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Mit dem Jaguar F-Type SVR auf der Nordschleife - Einmal Grüne Hölle und zurück, bitte

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Die Nordschleife ist legendär, gefährlich und für Petrol Heads ein Muss! Unser Redakteur ist dort noch nie gefahren. Bis jetzt - im 575 PS starken Jaguar F-Type SVR.

MOTOR-TALK-Redakteur Heiko war noch nie auf der Nordschleife, der 575-PS-F-Type hat nicht direkt zu seiner Beruhigung beigetragen MOTOR-TALK-Redakteur Heiko war noch nie auf der Nordschleife, der 575-PS-F-Type hat nicht direkt zu seiner Beruhigung beigetragen Quelle: Dino Eisele

Nürburg – In der Nacht, bevor mein Traum in Erfüllung geht, schlafe ich schlecht. Nur ein paar hundert Meter entfernt liegt er, der Traum. Und irgendwie auch der Alptraum. Gut 20 Kilometer Strecke, 73 Kurven, 300 Meter liegen zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Punkt. Eine Achterbahn, aber ohne Schienen. Grüne Hölle, kennt man ja. Theoretisch.

Ich bin noch nie dort gefahren. Weil ich ein vorsichtiger Mensch bin. Touristenfahrten? Finde ich sehr unvorsichtig. Mit dutzenden wildfremden Autofahrern, mal mit mehr, mal mit weniger Talent und mal mit mehr, mal mit weniger Selbsterhaltungstrieb auf der gefährlichsten Rennstrecke der Welt? Das finde ich nicht lustig, nur komisch.

Traumwetter am ersten Tag vor dem Start zu den ersten Runden auf die Nordschleife Traumwetter am ersten Tag vor dem Start zu den ersten Runden auf die Nordschleife Quelle: r-photography.info

Einer von 120 Spaßvöglen

Am nächsten Morgen stehe ich trotzdem mit etwa 120 anderen Spaßvögeln auf der Döttinger Höhe, der elend langen Gerade. Mein Auto für diesen und – wenn alles glatt geht – den nächsten Tag: Ein Jaguar F-Type SVR. Ein per Kompressor aufgeladener 5,0-Liter-V8 mit 575 PS und 700 Nm Drehmoment. Auch ein Dinosaurier, wegen dem ich nicht so gut schlief. Ich kenne den F-Type R. Der hat 550 PS, 680 Nm – und macht sauviel Spaß. Wenn man sauviel Platz hat. Zum Beispiel auf modernen Rennstrecken. Ein Skalpell ist er nicht gerade. Immerhin: Der SVR hat Allradantrieb.

„Wir fangen ganz langsam an“, sagt Jochen Albig. Er ist mein Sicherheitsanker. Er ist Instruktor beim Perfektionstraining der Zeitschrift „Sport Auto“. „Perfektionstraining“, so nennen sie das. Dabei braucht man ein halbes Führerscheinleben, um halbwegs kompetent auf der Nordschleife zu werden. Wir haben zwei Tage. Aber wir haben kontrollierte Bedingungen. 120 Autos, vom VW Golf GTI über BMW M3 und Porsche 911, Ferrari, McLaren oder Mercedes-AMG GT. Aufgeteilt in 25 Gruppen mit je einem Instruktor.

Nach den ersten paar Hundert Metern lässt meine Nervosität nach. Wir fangen wirklich langsam an. Auf der Döttinger Höhe wechseln wir, damit jeder mal hinter dem Instruktor fährt. Zweite Runde: läuft. Das Tempo zieht etwas an, aber ich rücke Jochen näher. Alles prima.

Einer der berühmtesten Streckenabschnitte auf der Nordschleife: das Caracciola-Karussell, leicht zu merken, aber schwer zu fahren Einer der berühmtesten Streckenabschnitte auf der Nordschleife: das Caracciola-Karussell, leicht zu merken, aber schwer zu fahren Quelle: Dino Eisele

Der F-Type SVR belohnt Vertrauen

Bald bin ich hinten. Kurz nach dem Karussell, der berühmten 180-Grad-Steilkurve aus Betonplatten (kenne ich!), meldet meine Nervosität sich zurück. Mit Triumph-Geheul. Mein Gott, sind die schnell da vorne! Kurve folgt auf Kurve – ich habe keinen Schimmer, wo es lang geht. Was unser Instruktor macht, kommt nur verzögert bei mir an. Ich reagiere, statt zu agieren.

Dem F-Type kann ich keinen Vorwurf machen. Er bewegt sich, er lässt mich wissen, wenn ihm der Grip ausgeht. Wenn ich zu schnell in die Kurve gehe spüre ich, wie die Vorderräder sich mühen, aber er untersteuert kaum. Wenn man ihm vertraut, wird man belohnt. Nachbremsen in der Kurve macht er mit, ohne tückisch zu werden. Hin und wieder flackert die ESP-Leuchte. Meistens weiß ich, warum. Die weiter vorne wissen, wo es lang geht.

Als ich das nächste Mal auf die Döttinger Höhe komme, sind die anderen längst da. Im Schritttempo geht es durch die Parkreihen. Die lange Gerade ist beim Perfektionstraining die Boxengasse. Ich schwitze, meine Klimaanlage steht auf 18 Grad. Mittagspause.

73 auf knapp 21 Kilometern verteilte Kurven machen die Nordschleife zu einer der schwierigsten Rennstrecken überhaupt 73 auf knapp 21 Kilometern verteilte Kurven machen die Nordschleife zu einer der schwierigsten Rennstrecken überhaupt Quelle: r-photography.info

Vor dem Mittag von der Nordschleife verfrühstückt

Bisher dachte ich, ich wäre einigermaßen flott auf der Rennstrecke, auch mit starken Autos. Aber auf normalen Rennstrecken weiß man nach vier Runden, wo es langgeht. Auf der Nordschleife weiß ich nach vier Runden, dass ich nichts weiß. Und ich weiß, dass jeder Abflug teuer wird. In meinem Fall bis zu 145.400 Euro teuer. So viel kostet der F-Type SVR als Cabrio, und in dem schwitze ich aufs edel gesteppte, rote Leder.

Am Nachmittag ist freies Fahren. Ein Kollege und ich halten es ausnahmsweise mit Horst Seehofer: Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Wir lassen uns weiter von Jochen um die Strecke führen. Irgendjemand muss ja in den Rückspiegel gucken, damit wir Platz machen können für die vielen Porsche 911 GT3 RS, die paar Ferrari 488, oder den weißen Seat Leon Cupra mit halb so viel PS wie der F-Type.

Die letzten Runden des Tages werden richtig schön. Jochen sagt wo es lang geht, ich imitiere ihn so gut wie möglich und versuche mir den Streckenverlauf zu merken. Nach und nach redet er immer weniger, korrigiert nur noch: „Gerade hast du 30 Zentimeter verschenkt“, „Du musst die volle Streckenbreite ausnutzen, um Druck vom Auto zu nehmen.“ „Hier nur kurz vom Gas, damit der Wagen sich setzt.“ Nach und nach kommt das Vertrauen, nach der letzten Runde des Tages bin ich sehr zufrieden mit ihm. Und mit mir.

Immer vorne weg, Jochen Albig, Leiter der Testabteilung von "Sport Auto" und "Auto, Motor und Sport" Immer vorne weg, Jochen Albig, Leiter der Testabteilung von "Sport Auto" und "Auto, Motor und Sport" Quelle: Dino Eisele

Der neue Tag beginnt mit Regen

Am nächxten Morgen stehen wir an der Döttinger Höhe. Um 8 Uhr wird die Strecke frei gegeben. Auf die Minute um 8 Uhr fallen die ersten Tropfen aus dem grauen Himmel. Typisch Eifel, typisch „Grüne Hölle“. Mich beruhigt das. Es bedeutet, dass wir es gemütlich angehen. Allerdings hört es kurze Zeit später schon wieder auf zu regnen. Wir warten ein wenig, die Ideallinie soll abtrocknen.

Die ersten fünf Runden laufen perfekt. Hier und da ist die Strecke noch komplett nass, im Schwedenkreuz, in der Fuchsröhre oder in der Dreifach-Rechts vor Wehrseifen. Schnelle Stellen, vor denen ich Respekt habe. Wir bremsen, wo wir gestern maximal gelupft haben. Ich fasse immer mehr Vertrauen in den Jaguar. Jetzt, wo ich mehr Zeit habe, auf ihn zu achten.

Der SVR ist 25 Kilo leichter als die R-Version mit Allrad, wiegt aber trotzdem 1.720 Kilo. Das spürt man, aber der Brocken geht neutral um die Ecken, agil auf der Hinterachse. Untersteuern kennt er kaum, mit Gas und Bremse lässt sich die Balance prima anpassen. Wenn die dicken Pirelli P-Zero an ihre Grenzen kommen, was spät passiert, spürt man das früh. Der F-Type hat dann noch reichlich Reserven. Die sogenannte „Special-Vehicle-Operations“-Abteilung hat aus dem F-Type zwar keinen Rennwagen gemacht, aber einen Gran Turismo, mit dem man auf der Rennstrecke richtig schnell sein kann.

Auch hier dürfte der Blinker schon bald rechts gesetzt werden, ein BMW M3 folgt unserer Gruppe, und wer im Rückspiegel auftaucht, ist eigentlich immer schneller Auch hier dürfte der Blinker schon bald rechts gesetzt werden, ein BMW M3 folgt unserer Gruppe, und wer im Rückspiegel auftaucht, ist eigentlich immer schneller Quelle: r-photography.info

Das unausweichliche Ende

Der Regen hat sich vorerst verabschiedet. Ich bin ausgeschlafen, zuversichtlich und rundum zufrieden mit der Nordschleife. Ich bilde mir sogar ein, ich wüsste, wo es lang geht. So grob. Kurz danach finde ich es raus.

Es ist wieder "Freies Fahren", von 11:30 Uhr bis Feierabend gegen 16:30 Uhr. Viele machen erstmal Mittag. Sie rollen mit ihren Porsche und McLaren, mit ihren Jaguar und Mercedes-AMG runter zur "Pistenklause". Ich bleibe und fahre. Ich ditsche locker von Curb zu Curb durch Hatzenbach, hoch zum Flugplatz, ohne Bremsen rechts - Pobacken zusammen kneifen - Schwedenkreuz, scharf Anbremsen, nach Aremberg früh ans Gas, Fuchsröhre, in die Steigung bremsen, links, rechts und immer so weiter. Ich kenne den Weg.

Es ist ein Traum, außer einem gemütlich fahrenden Porsche Cayman begegne ich niemandem auf der Runde und auch auf der nächsten nicht. Ich bin alleine mit meinen Freunden Wippermann, Brünnchen oder Pflanzgarten. Bisher waren das nur Namen für mich, jetzt sind es Kurven, Kurvenkombinationen, Streckenabschnitte.

Als mich die letzte langgezogene Rechtskurve auf die Döttinger Höhe spuckt, bin ich euphorisch. So euphorisch, dass ich für einen Moment vergesse, wie grauenhaft ich gefahren bin. Eckig, unharmonisch, oft Meter neben der Ideallinie, nirgendwo am Limit, trotzdem mit gelegentlich wimmernden Reifen. Ich weiß immer noch nichts über die Nordschleife. Aber ich habe jetzt eine Ahnung. Und einen neuen Traum: Wiederkommen.

Technische Daten Jaguar F-Type SVR

  • Modell: Jaguar F-Type SVR Coupé
  • Motor: 5,0-Liter-V8-Benziner mit Kompressor
  • Leistung: 575 PS (423 kW)
  • Drehmoment: 700 Nm bei 3.500-5.000 U/min
  • Getriebe: 8-Stufen-Automatik, Allradantrieb
  • 0-100 km/h: 3,7 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 322 km/h
  • Verbrauch: 11,3 l/100 km
  • CO2: 269 g/km
  • Länge: 4,48 m
  • Breite: 1,92 m
  • Höhe: 1,31 m
  • Radstand: 2,62 m
  • DIN-Leergewicht: 1.705 kg
  • Kofferraum: 408 l
  • Preis: ab 138.400 Euro
  • Modell: Jaguar F-Type SVR Cabrio
  • Höchstgeschwindigkeit: 313 km/h
  • DIN-Leergewicht: 1.720 kg
  • Kofferraum: 207 l
  • Preis: ab 145.400 Euro

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