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VW-Chef stellt Steuervorteile für Diesel infrage - "Abstriche bei Dieselsubventionen, Anreize für E-Autos"

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Diesel wird in Deutschland subventioniert. Ist das zeitgemäß? VW-Chef Müller bezweifelt das. Seiner Meinung nach wäre das Geld an anderer Stelle besser angelegt.

Matthias Müller findet, man müsse über die Dieselsubvention und deren Sinn und Zweck nachdenken Matthias Müller findet, man müsse über die Dieselsubvention und deren Sinn und Zweck nachdenken Quelle: picture alliance / dpa

Wolfsburg/Düsseldorf - VW-Konzernchef Matthias Müller zieht die bestehenden Steuervorteile für Dieselsprit in Zweifel. "Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir Sinn und Zweck der Dieselsubventionen hinterfragen sollten", sagte der Manager dem "Handelsblatt" (Montag). "Wenn der Umstieg auf umweltschonende E-Autos gelingen soll, kann der Verbrennungsmotor Diesel nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subventioniert werden." Fachleute und Umweltexperten hatten sich ebenfalls gegen dieses Diesel-Privileg gewandt.

Konkret schlug Müller eine schrittweise Umschichtung der Steuererleichterungen vor. "Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden. Abstriche bei den Dieselsubventionen, dafür Anreize für Elektroautos, wären das richtige Signal. Das würden wir aushalten, ohne gleich Existenzängste haben zu müssen."

Müller betonte zugleich aber auch, dass die bisherigen steuerlichen Subventionen den Absatz von Diesel-Fahrzeugen in Deutschland erheblich erleichterten und sich alle - ob private oder gewerbliche Kunden - an diese Steuernachlässe gewöhnt hätten. Gleichwohl solle "die Autoindustrie diese Diskussion proaktiv mit der Politik führen", damit der Systemwechsel zur E-Mobilität gelinge.

Dieselsubvention kostet 7,8 Mrd. Euro pro Jahr

Der geschäftsführende Verkerhsminister Christian Schmidt äußerte sich irritiert über die Forderung des VW-Chefs, eine blaue Plakette einzuführen Der geschäftsführende Verkerhsminister Christian Schmidt äußerte sich irritiert über die Forderung des VW-Chefs, eine blaue Plakette einzuführen Quelle: dpa/picture-alliance Der Diesel ist für die deutschen Hersteller extrem wichtig. 2016 hatten etwas mehr als die Hälfte aller in der Bundesrepublik neu zugelassenen Autos der Marke VW einen solchen Motor. Bei der Oberklasse-Tochter Audi waren es sogar zwei Drittel, BMW und die Daimler-Kernmarke Mercedes-Benz kamen auf ähnliche Werte. Ein Grund für den hohen Anteil ist die deutlich niedrigere Besteuerung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin. Der Kauf von Dieselwagen ist daher für Firmen oder Privatleute mit hoher Fahrleistung attraktiv.

Da Dieselmotoren bei vergleichbarer Leistung aber oft mehr Stickoxide als Benziner ausstoßen und ihnen deshalb in einigen deutschen Städten Fahrverbote drohen, fordern Experten wie die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, ein Ende des Steuerprivilegs. "Dieselfahrer zahlen pro Liter Kraftstoff 18,4 Cent weniger als bei Benzin - den Staat kostet diese Subventionierung mittlerweile 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, gut dreieinhalb Milliarden davon für die Pkw-Nutzung", hatte sie im Sommer gesagt. Selbst bei Abzug der höheren Kfz-Steuern für Dieselautos seien das rund eineinhalb Milliarden Euro vom Staat für die Selbstzünder pro Jahr.

Das ist wirklich beeindruckend

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer lobte Müller. "Hut ab", sagte der Leiter des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen am Sonntag der dpa. Er hätte nicht damit gerechnet, dass ein deutscher Autobauer so eine mutige Forderungen erheben würde. Die Vorschläge könnten in dieser Form der schwächelnden E-Mobilität tatsächlich wirksam helfen. Von Seiten der Industrie habe er das nicht erwartet. "Und jetzt sagt das endlich einer. Das ist wirklich beeindruckend."

Müller warb zudem für die Einführung von blauen Umweltplaketten in Städten. Die Vergabe sollte an einen bestimmten Stickoxid-Wert gebunden werden. "Nur wer darunter liegt, dürfte dann auch künftig in Städte fahren", sagte Müller der Zeitung. Nach Einschätzung des VW-Chefs müssten Politik und Automobilhersteller "alles unternehmen, um großflächige Fahrverbote zu verhindern".

Update: Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt hat sich irritiert über diesen Vorstoß gezeigt. Der CSU-Politiker sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur, die blaue Plakette bedeute "nichts anderes als die kalte Enteignung von Millionen von Diesel-Besitzern". Die Autoindustrie stehe "sehr deutlich in der Verantwortung", mehr Mobilität bei weniger Emissionen zu schaffen. Schmidt betonte, er sehe derzeit darüber hinaus keinen Anlass, an der Besteuerung etwas zu ändern. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung habe gegenwärtig "keine Pläne" dazu.

Umweltorganisationen befürworten Müllers Vorstoß

Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, zeigte sich enttäuscht von der Einschätzung des Verkehrsministeriums. "Herr Schmidt hat wohl den Schuss nicht ganz gehört", meinte er. "Er will die Gesundheitsgefahr durch dreckige Stadtluft einfach ignorieren. Das ist grotesk."

Marion Tiemann von Greenpeace beurteilte dies ähnlich: "Während die Autoindustrie einzusehen beginnt, dass Diesel-Subventionen nicht mehr zu rechtfertigen sind, gräbt sich der Verkehrsminister in einer mobilitätsfeindlichen Position ein." Statt niedrigere Steuern für den Diesel zu finanzieren, lasse sich etwa mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verwenden.

Beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland hieß es, die Äußerungen des VW-Chefs seien "eine mutige Ansage. Denn es ist absurd, wenn Politik und Industrie seit Jahren einerseits mehr Elektromobilität wollen, aber gleichzeitig den Diesel weiterhin mit Steuermilliarden künstlich am Leben erhalten." Müller habe diese Ideen allerdings wohl auch mit Blick auf den Verkauf von mehr E-Modellen und damit "nicht ohne Hintergedanken" formuliert.

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Quelle: dpa

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