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Toyota Mirai: Testfahrt von Hamburg nach Berlin - Sieht spektakulär aus, fährt aber gar nicht so

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Toyota mal wieder: Mit dem Mirai bringen die Japaner eines der ersten Wasserstoffautos auf den Markt, mit aufregender Optik, neuer Technik und einem bekannten Fahrgefühl. Erste Fahrt.

Der Toyota Mirai in der Hamburger Hafencity Der Toyota Mirai in der Hamburger Hafencity Quelle: MOTOR-TALK

Berlin – Es ist verdammt mühsam, über das Adjektiv schön zu diskutieren. Das Wort schrullig bietet dafür wenig Raum – und beschreibt ganz wunderbar den neuen Toyota Mirai. Ein Auto, wie es nur Japaner entwerfen können, verspielt, unstrukturiert, abgefahren und auffällig. Vor allem Letzteres ist ganz wichtig. Denn der Mirai ist Vorreiter einer Technologie, über die schon viele Hersteller gesprochen haben, in die viele investiert haben, aber die außer Hyundai und Toyota noch keiner in Serie auf den Markt gebracht hat: der Brennstoffzellen-Antrieb.

In Hamburg wurde uns der Mirai vollgetankt übergeben - die Reichweitenanzeige stand bei rund 320 Kilometern In Hamburg wurde uns der Mirai vollgetankt übergeben - die Reichweitenanzeige stand bei rund 320 Kilometern Quelle: MOTOR-TALK Der soll umweltfreundlich und langstreckentauglich sein. Wir testen das auf einer Fahrt von Hamburg nach Berlin. Startpunkt: Ein Toyota-Händler in HH-Nedderfeld. Die Wasserstoff-Tanks sind voll. Die Reichweiteanzeige gibt 324 Kilometer an, unser Navi 291 Kilometer. Unsere Skepsis hält sich trotzdem in Grenzen. Denn auf dem Papier schafft der Mirai 550 Kilometer und die angezeigte Reichweite dürfte nur ein Hinweis darauf sein, wie eilig es der Fahrer vor uns hatte. Wir wagen eine kleine City-Tour, schießen schöne Fotos und fahren von dort auf die Autobahn.

181 km/h auf der Autobahn

Unser Puffer zwischen Reichweite und Fahrstrecke ist auf 19 Kilometer geschrumpft. So viel zu 550 Kilometer. Das macht die Fahrt etwas unentspannter und etwas langsamer. Ich entscheide ich mich für konstante 130-Tempomat-km/h. Nach etwa 20 Minuten wächst das Polster auf 24, auf 28, auf 31 Kilometer. Ich schöpfe Mut und versuche, die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 178 km/h zu erreichen.

Unter heulendem Protest des Elektromotors schafft der Mirai 181 km/h, für wenige Sekunden. Danach lockere ich mein rechtes Bein und lasse den Kompressor unter der Motorhaube wieder etwas entspannter die Umgebungsluft Richtung Brennstoffzelle schicken. Unser Polster verliert sofort acht Kilometer. Doch wir sind zufrieden – und kehren zu gleichmäßigen 130 km/h zurück.

Der Mirai sieht nicht nur von außen sehr ungewöhnlich aus Der Mirai sieht nicht nur von außen sehr ungewöhnlich aus Quelle: MOTOR-TALK Wir gleiten, leise, bequem, mit einer etwas synthetischen Lenkung, aber dafür auf gut gepolsterten Sitzen und einem ausgewogenen Fahrwerk. Ungleichmäßig wird unsere Fahrt nur durch den sehr ruppigen Tempomat, der für unseren Geschmack sehr früh und sehr hart bremst, sobald ein Lkw am Horizont auftaucht. Das schaffen andere Hersteller schon sanfter.

361 Liter Kofferraumvolumen

Der Mirai sieht spektakulär aus, fährt aber wie die meisten Elektroautos: antrittsstark, geräuscharm und emotionslos. Auch die Platzprobleme ähneln sich. Statt eines großen Akkus mussten die Ingenieure zwei Wasserstofftanks (60 und 62,4 Liter), eine 244-Volt-Batterie und die Brennstoffzelle unterbringen. Elektromotor, Steuerung und Kompressor sitzen unter der Haube, die Brennstoffzelle unter dem Fahrer. Ein Tank liegt vor, ein anderer hinter der Hinterachse, darüber ruht der Akku.

Das kostet Platz. Die Fondpassagiere sitzen erhöht. Das Kofferraumvolumen beträgt lediglich 361 Liter bei einer Fahrzeuglänge von fast fünf Metern. Zum Vergleich. Ein fast gleich langer Audi A6 (4,93 Meter) fasst 530 Liter. Zudem können die Rückbanklehnen des Mirai nicht umgeklappt werden.

Evergreen? Zumindest aus dem Auspuff des Mirai kommt nichts außer sauberem Wasser Evergreen? Zumindest aus dem Auspuff des Mirai kommt nichts außer sauberem Wasser Quelle: MOTOR-TALK Dennoch gibt es einen großen Unterschied zum Elektroauto. Während das Laden eines Batteriefahrzeugs meist eine ganze Nach dauert, dauert eine Wasserstoff-Betankung nicht länger als eine Diesel-Befüllung. Und sie ist genauso simpel. Das einzige Problem daran: Es gibt in ganz Deutschland nur 19 Tankstellen für Wasserstoff. Jeder, der tanken möchte, benötigt zuvor eine Einweisung.

Wir rollen mit einer Restreichweite von 23 Kilometern an die Berliner Shell-Tankstelle am Sachsendamm. An Deutschlands größter Wasserstoffanlage könnten theoretisch 100 bis 150 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde getankt werden. In der Realität sind es 70 Kilogramm pro Woche. Die große Differenz liegt unter anderem an einem missglückten Projekt der Stadt Berlin, die 10 Wasserstoff-Busse angekündigt hatte. Sechs davon gingen zurück an den Hersteller.

3,71 Kilogramm Wasserstoff

Unter Aufsicht eines Mitarbeiters dürfen wir unseren Mirai betanken. Obwohl die Tankanzeige uns die gesamte Strecke über zur Mäßigung zwang und nun beinahe auf null steht, passten laut Kassenbon 3,71 Kilogramm Wasserstoff in die Tanks. Dafür verlangt Shell 35,32 Euro. Zum Vergleich: Mit einem 150-PS-Diesel, der 6,5 Liter je 100 Kilometer braucht, hätten wir bei den aktuellen Benzinpreisen in Berlin (1,05 Euro/Liter) nur knapp 20 Euro für die Strecke bezahlt.

In den Kofferraum des Mirai passen 361 Liter In den Kofferraum des Mirai passen 361 Liter Quelle: MOTOR-TALK Bis Ende 2016 läuft die Zapfsäule offiziell noch im Testbetrieb – und zwingt Nutzer zu einer vorherigen Einweisung. Gefährlich ist der Vorgang laut Frank Belmer allerdings nicht. Denn Wasserstoff fließt im Gegensatz zu Diesel oder Benzin nur dann, wenn die Gaspistole ordnungsgemäß auf dem Tank sitzt. Dann führt die Technik zunächst einen Teststoß durch, um den vorhandenen Druck im Tank zu messen und sicherzustellen, dass alles dicht ist.

Nicht ganz dicht ist der „Auspuff“ des Wasserstoffautos. Zwar strömen während der Fahrt keinerlei Abgase heraus. Doch der Mirai verliert rund acht Liter Wasser pro verbrauchtem Kilo Wasserstoff. Da sich in dem fast waagrecht verlaufenden „Abfluss-Rohr“ Wassertropfen sammeln, gibt es zusätzlich noch eine H2-Taste links neben dem Lenkrad. Wer da drauf drückt, schickt einen Luftstrom hindurch und verhindert damit vor der Einfahrt in die Garage, dass sich über Nacht Wasser unter dem Auto sammelt. Nach unserer Testfahrt plätschern geschätzt 0,5 Liter auf den Asphalt.

Draufstecken, Klick abwarten und dann kann es losgehen Draufstecken, Klick abwarten und dann kann es losgehen Quelle: MOTOR-TALK Toyota verkauft den Mirai seit Ende 2014 in Japan. Mittlerweile gibt es das Wasserstoffauto aber auch in Nordamerika, Belgien, England und seit September in Deutschland. Bereits kurz nach dem Verkaufsstart meldete Toyota eine überraschend hohe Nachfrage. Die geplante Jahresproduktion wurde von 700 auf 3.000 Einheiten aufgestockt.

In Deutschland kann man den Mirai für 1.219 Euro im Monat leasen, für vier Jahre. Danach geht das Fahrzeug zurück an Toyota, für ausführliche Checks. Bis Ende 2015 wird Toyota die ersten 26 Fahrzeuge ausgeliefert haben. 14 weitere sind bestellt. Mit einem schnellen Durchbruch rechnet Toyota aber ohnehin nicht. "Wir haben einen langen Atem, das haben wir schon mit dem Hybridantrieb gezeigt", sagt Unternehmenssprecher Dirk Breuer.

Technische Daten Toyota Mirai

  • Brennstoffzelle: Polymer-Elektrolyt
  • Leistung Elektromotor: 113 kW/154 PS
  • Batterie: Nickel-Metall-Hydrid-Akku mit 245 Volt und 1,6 kWh
  • 0-100 km/h: 9,6 s
  • Vmax: 178 km/h
  • Länge: 4,89 Meter
  • Breite: 1,82 Meter
  • Höhe: 1,54 Meter
  • Reichweite: 550 Kilometer
  • Verbrauch: 0,76 kg/100 km
  • Tankvolumen: ca. 5 Kilogramm
  • Kofferraumvolumen: 361 Liter
  • Preis: 78.540 Euro
  • Leasingrate: 1.219 Euro

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