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Porsche Wintertraining - So schöne Pirouetten dreht sonst nur Kati Witt

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Am nördlichen Ende Europas hat Porsche eine Schnee-Spielwiese für Drifthungrige geschaffen. MOTOR-TALK-Reporter Fabian Hoberg ist dort heftig ausgerutscht.

Levi/Finnland - 0,8 bar Ladedruck. Ein Druck, der Angeber von Könner trennt, den Profi vom Amateur. Zumindest bei einem Porsche 911 Ur-Turbo aus den 70er- und 80er-Jahren. Wenn der in Kurvenfahrt in den Ladebereich kommt, gibt es kein Halten mehr. Das Heck schlägt jenseits des Grenzbereichs aus wie ein bekifftes Pony. Wer hier nicht schnell an Lenkrad und Gaspedal reagiert, dreht Pirouetten wie Kati Witt bei Fire on Ice.

Im modernen 911 Turbo pressen zwar mittlerweile 1,2 bar Luft in die Brennkammern. Doch das Porsche-ESP namens PSM regelt im Grenzbereich so feinfühlig, dass selbst Ungeübte mit dem Turbo schnell unterwegs sind. Früher war eben doch nicht alles besser.

Eine Eisdecke mit leichtem Schneeüberzug

Nostalgiker und Freunde des gepflegten Drifts schalten deshalb besser das Stabilitätssystem ab. Am besten bei Schnee und Eis, wenn es ohnehin kaum noch Haftung gibt. Schon bei wenigen Stundenkilometern kommt das Auto dann ins Schlingern.

Da der Winter in Deutschland dieses Jahr mehr oder weniger ins Wasser fällt, bin ich einfach nach Levi, in den Norden Finnlands, geflogen. Hier gibt es geschlossene Eisdecken mit einem leichten Schneeüberzug und damit ideale Voraussetzungen zum Driften. Das weiß auch Porsche und betreibt dort auf einem 200.000 Quadratmeter großen Gelände ein Winter-Driving-Experience-Center.

Gutbetuchte oder Schneesüchtige können sich auf insgesamt 25 Bahnen, darunter 9 Handlingkurse, 4 Waldstücke, 2 Figuren und 5 Kreisbahnen, austoben. Dazu stehen insgesamt 85 Fahrzeuge bereit. Der Spaß ist aber nicht ganz billig: Bei 4.000 Euro geht es los, inklusive Mietfahrzeug sind es 8.000 Euro. Im Falle eines Totalschadens ist außerdem der Selbstbehalt in Höhe von 10.000 Euro futsch.

Viertel vor acht, minus 19 Grad

Für den perfekten Drift packt Porsche nördlich des Polarkreises die scharfen Messer aus: Carrera S, Carrera 4S und Turbo, also die Hinterrad- und die Allrad-Fraktion mit 400 und 520 PS. Damit können auch Sportwagenfahrer die Grenzen der Fahrphysik ausloten, ohne zu viel Blech kalt zu verformen.

Morgens, viertel vor acht: Das Thermostat zeigt minus 19 Grad an. In einer Halle abseits der Landstraße warten die Elfer, fein säuberlich in einer Reihe geparkt. Ohne viel Gequatsche setze ich mich hinein, drehe links den Zündschlüssel um und genieße den Sound.

Aus den beiden Auspuffrohren des Elfers dampft es mächtig. Auf den ersten Metern knackt das Eis unter den Spikes der Reifen wie Eis-Konfekt beim ersten Biss. Die Sitzheizung läuft auf Stufe vier und wärmt meinen Hintern. Langsam wandert die Sonne über die Bergkuppe und lässt die Schneekristalle funkeln.

In kleinen geführten Gruppen geht es auf die abgesteckten Rundkurse. Das ESP ist noch aktiviert, als Instrukteur Andre den ersten Abschnitt erklärt. Er ist einer von 25 Profis, die aus Deutschland, England, Finnland, USA, Belgien, Spanien und der Schweiz kommen, um den Piloten richtiges Fahren beizubringen.

Mit kurzen Gasstößen durch den Slalomkurs

Die dicken Hinterreifen des Carrera S wurden mit 1,4-Millimeter-Spikes für die Fahrt übers Eis vorbereitet. Vor der ersten Kurve soll ich stark abbremsen und dann kurz anlenken, damit das Heck leicht rumkommt und das Auto in den Drift geht. Das hört sich einfach an. Ist es aber nicht, auch nicht mit abgeschalteter Stabilitätskontrolle.

Zuerst trete ich zu zaghaft auf die Bremse und der Porsche bleibt in der Spur, dann zu hart und der Elfer dreht sich um die eigene Achse. Erst beim dritten Versuch sieht es einigermaßen sauber aus. Ebenso die Wedelei durch eine Slalomstrecke mit kurzen, heftigen Gasstößen.

Mit dem „Scandinavian Flick“ geht es noch eleganter. Das wohldosierte Wechselspiel aus Lenk- und Gaspedalbewegungen soll das in den Scheitelpunkt rutschende Auto so stellen, dass es bei Kurvenausgang gerade steht und mit Vollgas Richtung nächster Kurve rauschen kann. Irgendwann ist auch Andre zufrieden und gibt das Kommando zum Fahrzeugwechsel.

Wer zu früh Gas gibt, dreht sich

911 Turbo. Endlich Leistung. Oder eher endlich Allrad? Auf Eis eher Letzteres. In einer Kreisbahn erklärt Andre kurz den Unterschied zum Hecktriebler. „Statt ohne Gas auf das Rutschen zu warten, muss man beim Allrad im Scheitelpunkt der Kurve Gas geben, damit sich alle vier Räder in das Eis krallen und das Auto für die Richtung stabilisiert wird“, sagt der Instrukteur. „Das Auto darf nicht zu hektisch bewegt werden“. Und wer zu früh aufs Gaspedal tritt, der dreht sich.

Der Turbo hängt auch außerhalb des Laderbereichs sauber am Gas, das Doppelkupplungsgetriebe PDK ist permanent auf Zug und der Elfer schiebt sich um den Kreis. Mit kleinen Lenkbewegungen peile ich im Drift die Richtung an, unterstützt von Gasstößen. Anders als beim C2 sind beim Turbo vier Millimeter dicke Spikes montiert. Die fressen sich in den Untergrund wie eine Bohrkrone in den Berg. So habe ich mir das vorgestellt.

Auf der nächsten Strecke soll ich das Gelernte in einem Handlingkurs umsetzen. Hier zählt nicht eine schnelle Rundenzeit, sondern ein möglichst sauberer Drift. Nach ein paar Stunden bin ich eins mit dem Elfer, wedele von einer Kurve in die nächste und der Porsche dreht sich nur manchmal um die eigene Achse. Der nächste Winter kann also kommen.

Denkste. Gerade, wenn der Fahrer glaubt, er beherrsche sein Mobil, versenkt er das Auto in der Schneewand. Da hilft kein Mobiltelefon, und kein Kneipenlatein ("Hätte, wäre, beinahe..."). Da hilft nur Jarne mit seinem Cayenne und dem großen Haken. Er bringt den Porsche nach der ungeplanten Rutschpartie wieder auf Kurs.

Walter Röhrl - der Meister des Eises

Und dann kommt Walter. Walter Röhl, zweifacher Rallye-Weltmeister und wahrscheinlich der beste Fahrer auf kaltem Untergrund. „Eis und Schnee ist mir das Liebste, da brauchst du dieses Feingefühl, denn im Schnee musst du sehr präzise fahren“, sagt der 67-Jährige und pflügt auf geschlossener Eisdecke mit 170 km/h der nächsten Kurve entgegen. Er muss es wissen – gleich viermal gewann Röhrl die Rallye Monte Carlo, jeweils mit verschiedenen Fahrzeugen.

„Wer auf Schnee schnell sein will, muss geduldig sein. Weniger ist hier mehr, lass das Auto kommen und dann gibst du erst Gas“, gibt Röhrl Tipps. „Wenn die Masse im Heck des Porsches einmal in Schwung kommt, hast du fast keine Chance mehr, das Auto zu halten“, sagt er. Das gilt vor allem bei den Porsche-Fahrzeugen mit Hinterradantrieb in Kombination mit breiten Reifen.

Auf trockenem Asphalt geht es ruppiger zu

Für Walter Röhrl kein Problem: Der Ex-Rallyefahrer klemmt seine langen Beine neben das Lenkrad, bremst kurz mit links an, gibt mit rechts sachte Gas und dreht nur ein paar Zentimeter am Lenkrad. Die Drifts sehen zwar weniger spektakulär aus, dafür ist diese Fahrweise schneller.

„Heute Morgen habe ich es gestoppt: Auf dem Kurs bin ich bei unspektakulärer Fahrweise zehn Sekunden schneller als wenn ich jede Kurve außen im Volldrift nehme“, sagt Röhrl. Das sei der große Unterschied zu Asphaltrennen. „Auf trockenem Belag geht es ruppiger zu, da fährst du automatisch mit der Brechstange.“

Und noch einen Vergleich hat der große Meister aus Regensburg parat: „Wenn du hier mit dem Quattro fährst, mein Freund, hast du Schwerstarbeit. Der mächtige Motor liegt vor der Vorderachse, dadurch wird das Fahren kompliziert. Auf langen Geraden war der Quattro schnell, in engen Ecken dagegen träge.“

Wahnsinn. Aber auch frustrierend. Bis kurz vor der Fahrt mit Röhrl habe ich geglaubt, ich hätte das Driften einigermaßen drauf. Doch nach der Fahrt mit Röhrl weiß ich: Ich freue mich erst mal auf den Frühling mit griffigem Asphalt – ganz ohne Drift.

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