Achse an. Damit sprintet der Rennwagen in 2,25 Sekunden von 0 auf 100 km/h – schneller als Formel-1- (2,6 s) oder Formel-E-Rennwagen (2,9 s).

200 km/h erreicht der Prototyp in vier Sekunden, könnte bis zu 240 km/h schnell fahren. Dabei steht seine Leistung permanent bereit – im Gegensatz zu konventionellen Rennwagen. Ihnen geht in der Höhe die Puste aus: Auf 4.302 Meter haben sie wegen des geringen Sauerstoffanteils in der Luft nur noch 57 Prozent ihrer eigentlichen Leistung. Der E-Motor liefert die volle Kraft. Etwa acht Monate benötigte VW Motorsport mit rund 40 Mitarbeitern in Hannover für die Entwicklung. Genialer Technik-Trick oder alles nur PR-Getöse?

Elektroautos haben keine Probleme mit der dünnen Luft auf dem Gipfel. Verbrenner schwächeln dort Elektroautos haben keine Probleme mit der dünnen Luft auf dem Gipfel. Verbrenner schwächeln dort Quelle: Volkswagen

Motorsport als Marketing-Instrument

„Natürlich kann man darüber streiten, ob Motorsport nicht nur teuer, sondern auch sinnvoll ist und auf eine Marke einzahlt“, sagt Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Doch der Wettbewerb sei auch eine große Chance für eine Marke: Es sei symbolträchtig, sich bei so einer extremen Situation wie dem Pikes-Peak-Bergrennen zu beweisen.

Technik wie Batterien und Motoren werden in kurzer Zeit stark gefordert. Das Unternehmen kann daraus wahrscheinlich Schlüsse für Serienfahrzeuge ziehen. Beim VW-Rennwagen stecken luftgekühlte Lithium-Ionen-Rennbatterien mit einer hohen Leistungsdichte rechts neben und hinter dem Cockpit. Leistung ist alles, die Reichweite mit rund 20 Kilometern im Renntempo weniger wichtig. „Aber ob man dafür ein Rennen mit so einem hohen Aufwand in den USA benötigt, kann man hinterfragen“, sagt Bratzel.

Manche Ingenieure fühlen sich bei Motorsport-Projekten besonders angespornt, ihr Forscher- und Erfindergeist wird geweckt. „Das kann in dem ein oder anderen Fall auch später der Serie helfen“, sagt Professor Bratzel. Auch wenn ein Technologie-Transfer vom Rennsport in die Serie nur selten eintritt, ab und an gelingt er.

So experimentierte Audi schon Mitte der 1980er-Jahre mit Doppelkupplungsgetrieben in den Rallyeautos S1, bevor es Jahre später den Weg in die Serie fand. Porsche entwickelte sein Allradsystem zuerst beim Rallye-Dakar-Rennwagen, bevor es im 911 eingesetzt wurde. „Die Carbonhülle des Pikes Peak Rennwagens wird sich aus Kostengründen aber für die Serie nicht rentieren“, ist sich Bratzel sicher.

Das Cockpit des VW I.D. R bietet nur wenig Platz Das Cockpit des VW I.D. R bietet nur wenig Platz Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de

Elektro-Rennwagen als Leuchtturmprojekt

Mit dem Rennwagen will VW seine Elektro-Familie I.D. bekannter machen. Romain Dumas startet am Sonntag mit der Nummer 94. Eine selbst gewählte Zahl, der neunte und vierte Buchstabe des Alphabets. I und D. Spätestens 2020 sollen die ersten neuen Elektrofahrzeuge mit gleichen Namen zu kaufen sein. Der Rennwagen im Grauton mit den auffälligen Lichtleisten entspricht zumindest vorne optisch ein wenig der künftigen I.D.-Familie.

Natürlich ist ein Wettbewerb wie das Pikes-Peak-Rennen ein Risiko. Die Fahrer haben bei dem Sprintrennen nur einen Versuch. „Ein Ausfall der Technik wäre peinlich, negative Werbung wäre für VW besonders in den USA schlecht“, sagt Bratzel. Doch selbst bei einem mageren Abschneiden zeige man Mut und den Willen, sich weiterzuentwickeln.

Nach innen kann dieses Ergebnis benutzt werden, um Mitarbeitern Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. „Als reines Marketinginstrument lässt sich aber nur ein Sieg verkaufen“, sagt Professor Bratzel.

Romain Dumas startet für VW am Pikes Peak Romain Dumas startet für VW am Pikes Peak Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de

Dünne Luft auf dem Pikes Peak

Keine leichte Aufgabe. Das Pikes Peak International Hill Climb in Colorado zählt zu den außergewöhnlichsten und höchstgelegenen Bergrennen der Welt. Gestartet wird auf 2.862 Meter, die Strecke führt über 19,9 Kilometer auf bis zu 4.302 Meter. Der Amerikaner Spencer Penrose veranstaltete 1916 erstmals ein Rennen für Autos und Motorräder, um seine Straße für Besucher ins Gespräch zu bringen. Früher drifteten die Rennwagen über Schotter. Anfangs starteten meist amerikanische Rennfahrer, seit Mitte der 1980er-Jahre mischen Europäer das Feld auf.

Deutsche Motorsport-Fans haben meist das Video mit Walter Röhrl und seinem Audi Quattro S1 mit rund 600 PS im Kopf, wenn sie an das Rennen denken. Röhrl gewann 1987 mit einer Bestzeit von 10:47,85 Minuten. Ein Jahr später unterbot Ari Vatanen mit einem Peugeot 405 die Zeit um eine halbe Sekunde.

2012 wurde die Strecke komplett asphaltiert. Der derzeitige Rekord für Elektroautos liegt bei 8:57,118 Minuten. Den Streckenrekord hält seit 2013 Sébastien Loeb, aufgestellt mit einem Peugeot T16. Er brauste in 8:13,878 Minuten auf den Gipfel.

Das Bergrennen am Pikes Peak: Eine Strecke von 19,99 km führt zum Gipfel Das Bergrennen am Pikes Peak: Eine Strecke von 19,99 km führt zum Gipfel Quelle: Volkswagen

Elektromobilität muss Spaß machen

Ist es sinnvoll so einen Rekord zu brechen? Ob E-Fahrzeuge als Rennwagen überhaupt sinnvoll sind, hat nicht nur etwas mit Ökologie zu tun, sondern auch mit Spaß. „Man muss aufpassen, dass die E-Mobiltät nicht nur spaßbefreit ist. Das war ein Fehler, den Hersteller vor den ersten Tesla-Fahrzeugen gemacht haben. Bis dahin galten E-Autos eher als Krankenfahrzeuge“, sagt Bratzel.

Ökologie spiele zwar eine große Rolle, aber der Fahrspaß dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Dann werden auch E-Autos positiv besetzt und finden mehr Absatz. Der Einsatz des Elektrofahrzeuges zeige deshalb einen Strategiewechsel bei Volkswagen. „Statt beim 24h-Rennen mit Audi investiert der Konzern lieber in Elektrorenner wie für Pikes Peak oder für die Formel E.“

Die Ingenieure hoffen nicht nur auf einwandfrei funktionierende Technik, sondern auch auf gutes Wetter. Durchschnittlich schneit oder hagelt es im Gipfelbereich an 18 von 30 Tagen im Juni. Im Zielbereich beträgt die Durchschnittstemperatur null Grad Celsius. Regen würde nicht nur den Rekordversuch am 24. Juni zunichtemachen – die Arbeit wäre aus PR-Sicht umsonst gewesen.

Technische Daten VW I.D. R Pikes Peak

  • Motor: Zwei Elektromotoren
  • Leistung: jeweils 250 kW/340 PS
  • Drehmoment: 650 Nm
  • Kraftübertragung: Allradantrieb mit aktiver Drehmomentverteilung
  • Aufbau: Sicherheits-/Crash-Struktur vorn, Carbon-Monocoque
  • Länge: 5,2 m
  • Breite: 2,35 m
  • Höhe: 1,2 m
  • 0–100 km/h: 2,25 s
  • Höchstgeschwindigkeit: ca. 240 km/h
  • Gewicht: ca. 1.000 kg

 

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