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Nissan Leaf Testfahrt: Mit dem Elektroflitzer durch Berlin

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Im April startet der voll elektrische Nissan Leaf in den deutschen Markt. Erst mal wird er aber ein seltener Anblick auf Deutschlands Straßen bleiben.

Nissan verfolgt, erklärtermaßen, in Europa eine Außenseiter-Strategie. Mit nur einem ernsthaften Middle-of-the-Road-Angebot (Micra), einem recht erfolgreichen SUV (Qashqai) und vielen, vielen Nischenmodellen. Mit dem Nissan Leaf kommt nun ein weiteres Nischenangebot hinzu.

2012: Erstes Verkaufsjahr in Deutschland für den Nissan Leaf

Global gesehen ist der Leaf keine Neuheit mehr. Seit 2010 hat Nissan rund 24.000 Einheiten verkaufen können, davon die meisten in den USA und Japan, aber auch rund 2.500 in Europa. Da die an weltweit drei Standorten geplante Produktion von 250.000 Fahrzeugen jährlich noch lange nicht auf dem Höhepunkt ist, rechnet man bei Nissan damit, im ersten deutschen Verkaufsjahr ab April 2012 700 Fahrzeuge anbieten zu können. Mehr kriegt Deutschland vorerst nicht ab.

Zurzeit ist der Nissan Leaf in 14 Ländern Europas bei rund 110 Händlern erhältlich. Zukünftig sollen es über 1.000 Händler in 24 Ländern sein. Hierzulande machen 17 große Händler den Start, vor allem in den Ballungsgebieten. Bis zum Jahresende will Nissan den Leaf sukzessive in 400 Autohäusern anbieten. Das sei nicht ganz trivial, sagt Pressesprecher Michael Bierdümpfl. Beispiel: Die Wartung eines EV (electric vehicle) erfordert andere Qualifikationen als die Wartung eines herkömmlichen Pkw. So muss die Vertragswerkstatt z.B. mindestens ein Elektromeister beschäftigen.

Bei Nissan wird also viel investiert, um bei der Elektromobilität vorne mit dabei zu sein. Trotzdem: Der Nissan Leaf scheint im Moment mehr für die elektromobile Ernüchterung als für den Aufbruch zu stehen. Angetreten war Nissan 2010 mit dem Ziel, Elektromobilität bezahlbar zu machen. 20.000-25.000 Euro Endpreis sollten den Stromer konkurrenzfähig machen.

Noch ein weiter Weg bis zum Fahrzeug für den Massenmarkt

Vor mir steht ein Fahrzeug der Golf-Klasse mit 109 PS, einem Leergewicht von 1,64 Tonnen und einer Zuladung von 323 kg. Listenpreis: 36.990 Euro. Sogar der Kofferraum sieht durch einen doppelten Boden kleiner aus, als er laut Datenblatt ist. Man kann es nicht ignorieren: Die ersten Großserien-Elektroautos machen ohne Missverständnisse klar, dass es noch ein weiter Weg ist, bis die Technologie bereit ist für den Massenmarkt.

Dass Reichweite bei Elektroautos ein Todschlagargument (neben „Preis“) ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Nissan gibt für den Leaf bis zu 175 km an, real stehen bei unserer Testfahrt 115 km auf der Uhr – überwiegend im „Eco-Modus“ und ohne Klimaanlage, allerdings auch nicht mit ganz vollem Akku.

So fährt es sich im Nissan Leaf

Was schon nach wenigen Kilometern klar ist: Zumindest im dichten Berliner Stadtverkehr ist diese Angabe eher konservativ zu verstehen. Der zähflüssige Verkehr verlangt jede Menge Brems- und Ausrollmanöver, was jedes Mal per Rekuperation die Lebensdauer der Stromladung verlängert. So ist mein Reichweitenzähler nach den gut 4 km, die zwischen Friedrichstraße und MOTOR-TALK Werkstatt liegen, wieder beim Ausgangswert angekommen. In die Verlegenheit, das üppige Drehmoment auszukosten, sind wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen.

Das soll aber nicht so bleiben, wir wollen auf die Autobahn, bzw. das, was in Berlin einer Autobahn am nächsten kommt. Was sich dort schnell zeigt: Wer das Gaspedal des Nissan Leaf voll durchtritt, wird mit einem gewaltigen Satz nach vorne belohnt. Im Sprint gibt sich der elektrisierte Japaner keine Blöße. Bestraft wird der Fahrer allerdings auch: Das Tannenbäumchen, das oben links im Armaturenbrett eine effiziente Fahrweise mit Sprießen belohnt, lässt ordentlich Nadeln, und von der Restreichweite-Anzeige purzeln die Kilometer.

Was in allen Betriebssituationen auffällt: Der Nissan Leaf lässt einen relativ schnell vergessen, dass man hier in einem zukunftsorientierten Technologieträger sitzt. Auf der lauten Straße, bei offenem Fenster, fühlt sich das Fahren trotz des fehlenden eigenen Motorgeräuschs nicht mal im Ansatz leiser an als in einem konventionellen Auto. Zudem kommen die heute durch die nasse Fahrbahn besonders lauten Rollgeräusche natürlich präsenter im Innenraum an.

Recht großzügig im Innenraum

Positiv zur Kenntnis genommen wird von den Mitfahrern das großzügige Platzangebot auf fünf Plätzen, das so mancher, naja, Konkurrent im C-Segment nicht bietet. Das Ausnutzen des Raumangebots unter Einhaltung der zulässigen Zuladung wird aber schwierig; mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern wäre es vielleicht möglich.

Wie auch schon bei meiner ersten Begegnung mit dem Nissan Leaf finde ich nicht, dass der Innenraum einen besonders billigen Eindruck macht. Da mögen die Meinungen auseinander gehen – wären da weniger helle Flächen, wäre das Ganze eben sehr zweckmäßig. Aber auch so ist es sehr bequem, nichts wackelt, alle Bedienelemente sind für einen Technologieträger sehr intuitiv zu bedienen. Alle Bedienelemente? Fast alle. Ich würde nicht so weit gehen wie die Auto Bild und das Touchscreen-Display auf das Niveau einer Powerpoint-Präsentation in der Physik-Vorlesung herunterreden. Aber so ganz falsch ist der Eindruck nicht.

Unser Fazit nach der Testfahrt

Also, was bleibt vom Fahrerlebnis Nissan Leaf? Man kann sehr unaufgeregt im Stop and Go mitschwimmen, in dieser Betriebssituation scheint der Antrieb ein sehr günstiges Verbrauchsprofil aufzuweisen. Sobald man aber etwas Gummi gibt, ändert sich das schnell. Das Fahrwerk arbeitet ausgesprochen präzise und komfortabel, die elektronische Servolenkung ist ausgesprochen leichtgängig und bequem, aber bietet wenig Rückmeldung. An der Spitzengeschwindigkeit wurde im Stadtverkehr nicht mal ansatzweise gekratzt, logischerweise.

Alles in allem ist der Nissan Leaf also ein ausgereiftes, komfortables, solide verarbeitetes Auto mit angenehmen Fahreigenschaften und, wenn man will, exzellentem Spurtverhalten. Trotzdem, das zeigt das bisherige Feedback, wird er es in Europa schwer haben. Gerade sein unaufgeregter, sachlicher Charakter, äußerlich wie in den Fahreigenschaften, hinterlässt so manchen Europäer ratlos bis emotionslos. Und, mal ehrlich – ein Elektroauto braucht Emotion, denn der Vernunft, die die Sachlichkeit suggeriert, steht der Preis im Weg. So wird sicher so mancher den Nissan gern und oft fahren, wenn ihm dieser von der Firma hingestellt wird. Aber wird der Nissan Leaf hierzulande geliebt und kontrovers diskutiert werden wie der Opel Ampera? Vermutlich nicht.

Hinweis: Ausführliche technische Daten findet Ihr z.B. hier

 

(bmt)

Quelle: MOTOR-TALK

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