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Aus für Blaupunkt-Rest in Hildesheim - Die Autoradio-Legende ist am Ende

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Blaupunkt ist Geschichte: Der legendäre, aber nach der Trennung von Bosch insolvente Autoradio-Hersteller entlässt in Kürze seine letzten Mitarbeiter in Hildesheim.

Ein Straßenschild an einer roten Ampel weist am 21.09.2015 in Hildesheim (Niedersachsen) auf das Bosch-Blaupunkt-Werk hin Ein Straßenschild an einer roten Ampel weist am 21.09.2015 in Hildesheim (Niedersachsen) auf das Bosch-Blaupunkt-Werk hin Quelle: dpa/Picture Alliance

Hildesheim - Die Keimzelle des einstigen Autoradio-Imperiums Blaupunkt in Hildesheim wird endgültig abgewickelt. Die letzten 33 Mitarbeiter erhalten in Kürze“ ihre Kündigungen, wie Insolvenzverwalter Rainer Eckert am Montag mitteilte. Der Erhalt der Jobs sei in letzter Sekunde gescheitert.

Stattdessen gehe die Lizenz für das Blaupunkt-Geschäft in Europa an einen Investor, der nur noch den Lagerbestand übernehme. An Mitarbeitern und Standort gab es kein Interesse. „Ich bedauere diese Entwicklung umso mehr, als eine Lösung zum Greifen nah war“, sagte Eckert.

Blaupunkt zog nach dem Zweiten Weltkrieg von Berlin nach Hildesheim und gehörte über sechs Jahrzehnte zur schwäbischen Bosch-Gruppe. Ende 2008 kam es zum Verkauf an einen Münchner Investor. Im vergangenen Herbst folgten Insolvenzen und der Versuch, die Unternehmensreste zu sanieren.

Der Auslöser für die Trennung von Bosch vor gut sieben Jahren hing mit dem digitalen Wandel im Auto zusammen. Erstausrüster-Radios für das direkte Geschäft mit den Autoherstellern entwickelten sich zu stetig komplexeren Systemen. Sie sind mit anderen Baugruppen vernetzt und haben nur noch wenig gemein mit klassischen Autoradios, die abgeschlossene Systeme im genormten Schacht waren.

Engineering und Erstausrüstung leben weiter

Weit vor der digitalen Revolution im Cockpit: Ein Blaupunkt Autoradio in einem Porsche 356 Coupé von 1950 Weit vor der digitalen Revolution im Cockpit: Ein Blaupunkt Autoradio in einem Porsche 356 Coupé von 1950 Quelle: dpa/Picture Alliance

Teile von Blaupunkt leben fort, aber nicht mehr in Hildesheim. Im Dezember verkaufte Eckerts Kollegin Stefanie Zulauf den Angaben zufolge Blaupunkts Engineering-Gesellschaft an den Unternehmer Razvan Olosu. Der hatte beim Nokia-Aus in Bochum bereits der Autosparte des Handyherstellers beim Überleben verholfen.

Zuvor im November hatte der belgische Autozulieferer Premium Sound Solutions das industrielle Blaupunkt-Erstausrüstungsgeschäft gekauft, inklusive der Produktionsstätte in Malaysia. Zudem führen frühere ausländische Blaupunkt-Partner das außereuropäische Endkundengeschäft weiter.

Die IG Metall bedauert die aktuelle Entwicklung. Betriebsratschef Siegfried Tölke sagte am Montag, dass für die restlichen 33 Kollegen ein Sozialplan ausgehandelt werden solle. Der älteste Mitarbeiter sei Anfang 60, der jüngste noch keine 30 Jahre alt. Die Kündigungen greifen zum 31. Mai. Laut Tölke hätte der alternative Investor, der am Ende trotz weit fortgeschrittener Verhandlungen doch nicht den Zuschlag erhielt, „12 bis 14“ Mitarbeiter am Standort halten wollen.

Schön war die Zeit

Der Name Blaupunkt steht für Meilensteine im Auto: Vor gut 80 Jahren präsentierte der Blaupunkt-Vorgänger Ideal Europas erstes Autoradio. Der Schatz von damals, „Autosuper AS 5“, war ein schwarzer Kasten, 15 Kilogramm schwer und größer als ein Schuhkarton. Von Knöpfen, Tasten und Rädchen keine Spur - eine faustgroße „Fernbedienung“ am Steuer regelte Lautstärke und Senderwahl über Bowdenzüge.

Auch das erste Navigationsgerät für den Straßenverkehr hatte in den 1980er Jahren seine Ursprünge bei Blaupunkt, damals schon unter dem Dach von Bosch. Der Prototyp hieß 1983 Eva – „Elektronischer Verkehrslotse für Autofahrer“. Seine Landkarte war noch auf einer Kassette gespeichert - deren Datenvolumen reichte gerade einmal für die Hildesheimer Innenstadt. Die CD erlaubte später mehr.

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