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Classic Driving News

Italienisch für Anfänger

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Restaurierung eines Fiat 1100 als Familienprojekt - von Generationenkonflikt keine Spur. Der Luxemburger Marco Turci restaurierte mit Hilfe seines Sohns Luca einen Fiat 1100-103 TV von 1954.

Der kleine Fiat 1100 ziert sich. Er soll für Motor Klassik fotografiert werden, doch das macht ihn offenbar nervös. Seine Benzinpumpe versagt plötzlich den Dienst, dann schwächelt auch noch seine Zylinderkopfdichtung. Bisher ist der vor wenigen Monaten nach langer Restaurierung wieder aufgeblühte Fiat 1100-103 TV ohne Probleme gelaufen. Nun müssen wir eben den Fototermin um ein paar Tage verschieben.

Gesuchter Traumwagen steht im Nachbardorf

Marco Turci ist seinem Liebling, dem Fiat 1100, nicht böse. Schließlich steckt man nie drin in diesen alten Autos, zudem hat er sich mit dieser kleinen Limousine einen Traum erfüllt. "Das erste Auto meines Vaters war ein gebrauchter Millecento", erzählt er, und die Erinnerungen an diese Zeit hält ein Foto wach, auf dem er als Kind neben diesem Wagen steht.

"Als ich mich dann Anfang der 90er Jahre für Oldtimer zu interessieren begann, sollte mein erster eigener Klassiker natürlich ein Fiat 1100 sein", berichtet der Luxemburger, in dessen Adern auch ein wenig italienisches Blut fließt, denn seine Großeltern stammen aus der Stiefelrepublik. Doch das Angebot an Fiat Millecento in den Anzeigenteilen der einschlägigen deutschsprachigen Fachmagazine war gering, und das Internet, das eine Suche nach Fahrzeugen in Italien ermöglicht hätte, gab es damals noch nicht.

Dann kam ihm der Zufall zu Hilfe. In einer Luxemburger Tageszeitung wurde exakt solch ein Auto zum Kauf angeboten. Turci war hoch erfreut und überrascht zugleich: "Der Verkäufer des Fiat 1100 wohnte im Nachbardorf, ich kannte ihn, wusste aber nicht, dass er so einen Wagen besitzt." Auf den ersten Blick machte der Fiat 1100 aus zweiter Hand keinen schlechten Eindruck, nur die Chromteile waren silbergrau lackiert und die Türgriffe dunkelblau. Am 25. April 1995 unterzeichnete Turci den Kaufvertrag, und als Nächstes brachte er die überlackierten Zierteile zum Verchromer.

Nach fünf Jahren Alltagsbetrieb kommt die Komplettrestraurierung

Da der Fiat 1100 die technische Kontrolle in Luxemburg ohne Probleme absolvierte, stand seiner Nutzung nichts im Wege. So genoss Turci seine Neuerwerbung in vollen Zügen - gut fünf Jahre lang.  "Doch dann traten immer mehr Roststellen zutage, es musste etwas geschehen", sagt der Luxemburger. Er beschloss, den Fiat 1100 zu restaurieren. Eine notdürftige Reparatur kam für ihn nicht in Frage. Im November 2000 begann er, den Fiat 1100 in der heimischen Garage zu zerlegen.

"Von Anfang an habe ich mir genau überlegt, wie ich das mache", erklärt der damals im Schrauben noch wenig erfahrene Turci. Den Fehler, den Fiat 1100 in Windeseile auseinanderzunehmen, um dann später nicht mehr zu wissen, wo welches Teil hingehört, machte er nicht. Stück für Stück demontierte er die einzelnen Komponenten, dokumentierte die Arbeitsschritte in schriftlicher Form oder mit Fotos und vergab Nummern. Diese akribische Nummerierung war besonders bei den Bauteilen wie etwa dem Kabelbaum des Fiat 1100 wichtig, wodurch später wieder alle Anschlüsse stimmten.

Bei den Demontagearbeiten am Fiat 1100 hatte Turci einen aufmerksamen Beobachter. Sein damals noch im Kindergartenalter befindlicher Sohn Luca schaute dem Papa aufmerksam zu. Er fand die Feierabendtätigkeit des Vaters hoch interessant, aber zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass er bei den Montagearbeiten tatkräftig mithelfen würde. Denn die Restaurierung des Fiat 1100 sollte sich über zehn Jahre hinziehen.

Restaurierung in Etappen - und eine Krisensitzung

Familie, Beruf und andere Verpflichtungen ließen nur wenig Zeit zum Schrauben, und so dauerte es rund anderthalb Jahre, bis der Fiat 1100 endlich zerlegt war. Die Blecharbeiten traute sich Turci nicht selbst zu, deshalb hatte er sich schon beizeiten auf die Suche nach einer passenden Werkstatt gemacht. Die sollte nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch Verständnis für die finanzielle Lage eines Familienvaters haben. Denn ihm stand ein gewisser Betrag für den Fiat 1100 zur Verfügung, und wenn dieser aufgebraucht war, musste erst wieder eine größere Summe angespart werden, bevor es weitergehen konnte.

In der Firma Retromobile in Trintange südwestlich der Stadt Luxemburg fand Turci den geeigneten Partner. Deren Mechaniker holten die völlig demontierte Karosse des Fiat 1100 im Juli 2002 bei ihm ab, um sie instandzusetzen. Doch es dauerte nicht lange, da bestellte Retromobile den Fiat 1100-Besitzer zu einer Krisensitzung. Nach einer genauen Begutachtung und nach dem Sandstrahlen des Blechs bot sich ein trauriges Bild. Die unteren 20 Zentimeter der Karosserie hatten stark unter dem Rost gelitten. Überall zeigten sich die Spuren vom nachlässigen Vorgehen in der Vergangenheit. Unter dem Lack des Fiat 1100 verbarg sich kiloweise Spachtelmasse, die auch zum Kaschieren von Durchrostungen verwendet worden war, indem als Verstärkung einfach zwei Aluspachteln eingearbeitet wurden. Aus wirtschaftlicher Sicht bot sich nur eine Lösung an - die noch brauchbaren Teile des Fiat aufheben und den Rest verschrotten.

Doch das brachte Turci nicht übers Herz. Die im Vorfeld vereinbarte Restaurierung in Raten würde dann eben etwas länger dauern. Stimmt, rund sieben Jahre sollte der Fiat 1100 sozusagen zum Werkstattinventar von Retromobile gehören. "Wenn ich wieder etwas angespart hatte, habe ich dort angerufen, und dann ging es wieder einen Schritt weiter", erzählt Turci. Nebenbei versuchte er, Ersatz für die maroden Blechteile aufzutreiben. Doch vieles musste die Werkstatt für den Fiat 1100 von Hand anfertigen.

Vater und Sohn erledigen viele Arbeiten selbst

Mit der Zeit kam die kleine italienische Limousine in den Genuss von neuen Schwellern, Radhäusern und Radläufen. Teile der Fiat 1100-Kotflügel, des Bodens und des Heckblechs wurden ebenfalls herausgetrennt und erneuert. Während sich die Werkstatt also mit dem Blech des Fiat 1100 befasste, kümmerte sich Turci um die Aufarbeitung der demontierten Teile, die er daheim eingelagert hatte. Dazu gehörten Komponenten der Radaufhängung, des Innenraums und des Motors. Ob es ums Entrosten, Lackieren oder Polieren ging, Sohn Luca entwickelte sich mittlerweile zu einer wertvollen Hilfe.

Der kleine Vierzylindermotor des Fiat 1100 war bereits vor einiger Zeit überholt worden und lief ohne Murren, weshalb sich Turci eine erneute Revision verkniff. Stattdessen beschränkte er sich auf eine optische Aufbereitung und die Erneuerung offensichtlich verschlissener Teile der Peripherie. Die Sitze und Verkleidungen des Fiat 1100 ließ er von einem Sattler aufarbeiten, um die Bodenteppiche kümmerte er sich selbst.

Mittlerweile stellte sich die Frage, in welcher Farbe der Fiat 1100 lackiert werden sollte. Turci wählte schließlich ein helles Blau, angelehnt an jenen Farbton, der sich unter dem Instrumentenbrett gefunden hatte und der wohl der Originallackierung entsprach. Das Dach des Fiat 1100 ließ Turci jedoch in Weiß lackieren.

Spaß für Groß und Klein

Retromobile übernahm es, den Motor und die revidierten Achsen des Fiat 1100 einzubauen, den Rest montierten Vater und Sohn. "Das hat sehr viel Spaß gemacht", bekennt Luca. Hilfreich bei der Montage war ein in Italienisch verfasstes Fiat 1100-Werkstatthandbuch, das Turci in Italien aufgetrieben hatte. "Trotzdem brauchte ich für viele Sachen zehn Mal länger als ein Mechaniker, aber ich hatte ja Zeit", sagt er.

Leider fehlte beim Kauf des Fiat 1100 der originale Kühlergrill mit der mittig positionierten Nebellampe, doch den wollte Turci unbedingt haben. Nach langer Suche stieß er auf einen Händler in Pisa, der das gesuchte Teil besaß. Doch der rückte diesen Schatz nur ungern heraus - nicht zuletzt Turcis italienische Sprachkenntnisse sorgten dafür, dass er den Mann erweichen konnte. Eines Tages kam das begehrte Fiat 1100-Teil per Post, zusammen mit einem langen Brief, in dem der Händler den Restaurierer bat, den Grill pfleglich zu behandeln und gut darauf aufzupassen. Nur eines war bisher nicht aufzutreiben, eine neue Dichtung für die Heckscheibe des Fiat 1100, und so ist im Moment noch die alte montiert. Beim Einbau der Front- und Heckscheibe half übrigens der Sattler. Denn wer nicht weiß, wo er hingreifen soll, riskiert schnell ein gerissenes Glas.

Der komplett montierte Fiat 1100 wurde dann im Frühjahr 2010 wieder für die abschließenden Feinarbeiten zu Retromobile geschafft. Nach dem exakten Einstellen des Vergasers, der Zündung, dem Check der Achsgeometerie und vielen anderen Dingen konnten Turci und sein Sohn den endlich fertigen Fiat 1100 wieder abholen. "Wir sind natürlich nicht direkt nach Hause gefahren, sondern haben einen großen Umweg gemacht", schmunzelt Turci.

Die Probefahrt mit dem Fiat 1100 verlief erfolgreich - das Projekt Fiat Millecento war nach zehn Jahren abgeschlossen. Fast, als Nachschlag folgten noch die erwähnte Benzinpumpe und die Zylinderkopfdichtung. Natürlich hat die Restaurierung des Fiat 1100 viel mehr Geld gekostet, als ursprünglich gedacht. Turci hat es irgendwann aufgegeben, die Kosten zu summieren, denn er sieht es nicht wirtschaftlich: "Für mich ist der emotionale Wert dieses Autos unbezahlbar."

 

Quelle: Motor Klassik

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