• Online: 2.009

50 Jahre Volvo 1800 S - Einst war das der schönste Vernunftkauf der Welt

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Formen wie ein heißblütiger Zwölfzylinder und eine Motorleistung von 96 PS. Der Volvo 1800 S war Verlierer in jedem Sportwagenquartett - und ist trotzdem eine Ikone.

Volvo 1800E und 1800 ES im Modelljahr 1972. Der sogenannte Schneewittchensarg ist der Shooting Brake überhaupt - auch heute Volvo 1800E und 1800 ES im Modelljahr 1972. Der sogenannte Schneewittchensarg ist der Shooting Brake überhaupt - auch heute Quelle: Volvo

Köln - Schneller, weiter, höher: Die Swingin‘ Sixties waren ein Jahrzehnt der Leistungsexplosion. Während Jets und Raketen Himmel und Weltraum eroberten, brannten amerikanische Muscle Cars, englische Roadster und italienische Zwölfzylinder Gummi in den Asphalt.

Da wollte Volvo mitmischen. Mit dem Sportcoupé P 1800 präsentierte Volvo Anfang 1960 auf der Brüsseler Weltausstellung seinen Superstar. Ein Gran Turismo für neue Märkte in Amerika, Afrika, Asien und Australien. Der P 1800 sollte die geringe Leistung seines Vierzylinders mit Qualität kompensieren. Einer Eigenschaft, die Aston Martin, Jaguar oder Ferrari damals fehlten.

Volvo-1800S-Produktion im schwedischen Werk Lundby 1963 Volvo-1800S-Produktion im schwedischen Werk Lundby 1963 Quelle: Volvo Doch genau daran mangelte es dem beim englischen Sportwagenhersteller Jensen gebauten Schweden. Erst als Volvo 1963 die Produktion ins eigene Werk Lundby verlegte, erhielt der P 1800 eine sorgfältige Verarbeitung.

Diesen Neuanfang galt es zu feiern. Mit einem S. Fortan trug der bis dahin flotteste Volvo den Namenszug 1800 S, wobei das „S“ für Schweden stand.

Durchstarter in Amerika

Damit nahm der Verkauf des Volvo-Spitzenmodells Fahrt auf, vor allem in den USA. Auch, weil die Schweden ihren Wagen wahlweise als schnellsten Lastwagen der Welt oder zuverlässigsten aller Sportwagen bezeichneten.

Das Coupé kostete in Amerika 3.995 Dollar. An dieser Stelle alle einmal ausatmen. Und wurde in Anzeigen in eine Reihe mit Europäern der 10.000-Dollar-Liga (Maserati, Ferrari) gestellt. Dafür spendierte Volvo seinem 1800 S einen Hauch Extra-Leistung. Sieben Prozent und damit 96 PS kitzelten die Techniker aus dem 1,8-Liter-Motor. Das Maximaltempo stieg von 170 auf 175 km/h, den Sprint auf 100 km/h schaffte der GT in 12,1 Sekunden. Das genügte für den Anschluss an Porsche 356 oder die Alfa Giulia Sprint.

Obwohl wesentlich schwächer motorisiert, hielt der 1800S optisch mit den ganz Flotten mit Obwohl wesentlich schwächer motorisiert, hielt der 1800S optisch mit den ganz Flotten mit Quelle: Volvo

Simon Templars Dienstwagen

Inzwischen war der Volvo mit der langen Motorhaube und den Heckflossen automobiler Hauptdarsteller in der Fernsehserie „The Saint“ (deutscher Titel „Simon Templar“). Kein Ganove konnte Roger Moore als Privatdetektiv Simon Templar entkommen. Im Casting war es dem Volvo gelungen, den ursprünglich geplanten Jaguar E-Type zu verdrängen.

Es waren die fast unzerstörbaren Motoren und die Qualitätssicherung, die das Volvo-Coupé zum vielleicht „schönsten Vernunftkauf“ machten. So jedenfalls urteilten Fachjournalisten in aller Welt.

In Südafrika beispielsweise wurde der 1800 S in Südafrika als unzerstörbarer Buschracer gefeiert, dessen Karosserie sogar Elefantentritte aushielt. In den USA zelebrierten ihn die Amerikaner als Meilen-Millionär. So wie das rote Sportcoupé des Amerikaners Irv Gordon. Der ehemalige Lehrer kaufte seinen 1800 S im Jahr 1966 und will noch im Jahr 2013 die Drei-Millionen-Meilen-Marke (4.827.000 Kilometer) durchbrechen. Seinen ersten Eintrag ins „Guinness Book of Records“ erzielte Gordon 1998 mit 2,7 Millionen gefahrenen Kilometern. Alles mit Original-Motor und Getriebe.

Der Meilen-Millionär 1800S von 1966 und sein Besitzer Irv Gordon Der Meilen-Millionär 1800S von 1966 und sein Besitzer Irv Gordon Quelle: Volvo

Royales Fortbewegungsmittel

Der politisch bedeutendste und repräsentativste Markenbotschafter für den Volvo wurde dann der angehende schwedische König Carl XVI. Gustaf. Er fuhr mit 18 Jahren als erstes Auto einen 1800 S. Und zwar mit solcher Leidenschaft, dass im Lauf der Jahre regelmäßig weitere 1800 S und 1800 E an den schwedischen Hof geliefert wurden. Auch, weil der Wagen immer sicherer wurde.

So verfügte der Volvo als erstes Sportcoupé serienmäßig über Sicherheitsgurte für alle vier Passagiere. Deren Stabilität demonstrierte Volvo Deutschland in einer spektakulären Show über dem Hamburger Hafen. Der populäre Stuntman Armin Dahl setzte sich in einen Volvo 1800 S, der über dem Hafen schwebte. Gehalten wurde dieses Konstrukt von Volvo-Dreipunkt-Sicherheitsgurten. Auch beim Thema Ladungssicherung leisteten die Schweden Pionierarbeit. So erhielt der Volvo 1800 S mehrere integrierte Ledergurte für das großzügig dimensionierte Gepäckabteil. Auch seine Scheibenbremsen an allen vier Rädern waren damals noch ungewöhnlich.

Zum Modelljahr 1970 kam der Volvo 1800E mit D-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch Zum Modelljahr 1970 kam der Volvo 1800E mit D-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch Quelle: Volvo

Schneewittchensarg als erster Shooting Brake

„In Schweden leben Volvos und Menschen länger“, lautete ein Volvo-Slogan aus jener Zeit. Tatsächlich war das Design des Volvo Sportcoupés beim Produktionsanlauf als P 1800 nicht mehr neu. Die ersten seriennahen Prototypen stammten aus dem Jahr 1957. Dennoch genügten kleine Details, um den Volvo 1800 S zu einem zeitlosen Longseller zu machen. Dazu zählte 1964 ein geglättetes Stoßstangendesign, das die Kuhhornbögen ersetzte, regelmäßig veränderte Kühler, die Einführung des B20B-2,0-Liter-Motors mit 105 PS ab 1968 und die elektronische D-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch im Folgejahr.

Weil für eine Neuentwicklung Geld fehlte, setzte Volvo auf eine Evolution: Als 1800 ES mutierte das Coupé 1971 zu einem der ersten Shooting Brakes.

Volvo nahm dafür richtig viel Geld. Mehr, als ein Porsche 912 damals kostete. Trotzdem verkaufte sich der Schwede gut. Mehr als 8.000 Kombicoupés wurden in zwei Jahren verkauft, die meisten in Amerika. Für das Sportcoupé 1800 E war am 22. Juni 1972 Schluss. Der Shooting Brake 1800 ES hatte die Verkaufszahlen des Schwestermodells im letzten Verkaufsjahr auf 1.865 Einheiten gedrückt.

Historie:

  • 1957: Fertigstellung des ersten von drei Volvo-P-1800-Prototypen bei Frua in Italien
  • 1960: Im Januar feiert der P 1800 Weltpremiere auf dem Brüsseler Salon; im April debütiert der P 1800 auf dem Autosalon in New York
  • 1961: Im Mai Produktionsanlauf in Großbritannien
  • 1963: Im April erfolgt der Produktionsanlauf in Göteborg des jetzt Volvo 1800 S genannten Modells. Leistungssteigerung auf 71 kW/96 PS bzw. in den USA 79 kW/108-SAE-PS. Im Sommer kleine Modellpflege (Serie D). 1963 und 1964 Offizielles Fahrzeug beim 24-Stunden-Rennen von Sebring
  • 1964: Im August Serienanlauf für die E-Serie mit kleinem Facelift (Grill, Stoßfänger und Interieur). Auszeichnung „Schönster Sportwagen“ beim Concours d’Elegance“ in Baden-Baden
  • 1965: Im August startet die F-Serie mit jetzt 76 kW/103 PS bzw. in den USA 85 kW/115-SAE-PS. Der Karossier Fissore präsentiert auf Veranlassung des italienischen Volvo-Importeurs eine Fließheckstudie auf dem Turiner Salon. Der britische Karossier Radford baut eine Cabriolet-Version des Volvo 1800 in Kleinserie
  • 1966: Mit der M-Serie erhält der Volvo 1800 ab August eine gerade geformte Seitenzierleiste. Zweiter Platz beim 24-Stunden-Rennen von Daytona
  • 1968: Neuer Zweiliter-Motor für den 1800 S. Äußerliches Kennzeichen ist ein B20-Emblem
  • 1969: Ab August als 1800 E mit elektronischer Benzineinspritzung von Bosch und 88 kW/120 PS Leistung, Kennzeichen ist der mattschwarze Kühlergrill
  • 1971: Im August wird der 1800 ES mit rahmenloser gläserner Heckklappe vorgestellt. Leistungsangabe für die Serienversionen Volvo 1800 E und 1800 ES jetzt 91 kW/124 PS
  • 1972: Am 22. Juni läuft der letzte Volvo 1800 E vom Band
  • 1973: Am 27. Juni 1973 läuft der letzte 1800 ES vom Band. Rund 80 Prozent der in den letzten zwei Jahren produzierten 1800 E und 1800 ES werden nach Nordamerika exportiert

Produktionszahlen:

Volvo P 1800 / 1800 S / 1800 E / 1800 ES (1961-1973) insgesamt: 47.462 Einheiten

Davon:

  • Volvo P 1800 (1961-1963): 6.000 Einheiten
  • Volvo 1800 S (1963-1968): 22.300 Einheiten
  • Volvo 1800 S, Serie B20 (1968-69): 1.693 Einheiten
  • Volvo 1800 E (1969-1972): 9.414 Einheiten
  • Volvo 1800 ES (1971-1973): 8.077 Einheiten

Motorisierungen:

Volvo P1800/1800 S/1800 E mit 1,8-Liter- (66 kW/90 PS bzw. 71 kW/96 PS bzw. 76 kW/103 PS), 2,0-Liter- (77 kW/105 PS bzw. 88 kW/120 PS bzw. 91 kW/124 PS)Vierzylinder-Benziner.

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