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Kommentar: Deutsche Umwelthilfe. Kleiner Verein, große Wirkung - Die Fahrverbot-Macher

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Ein Gericht entschied über Fahrverbote - weil sich die Politik von einem Verein mit 300 Mitgliedern vorführen lässt. Kommentar zur Rolle der DUH in der Diesel-Debatte.

Fahrverbote für Diesel? Darüber entscheidet nun das Bundesverwaltungsgericht. Die zugrundeliegende Klage reichte die Deutsche Umwelhilfe ein Fahrverbote für Diesel? Darüber entscheidet nun das Bundesverwaltungsgericht. Die zugrundeliegende Klage reichte die Deutsche Umwelhilfe ein Quelle: dpa / Picture Alliance

Ein Kommentar von Björn Tolksdorf

Berlin – Nun ist es so weit. Über die Zulässigkeit von Fahrverboten für Diesel entscheiden nicht die gewählten Volksvertreter, sondern das Bundesverwaltungsgericht. Im Herbst könnten die ersten Diesel ausgesperrt werden. Die Politik hat es versäumt, für Rechtssicherheit zu sorgen und Regeln im Einklang mit europäischen Abgasregeln zu schaffen. Dabei standen die Normenkontrollklagen aus Brüssel wegen der Luftqualität in deutschen Städten seit Jahren im Raum.

Jürgen Resch, Chef der "deutschen Umwelthilfe" (DUH) freut sich über einen "ganz großen Tag für die saubere Luft". Keinen Grund zur Freude haben Diesel-Halter mit Autos bis einschließlich Euro 5, deren (nur wenige Jahre alte) Autos nun faktisch so wertlos sind wie ein Diesel mit roter Plakette es vor Jahren in der Nähe von Umweltzonen war.

Das wiederum bedeutet: Auch die europäische Abgas-Gesetzgebung ist entwertet. Eine ordnungspolitische Katastrophe: Wer heute ein Auto mit aktueller Abgasnorm (Euro 6b) anschafft, weiß nicht, wo er in einigen Jahren damit noch fahren darf. Autoclubs warnen sogar vor dem Kauf eines Modells, das nach der Übergangsregel Euro 6d-TEMP zertifiziert wurde - obwohl die erst in 16 Monaten für Diesel in Kraft tritt.

Der Klage-Club

Jürgen Resch präsentiert Messergebnisse eines BMW 320d mit Automatik - getestet bei 70km/h im dritten Gang Jürgen Resch präsentiert Messergebnisse eines BMW 320d mit Automatik - getestet bei 70km/h im dritten Gang Quelle: dpa / Picture Alliance Wer ist schuld? Da gibt es zwei Versionen. Nummer eins: Die Politik setzt geltende Umweltgesetze nicht durch, also müssen es andere tun. Solche wie die DUH. Zweite Variante: Der 1995 gegründete Verein unter Führung des Umweltaktivisten Jürgen Resch treibt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor sich her. Mit Klagewellen, Medienpranger und klassischen Methoden der Hetzpropaganda: Wer Autos baut, ist ein "Betrüger". Bis es wirklich alle glauben.

Tatsache ist: Die Prozesse gegen Kommunen wegen zu dreckiger Luft hat nicht die EU angestrengt. Es waren, meistens, auch keine Anwohner. Geklagt hat die DUH. Mit dem erklärten Ziel, Fahrverbote für Diesel durchzusetzen: „Da die Regierung (…) die Einhaltung geltender Luftqualitätsnormen ignoriert, wird die DUH über ihre Klagen für ‚Saubere Luft‘ ab 2018 Diesel-Fahrverbote in bis zu 90 Städten durchsetzen“, so der Verein. Die Verantwortung für Fahrverbote weist man trotzdem von sich: „Solange die Automobilindustrie Diesel-Pkw verkauft, die auf der Straße um ein Mehrfaches schmutziger sind als im Labor, diskreditiert sie den Diesel und ist für die kommenden Diesel-Fahrverbote verantwortlich“, so Resch im jüngsten Jahresbericht des Vereins.

Ein Verein, der keiner ist

Die „Deutsche Umwelthilfe“ firmiert als „e.V.“ – mit herkömmlichem Vereinswesen hat sie aber wenig zu tun. 274 Mitglieder hatte die DUH im Jahr 2017. Zum Vergleich: Der Naturschutzbund „Nabu“ kommt auf 660.000 Mitglieder, ein großer Bundesligist wie der FC Schalke 04 auf 150.000. Nein, dieser Verein mit kaum mehr Mitgliedern als Mitarbeitern ist zuerst eine gut geölte Kampagnen- und Klagemaschine. Mit diesen Mitteln stritt die DUH einst für Diesel-Partikelfilter und Umweltzonen und lässt nun die Innenstädte für Diesel absperren.

Wie schafft sie das? Die DUH klagte in den vergangenen Jahren im Schnitt 1.500-mal pro Jahr, in rund 400 Fällen kam es tatsächlich zum Prozess. Ein Großteil dieser Klagen stammt aus der "Marktüberwachung". Der Verein finanziert sich zu mehr als 30 Prozent aus dem Abmahnen von Verstößen gegen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzgesetze. Knapp 2,5 Millionen Euro waren das im letzten aktuell bilanzierten Jahr 2016. Das Geld stammt etwa von Autohäusern, die Verbrauchsangaben nicht vorschriftsmäßig in Anzeigen oder Broschüren abbilden.

Dieses Klagerecht besitzen in Deutschland viele Verbände, darunter der ADAC, die Verbraucherzentralen oder Foodwatch. Nur die Deutsche Umwelthilfe lebt davon. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen nahm laut dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ im Jahr 2015 vergleichsweise bescheidene 279.000 Euro mit Abmahnungen ein. Dort geht es tatsächlich um Verbraucherinteressen. Die DUH dagegen hat das Abmahnwesen „nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten perfektioniert“, wie der Fachanwalt Thomas Feil im Gespräch mit MOTOR-TALK schon 2015 ausführte.

Ja, als gemeinnützige Organisation darf die DUH nicht gewinnorientiert arbeiten. Die so genannte „Marktüberwachung“ mag auch seit 12 Jahren nicht mehr beanstandet worden sein. „Die Frage ist, inwieweit wünschenswert ist, dass sich eine gemeinnützige Organisation zum guten Teil aus Abmahnungen und Vertragsstrafen finanziert“, sagt Feil. Die Einnahmen aus Abmahnungen von Autohandel und Industrie finanzieren die Kampagnen gegen den Autoverkehr.

Lobby ohne Maß und Mitte

Beinahe ein Fünftel der Erlöse der Umwelthilfe stammt außerdem aus staatlichen Zuschüssen – während der Verein die öffentliche Hand parallel dutzendfach auf Fahrverbote verklagt. Mit wessen Mandat? Dem der weniger als 300 Mitglieder? "Wir sind Partei, wir sind Lobby“, sagt Jürgen Resch. Was das bedeutet, ist: Der Lobbyverein DUH benötigt kein Maß beim Durchprügeln seiner Agenda. Das Fortkommen der Bürger, letztlich deren Motivation für Mobilität, will die DUH ebenso wenig schützen wie die Investitionen der Autofahrer in ihr Auto oder die Jobs in der Autoindustrie.

Lobbyisten agieren so. Dass die Umwelthilfe damit das Koordinatensystem des Typrüfungswesens zerlegen konnte, muss sich die Politik ankreiden lassen. Bis zum VW-Abgasskandal konnten sich Autofahrer auf europaweit geltende Abgasnormen verlassen. Die regelten, wie schmutzig Autos sein dürfen – anhand definierter Prüfverfahren.

Fahrverbote werden kommen - leider komplett unsynchronisiert mit europäischen Abgasnormen, und damit für Autofahrer kaum planbar Fahrverbote werden kommen - leider komplett unsynchronisiert mit europäischen Abgasnormen, und damit für Autofahrer kaum planbar Quelle: dpa / Picture Alliance In diesen Normen bewegen sich Industrie und Behörden, der DUH sind sie egal. Zuletzt monierte sie das Abgasverhalten eines BMW 320d mit Achtgang-Automatik „bei 47 km/h im zweiten Gang, 70 km/h im dritten Gang, 87 km/h im vierten Gang und 112 km/h im fünften Gang“. Ganz offensichtlich „nicht normale Betriebsbedingungen“, wie auch das Kraftfahrt-Bundesamt feststellte. Kurz darauf musste BMW zugeben: Beim 320d mag alles legal sein, in BMW M550d und 750d geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Nach eigener Darstellung hat BMW hier eine falsche Software aufgespielt. Die DUH fordert nun den Rücktritt von BMW-Chef Harald Krüger.

Dass bisher trotz aller Ermittlungen nur der Volkswagen-Konzern eines Gesetzesverstoßes überführt wurde, dass es dabei um Manipulationen auf dem Prüfstand ging und nicht um zu hohe Emissionen auf der Straße – geschenkt. Der Schaden ist vollbracht. Dass die Bundesregierung nun die rechtliche Grundlage für Diesel-Fahrverbote vorbereitet, ist da nur konsequent – kommt aber deutlich zu spät. Die Politik kann nur noch reagieren, wo sie längst hätte agieren müssen. Um zu verhindern, dass eine winzige Organisation mit großem Budget 10 Millionen deutsche Autofahrer am Nasenring durch die Manege führt.

Das nächste Thema steht bereit

Autofahrer, die einen Benziner fahren, sollten sich nicht in Sicherheit wähnen. Benziner mit Direkteinspritzung, also annähernd alle Volumenmotoren europäischer Hersteller, müssen nach Ansicht der DUH über einen Otto-Partikelfilter verfügen, um von Fahrverboten ausgenommen zu werden. Die meisten der bis heute verkauften Motoren erfüllen das nicht und werden damit zur nächsten Zielscheibe der DUH nach dem Diesel – wetten? Dass die Feinstaubwerte in den Städten deutlich gesunken sind und der gemessene Feinstaub nicht primär aus dem Auspuff kommt, wird den Verein nicht stören. Die Maschine muss weiterlaufen.

Sollte die Skandalisierung der Benziner nicht klappen, auch kein Problem. „Abweichungen zwischen offiziellen Herstellerangaben und Realverbrauch“ will die DUH 2018 verstärkt adressieren, wie Jürgen Resch in einem vom Verein publizierten Interview ankündigt. Mit üblicher Rhetorik: „Mit den gefälschten Verbrauchsangaben schädigen die Autohersteller ihre Kunden, die Umwelt und den Staat.“ Damit dürfen sich dann sogar Fahrer von Elektroautos angesprochen fühlen. Auch die verbrauchen auf dem Prüfstand weniger als auf der Straße.

 

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