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BMW R80 G/S - Die Mutter aller Enduros

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Ganz gleich, in welcher Ecke man Anfang der 80er-Jahre auftaucht, die BMW G/S ist schon dort. Wir fuhren das unverwüstliche Zweirad.

Die erste R80 G/S kommt 1980 auf den Markt Die erste R80 G/S kommt 1980 auf den Markt Quelle: Fabian Hoberg

München - Groß, schwer und viel zu fett. Enduros haben einen Zylinder, mächtig Dampf. Maschinen für echte Kerle mit Bart und Schnäuzer, die gerne ein paar Spritzer Schlamm im Gesicht haben – so ein Vorurteil unter Motorradfahrern Ende der Siebziger. Dann kommt die BMW G/S und stellt die Biker-Szene auf den Kopf. In der mittlerweile siebten Generation gilt das Zweirad als das erfolgreichste Motorrad der Welt. Damit hat selbst BMW bei der Einführung nicht gerechnet.

Die erste R80 G/S kommt 1980 auf den Markt Die erste R80 G/S kommt 1980 auf den Markt Quelle: Fabian Hoberg 1980 ist sie mit 50 PS die leistungsstärkste, aber auch schwerste Enduro auf dem Markt. Die BMW hat dafür zwei Zylinder, viel Hubraum und viel Drehmoment. Vor allem aber ist sie robust, zuverlässig, bequem, also langstreckentauglich. Der 800ccm-Motor stammt von der R80/7, kombiniert wird er mit einer Einarmschwinge samt Kardanantrieb. Das hat Vorteile: der Hinterradausbau ist eine Sache von Minuten, lediglich drei Schrauben müssen gelöst werden. Lästiges Kettenspannen und –reinigen gehört damit bei Enduros der Vergangenheit an. Die Technik des Zweiventilers mit Stößelstangen ist überschaubar und robust. Das kann man notfalls in den Wüsten Afrikas mit Schraubendreher und Hammer reparieren. Dabei ist die BMW teuer. Sie kostet 8.350 Mark, nur 2.500 Mark weniger als ein VW Golf.

Enduro für Abenteurer

Vollgetankt wiegt der Oldie 192 Kilogramm. Doch mit der niedrigen Sitzhöhe, der schmalen Sitzbank und dem spartanischen Cockpit kann man die G/S einfach handeln. Im Vergleich zum aktuellen Modell mit 238 Kilogramm Leergewicht wirkt die G/S wie ein Mofa: schmal, tief, handlich. Der große Tacho beschlägt ab Werksauslieferung, dazu gibt es fünf Funzel-Kontrolllampen. Wüstenfüchse greifen ins Zübehörregal und montieren Handprotektoren, Sturzbügel, 35-Liter-Fass und Koffersystem. So wird G/S so zum Expeditionsfahrzeug. Erst 1984 reagiert BMW mit dem Sondermodell G/S Dakar inklusive großem Tank, Einzelsitzbank, Gepäckbrücke und Rallye-Optik.

50 PS hat die erste G/S 50 PS hat die erste G/S Quelle: Fabian Hoberg Wenn es drauf ankommt, rennt die Enduro für Abenteurer 160 km/h schnell, liegend sogar 170 km/h. Doch ab 130 km/h wird es ungemütlich: Der Fahrtwind pfeift um die Nase, drückt gegen Kopf und Oberkörper und verlangt durchtrainierte Oberarme und einen festen Griff. Langsamer ist nicht nur weniger anstrengend, sondern wird auch durch den dann zu hörenden typisch dumpfen Boxersound akustisch belohnt. Mit dem 19,5 Liter großen Tank und einem Verbrauch von rund 8 Litern sind 250 Kilometer am Stück möglich. Flussdurchfahrten sind so lange kein Problem, bis die beiden Bing-Vergaser Wasser ansaugen. Feldwege und Schotterpisten stellen nun kein Problem mehr dar. Lümmelt sich Pilot mit der Sozia auf der bequemen Sitzbank, hat sogar noch Gepäck Platz: Insgesamt 200 Kilogramm Zuladung sind noch heute ein Wort.

Die kleine 260 Millimeter Scheibenbremse vorne benötigt etwas Zeit, ehe sie sich entschließt zuzupacken. Und das auch nur widerwillig. Von der hinteren Trommelbremse darf man außer einem leichten Krächzen nicht viel erwarten. Wer vorausschauend unterwegs ist, stört sich daran nicht. Das sind anscheinend einige: Bis zum Modellwechsel 1987 greifen über 20.000 Kunden beherzt an den Lenker.

Ein Motorrad fürs Grobe

Dass BMW bei den SUVs der Motorräder den Kotflügel vorne hat, ist Zufall. Die Bayern haben 1979 bei ihrer Motorradsparte eine Absatzkrise, neue Ideen müssen her. Eine davon ist der Umbau eines Geländesportmaschinen-Prototypen zu einer Straßenmaschine, der aber auch noch fürs leichte Gelände taugen soll.

Vollgetankt wiegt der Oldie 192 Kilogramm Vollgetankt wiegt der Oldie 192 Kilogramm Quelle: Fabian Hoberg Die G/S ist fürs Grobe gemacht. Das spürt man, und das hört man auch. Zum Beispiel beim Getriebe: Mit einem lauten „Klack“ rastet der erste von fünf Gängen ein. Bei leicht geöffnetem Gasgriff ziehen sich die Vergaser des Zweiventilers gierig den Sprit rein, die Fuhre rollt an. Nicht nur nach vorne, sondern vor allem nach oben.

Denn die schon bei anderen BMW-Straßenmodellen seit 1955 eingesetzte Einarmschwinge „Monolever“ stemmt mit Vehemenz das Heck nach oben. Schuld ist das Federbein, das sich gegen den Rahmen abstützt. „Fahrstuhl-Effekt“ nennen das Fans, alle anderen, nach dem Motorradjournalist Ernst Leverkus, dagegen „Gummikuh“ (weil sich eine Kuh mit dem Hintern zuerst anhebt).

8.350 Mark kostet die BMW damals neu 8.350 Mark kostet die BMW damals neu Quelle: Fabian Hoberg Mit einer gefühlvollen Gashand und einem passenden Gang segelt man aber mit der alten G/S über Landstraßen, ohne seekrank zu werden. Bis 1987 bleibt die gewöhnungsbedürftige Konstruktionseigenheit der Lastwechselkräfte und Aufstellmomente im Programm, dann wird sie beim Nachfolgerfahrwerk „Paralever“ stark abgeschwächt.

Dass man mit der schweren Enduro auch schnell sein kann, beweisen die Rallye Paris-Dakar-Siege von 1981, 1983, 1984 und 1985. Damit festigt sich der Zweiventiler den Ruf als Unverwüstliche. Ganz gleich, ob Schlammspritzer im Gesicht oder nicht.

 

Quelle: Fabian Hoberg

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