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Die Einsamkeit im Wrack. Erlebnisse eines Unfallopfers

Themenstarteram 31. März 2010 um 3:33

Die Einsamkeit im Wrack

Allein. Mir ist kalt. Gänsehaut breitet sich aus. Ich liege höchst unbequem an Kopf und Nacken. Der rechte Oberschenkel ist zwischen meinem Sitz und dem Lenkrad eingeklemmt. Es ist eng, nass und der Regen prasselt neben meinem Gesicht auf die Straße. Der Wind raschelt irgendwo in der Finsternis im Laub von Bäumen und treibt den Geruch von heißem Kühlerwasser und verbranntem Gummi vor sich her. Der rechte Fuß schmerzt auch immer mehr, ich fühle ihn unter dem Bremspedal festgekeilt. Jeder Versuch, ihn in eine andere Lage zu bringen, endet mit einem hässlichen Schmerz. Ich habe einen Metallischen Geschmack im Mund. Mein Kopf tut weh, ich fasse mir an die Stirn und Fühle eine klebrige Flüssigkeit...Blut.

Allein - Gerade noch spielte das Autoradio angenehme Musik, der Motor brummte zufrieden vor sich hin und die Heizung sorgte für ein wohlig warmes Klima. Jetzt ist es stockfinster, eiskalt und alles vom Regen durchnässt. Von weit her nähert sich endlich ein Lichtbündel durch den Regen. Hoffentlich biegt er nicht vorher ab, hoffentlich knallt er nicht noch gegen mein Wrack. Er blendet ab und wieder auf. Das Licht bricht sich in Tausenden von Glassplittern. Er fährt dicht heran. Geblendet schließe ich die Augen, versuche irgendetwas zu rufen. Doch mehr als ein lautes Zähneklappern bringe ich nicht zustande. "Da bewegt sich noch einer drin! Das ist sicher gerade erst passiert!". Beratung. "Können Sie beim Fenster rausklettern? Die Tür ist verkeilt". "Nein, ich klemme fest!", kommt es aus mir. Beratung. "Wir holen die Polizei - das ist das Beste!". Autotüren schlagen zu und rasend schnell entfernt sich der Wagen wieder.

Allein - Im Motorraum knistert es leise. Irgendeine Flüssigkeit tropft auf etwas Heißes und verdampft. Hoffentlich brennt nichts. In panischer Angst blicke ich um mich, aber ich kann keinen Feuerschein ausmachen.

Immer noch ist es eiskalt. Ab und zu schüttelt es mich kräftig durch und dann spüre ich wieder schmerzhaft meine steifen Glieder. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich in dicken Wolldecken vor einem großen, offenen Kamin sitzen und vergesse dann für Momente diese beißende Kälte. War hier gerade jemand gewesen, oder habe ich geträumt? Jedenfalls habe ich das Gefühl, schon seit Wochen hier zu liegen. Wieder kommt ein Auto. Nein, keine Polizei. Warnblinker, Licht. Das Licht fühlt sich im Gesicht warm an. Die Haare richten sich zur Gänsehaut auf. "Hallo?" "Ja, mir ist kalt", kommt es matt über meine Lippen. "Ich schau mal." Schritte entfernen sich. Ich kann nur die Beine sehen. Räder, Warnblinker und das Licht. Es kommt wieder, schiebt mir ein Kissen unter den Kopf. "Eine Decke oder so etwas habe ich leider nicht dabei!" Ich bedanke mich und er geht wieder weg. Leute steigen aus einem Wagen und betrachten mein Autowrack aus respektvoller Entfernung. Stimmengemurmel. Dann wandert ein Warndreieck durch mein Gesichtsfeld. Ganz leise höre ich Folgetonhörner. Motorengeräusche nähern sich. Blaulicht. Herzklopfen.

Licht kommt auf mich zu.

Ein grelles Folgetonhorn peitscht meine Nerven auf. Ich drehe den Kopf und versuche vergeblich, den scharfen Tönen auszuweichen. Endlich erlöscht der Ton. Ich entspanne mich wieder. Motoren laufen, Türen schlagen. Blaues Licht zuckt umher und die tausend Glassplitter tanzen im Takt mit.

Ein Gesicht taucht auf: "Wie ist das passiert? Sind Sie alleine?"

Jetzt nicht mehr, möchte ich antworten. "Sind Sie eingeklemmt?" Ein anderes Gesicht kommt nahe zu mir: "Können Sie Ihre Beine fühlen?" "Ja, aber es tut schrecklich weh!" Er fasst nach meinem Puls, streicht mir dann den Dreck aus meinem Gesicht. "Wie heißen Sie?" Mir fällt mein eigener Name nicht ein! "Na, das ist nicht das Wichtigste - erst holen wir Sie da mal raus und bringen Sie ins Warme. Sie müssen aber noch einmal tapfer sein!"

Er macht mir Mut. Ich spüre seine warme Hand und weiß nun, dass dies alles ein Ende finden wird. Noch mehr Licht kommt hinzu. Ich höre Kommandostimmen. Motoren werden angelassen. Mein Herz klopft bis zum Halse. Die Hand bleibt bei mir. Mal ist sie an meinem Handgelenk, mal wischt sie über mein Gesicht. Ich schließe die Augen und im Traum wird die Hand riesengroß. Gerade so wie ein Kamin...

Blech knirscht. Schmerz. Entspannung. Ich werde getragen, dann gefahren. Ich kann die Augen nicht mehr öffnen, sehe nicht, wo ich bin. Aber sicher ist alles o.k., denn die warme Hand ist dabei. Wohin die Fahrt geht, weiß ich nicht. Jedenfalls immer der Hand nach...

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Themenstarteram 31. März 2010 um 3:33

Die Einsamkeit im Wrack

Allein. Mir ist kalt. Gänsehaut breitet sich aus. Ich liege höchst unbequem an Kopf und Nacken. Der rechte Oberschenkel ist zwischen meinem Sitz und dem Lenkrad eingeklemmt. Es ist eng, nass und der Regen prasselt neben meinem Gesicht auf die Straße. Der Wind raschelt irgendwo in der Finsternis im Laub von Bäumen und treibt den Geruch von heißem Kühlerwasser und verbranntem Gummi vor sich her. Der rechte Fuß schmerzt auch immer mehr, ich fühle ihn unter dem Bremspedal festgekeilt. Jeder Versuch, ihn in eine andere Lage zu bringen, endet mit einem hässlichen Schmerz. Ich habe einen Metallischen Geschmack im Mund. Mein Kopf tut weh, ich fasse mir an die Stirn und Fühle eine klebrige Flüssigkeit...Blut.

Allein - Gerade noch spielte das Autoradio angenehme Musik, der Motor brummte zufrieden vor sich hin und die Heizung sorgte für ein wohlig warmes Klima. Jetzt ist es stockfinster, eiskalt und alles vom Regen durchnässt. Von weit her nähert sich endlich ein Lichtbündel durch den Regen. Hoffentlich biegt er nicht vorher ab, hoffentlich knallt er nicht noch gegen mein Wrack. Er blendet ab und wieder auf. Das Licht bricht sich in Tausenden von Glassplittern. Er fährt dicht heran. Geblendet schließe ich die Augen, versuche irgendetwas zu rufen. Doch mehr als ein lautes Zähneklappern bringe ich nicht zustande. "Da bewegt sich noch einer drin! Das ist sicher gerade erst passiert!". Beratung. "Können Sie beim Fenster rausklettern? Die Tür ist verkeilt". "Nein, ich klemme fest!", kommt es aus mir. Beratung. "Wir holen die Polizei - das ist das Beste!". Autotüren schlagen zu und rasend schnell entfernt sich der Wagen wieder.

Allein - Im Motorraum knistert es leise. Irgendeine Flüssigkeit tropft auf etwas Heißes und verdampft. Hoffentlich brennt nichts. In panischer Angst blicke ich um mich, aber ich kann keinen Feuerschein ausmachen.

Immer noch ist es eiskalt. Ab und zu schüttelt es mich kräftig durch und dann spüre ich wieder schmerzhaft meine steifen Glieder. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich in dicken Wolldecken vor einem großen, offenen Kamin sitzen und vergesse dann für Momente diese beißende Kälte. War hier gerade jemand gewesen, oder habe ich geträumt? Jedenfalls habe ich das Gefühl, schon seit Wochen hier zu liegen. Wieder kommt ein Auto. Nein, keine Polizei. Warnblinker, Licht. Das Licht fühlt sich im Gesicht warm an. Die Haare richten sich zur Gänsehaut auf. "Hallo?" "Ja, mir ist kalt", kommt es matt über meine Lippen. "Ich schau mal." Schritte entfernen sich. Ich kann nur die Beine sehen. Räder, Warnblinker und das Licht. Es kommt wieder, schiebt mir ein Kissen unter den Kopf. "Eine Decke oder so etwas habe ich leider nicht dabei!" Ich bedanke mich und er geht wieder weg. Leute steigen aus einem Wagen und betrachten mein Autowrack aus respektvoller Entfernung. Stimmengemurmel. Dann wandert ein Warndreieck durch mein Gesichtsfeld. Ganz leise höre ich Folgetonhörner. Motorengeräusche nähern sich. Blaulicht. Herzklopfen.

Licht kommt auf mich zu.

Ein grelles Folgetonhorn peitscht meine Nerven auf. Ich drehe den Kopf und versuche vergeblich, den scharfen Tönen auszuweichen. Endlich erlöscht der Ton. Ich entspanne mich wieder. Motoren laufen, Türen schlagen. Blaues Licht zuckt umher und die tausend Glassplitter tanzen im Takt mit.

Ein Gesicht taucht auf: "Wie ist das passiert? Sind Sie alleine?"

Jetzt nicht mehr, möchte ich antworten. "Sind Sie eingeklemmt?" Ein anderes Gesicht kommt nahe zu mir: "Können Sie Ihre Beine fühlen?" "Ja, aber es tut schrecklich weh!" Er fasst nach meinem Puls, streicht mir dann den Dreck aus meinem Gesicht. "Wie heißen Sie?" Mir fällt mein eigener Name nicht ein! "Na, das ist nicht das Wichtigste - erst holen wir Sie da mal raus und bringen Sie ins Warme. Sie müssen aber noch einmal tapfer sein!"

Er macht mir Mut. Ich spüre seine warme Hand und weiß nun, dass dies alles ein Ende finden wird. Noch mehr Licht kommt hinzu. Ich höre Kommandostimmen. Motoren werden angelassen. Mein Herz klopft bis zum Halse. Die Hand bleibt bei mir. Mal ist sie an meinem Handgelenk, mal wischt sie über mein Gesicht. Ich schließe die Augen und im Traum wird die Hand riesengroß. Gerade so wie ein Kamin...

Blech knirscht. Schmerz. Entspannung. Ich werde getragen, dann gefahren. Ich kann die Augen nicht mehr öffnen, sehe nicht, wo ich bin. Aber sicher ist alles o.k., denn die warme Hand ist dabei. Wohin die Fahrt geht, weiß ich nicht. Jedenfalls immer der Hand nach...

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wäre das nicht eher was für einen blog als fürs sicherheitsforum?

Aha.

Gut geschrieben, hast Du das selbst erlebt? (Hoffentlich nicht...)

Kann man nur hoffen, dass man das in der Form selbst nie erlebt, vor allem das Warten, dass man überhaupt gefunden wird.

Mein Alptraum wäre ein Abflug in einen Graben oder in die Büsche, welches von der Straße aus gar nicht bemerkt würde. Klar man hat ein Handy dabei, aber dass muss nach dem Crash erstmal noch an der gewohnten Stelle liegen und überhaupt erreichbar sein..........

Wen die "andere" Seite interessiert, den kann ich nur meinen ersten Blogeintrag hier ans Herz legen...

Themenstarteram 31. März 2010 um 13:14

Nein ich kann da nur aus Erfahrung als RD´ler und Feuerwehrmann sprechen.

Ich habe es nicht in meinen Blog geschrieben, weil ich mir dachte ich kann so bessere Denkanstöße setzen ich will keinen auf Verkehrserzieher machen also bitte nicht falsch verstehen;)

Zitat:

Original geschrieben von fire-fighter

Gut geschrieben, hast Du das selbst erlebt? (Hoffentlich nicht...)

Hm, so was aus der Sicht der Hilfskräfte wäre auch nicht schlecht.

Themenstarteram 31. März 2010 um 13:31

Ich werde mich daran mal versuchen.

Fire Fighter hat da was tolles :)

http://www.motor-talk.de/blogs/112-bis-911?tag=Denkt+an+uns!

Das ist aus der anderen Sicht.

 

Zitat:

Original geschrieben von R 129 Fan

Hm, so was aus der Sicht der Hilfskräfte wäre auch nicht schlecht.

Zitat:

Ich habe es nicht in meinen Blog geschrieben, weil ich mir dachte ich kann so bessere Denkanstöße setzen ich will keinen auf Verkehrserzieher machen also bitte nicht falsch verstehen;)

Ok, aber an was soll ich jetzt denken? Der Bericht wird meine Fahrweise nicht beeinflussen, ich werde weiterhin auf Landstraßen das fahren was erlaubt ist, wenn mir da ein Reifen platzt und ich in die Böschung donner werd ich vielleicht nicht mehr viel mitbekommen, je nachdem was da so alles auf mich wartet. Den Raser und Drängler interessiert der Bericht leider nicht weil er sowieso der Meinung ist immer alles unter Kontrolle zu haben.

Bitte nicht falsch verstehen, aber für mich klingt das eher wie der Anfang von einem Drehbuch für einen netten Actionfilm mit Bruce Willis und Will Smith ;) Der Bericht hat irgendwie keine Aussage.

Themenstarteram 31. März 2010 um 13:57

Ich denke das ist alles andere als ein Drehbuch. Das ist die Realität.

Ich habe keine Gründe genannt wie es zu dem Unfall gekommen ist. Das kann sich hier jeder selbst ausmalen oder zusammenreimen. Mach daraus was du möchtest. ;) An alle anderen. Dankeschön fürs Lesen. ;)

Zitat:

Original geschrieben von blutfahrer

Wenns dich so tangiert, dann halt dich doch fern!

Sorry, fühl dich nicht angepisst sondern schreib es in deinem Blog wenn du mit kritischen Meinungen nicht umgehen kannst. Das hier ist ein öffentliches Forum, also musst du auch mit Leuten rechnen die sich durch einen nett aufgemachten Text nicht "erzogen" fühlen.

Themenstarteram 31. März 2010 um 14:08

1. Ich habe ausdrücklich gesagt, das ich hier niemanden erziehen will!

2. Ich kann sehr gut mit Kritik umgehen, wenn sie sachgemäß und angemessen ist!

3. Anpissen kann mich hier keiner.

Zitat:

Original geschrieben von kamikaze schumi

Zitat:

Original geschrieben von blutfahrer

Wenns dich so tangiert, dann halt dich doch fern!

Sorry, fühl dich nicht angepisst sondern schreib es in deinem Blog wenn du mit kritischen Meinungen nicht umgehen kannst. Das hier ist ein öffentliches Forum, also musst du auch mit Leuten rechnen die sich durch einen nett aufgemachten Text nicht "erzogen" fühlen.

Zitat:

1. Ich habe ausdrücklich gesagt, das ich hier niemanden erziehen will!

Und was meinst du warum ich es in Anführungszeichen gesetzt habe?

Zitat:

2. Ich kann sehr gut mit Kritik umgehen, wenn sie sachgemäß und angemessen ist!

Und das war meine nicht? Ach nein, wahrscheinlich bist du jemand der meint kritik muss immer positiv sein ;)

Zitat:

3. Anpissen kann mich hier keiner.

Weshalb du nachträglich Beiträge editierst? ;)

Schönen Tag noch :)

Könnt Ihr das bitte per PN klären?

Danke

Gruss

Jürgen

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