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Die Dashcam: Unbestechlicher Zeuge oder Spion hinter der Scheibe?
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AdmiralDirekt
Thu Feb 25 12:56:57 CET 2016 um Thu Feb 25 12:56:57 CET 2016 UhrDialog

Ihr hattet Euch für unseren Blog einen Artikel zum Thema Dashcam gewünscht. Dass die kleinen Mini-Kameras ein spannendes, vieldiskutiertes Thema sind, zeigt auch eine Suche im MOTOR-TALK-Forum: Knapp 900 Ergebnisse finden sich Stand heute in der Trefferliste.

Wir haben Euch daher anhand eines Praxisbeispiels wichtige Informationen zusammengestellt und berichten zudem vom 54. Verkehrsgerichtstag in Goslar. Dort waren die Dashcams Inhalt eines Arbeitskreises, an dem auch unser Geschäftsführer Klaus Lindner teilgenommen hat.

Ein Fall aus der Praxis: Parkrempler am Flughafen

Ein ganz alltäglicher Unfall ereignet sich am Münchner Flughafen: Der Fahrer eines Audis legt den Rückwärtsgang ein, fährt zurück und prallt gegen einen hinter ihm abgestellten Mercedes. So eindeutig der Fall zu sein scheint: Die Unfallgegner können sich nicht einigen. Der Audi-Fahrer gibt nämlich an, überhaupt nicht rückwärts gefahren zu sein. Der Fall landet vor dem Landgericht Landshut.

Was diesen Rechtsstreit so besonders macht: Der Fahrer des Mercedes hatte den Unfall mittels einer Dashcam aufgezeichnet. Das Video zeigt den Audi – und seine Rückwärtsfahrt. Der Mercedes-Fahrer macht die Aufnahmen dem Gericht zugänglich. Aber dürfen die Richter die Aufzeichnungen als Beweismittel anerkennen?

Filmen mit der Onboard-Kamera: Ist das überhaupt erlaubt?

Die Rechtslage ist uneindeutig – das bestätigten auch die Experten, die sich auf dem 54. Verkehrsgerichtstag in Goslar mit dem Thema Onboard-Kameras beschäftigten. Der Verkehrsgerichtstag ist ein Kongress, auf dem jährlich Autoritäten aus Wissenschaft, Rechtswesen und Polizei aktuelle Themen des Verkehrsrechts fachlich beraten und diskutieren. In verschiedenen Arbeitskreisen werden Empfehlungen zu bestimmten Fragestellungen erarbeitet, die sich schon häufig als richtungsweisend erwiesen haben.

Generell ist die dauerhafte Aufzeichnung mit einer Mini-Kamera ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Die Kameras sind in Deutschland zwar nicht grundsätzlich verboten. Gleichwohl ahnden beispielsweise die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen den Einsatz von Dashcams mit Bußgeldern.

Dementsprechend kann eine solche Aufnahme vor Gericht eigentlich nicht als Beweis verwertet werden. Trotzdem gibt es einige Fälle, in denen Richter Dashcam-Videos zuließen, weil ihrer Ansicht nach das Beweisinteresse höher zu bewerten sei als der Verstoß gegen den Datenschutz.

Blick nach Europa: Standard in Russland, Rabatte bei englischen Kfz-Versicherern

Anfang 2013 gingen Dashcam-Aufnahmen aus Russland um die ganze Welt. Mehrere Autobesitzer hatten mit ihren Onboard-Kameras aufgezeichnet, wie ein Meteorit im Gebiet Tscheljabinsk einschlug. Die Kameras hinter der Windschutzscheibe sind in Russland weit verbreitet. Viele Autobesitzer installieren sie, um sich vor unberechtigten Ansprüchen zu schützen oder die Schuld eines Unfallgegners vor Gericht beweisen zu können. In Russland sind die Aufnahmen als Beweismittel zugelassen.

Ähnlich ist es in England: Auch hier ist die Dashcam auf dem Vormarsch. Vereinzelt fordert die Polizei die Bürger sogar dazu auf, besonders rüpelhafte Verkehrsteilnehmer mit Hilfe von Onboard-Aufnahmen anzuzeigen. Auch Englands Versicherer setzen auf die Dashcam. Einige große Kfz-Versicherer bieten ihren Kunden Rabatte von bis zu 10 Prozent, wenn sie eine Onboard-Kamera installieren. Man verspricht sich von den Aufnahmen eine raschere, eindeutigere Schadenabwicklung und Schutz vor inszenierten „Crash for Cash“-Unfällen.

Vorschläge für eine gesetzliche Regelung: Experten-Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages

Der Arbeitskreis des Verkehrsgerichtstags wünscht sich eine gesetzliche Regelung, die europaweit ein einheitliches Schutzniveau gewährleistet. Ein Vorschlag war z. B., dass man anlassbezogene Aufzeichnungen zulässt. Das wäre immer dann der Fall, wenn man angesichts eines drohenden Unfalls die Aufnahme startet. Da ein Unfall meist nicht vorhersehbar ist, wäre eine Alternative eine sogenannte Schleifenfunktion. Die Kamera zeichnet permanent auf, die Aufnahmen werden aber regelmäßig überschrieben. Im Fall eines Unfalls sichert man dann manuell den entsprechenden Zeitabschnitt.

Um dem Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Daten gerecht zu werden, haben die Experten angeregt, Sanktionen zu verhängen, wenn beispielsweise ein Dashcam-Video im Internet veröffentlicht wird. Ganz deutlich hat man sich gegen die Verfolgung von Verkehrsverstößen ohne schwerwiegende Gefährdung oder Folgen mittels Dashcams-Videos ausgesprochen.

Dashcam-Aufnahmen vor Gericht: Abwägung der betroffenen Interessen

Im Fall des Audi-Fahrers vom Münchner Flughafen entschied sich das Gericht, die Videoaufnahmen zuzulassen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung unter anderem damit, dass der Beklagte selbst nicht gefilmt worden sei. Somit sei sein Recht am eigenen Bild nicht berührt. Das Gericht ordnete weitergehende Gutachten an, um die genaue Schadenshöhe festzustellen, da anhand des Videos davon auszugehen sei, dass der Audi eben doch rückwärts gefahren sei (Aktenzeichen: 12S2603/15).

Ganz anders entschied im August 2014 das Amtsgericht München (Aktenzeichen: 345 C 5551/14). Es ließ die Dashcam-Aufzeichnungen nicht als Beweismittel zu, weil sie gegen den Datenschutz verstießen. Die Richter befürchteten ganz ausdrücklich, dass bei einer anderen Rechtsauffassung mittelfristig eine gegenseitige Permanent-Überwachung aller Bürger zu erwarten sei. Es stehe zu befürchten, dass die Bürger nicht nur in ihrem Auto dauerhaft aufzeichnen, sondern beispielsweise auch über Kameras an der Kleidung.

Wie würdet Ihr entscheiden: Datenschutz oder Opferinteresse?

Für uns als Versicherung wären die Aufnahmen einer Dashcam in vielen Fällen eine Erleichterung bei der Schadensbearbeitung. Eine Video-Aufnahme kann einen Unfallhergang darstellen, der sonst zeitaufwändig von Sachverständigen rekonstruiert werden müsste. Vielleicht ließen sich auch Prozesse aufgrund der Eindeutigkeit von Video-Aufzeichnungen ganz vermeiden. Trotzdem bleiben auch aus unserer Sicht noch viele Fragen offen.

Es bleibt abzuwarten, ob es dem Gesetzgeber gelingt, Datenschutz und Aufklärungsinteresse in Einklang zu bringen. Unabhängig von einer rechtlichen Regelung ist sicher auch fraglich, wie sich beispielsweise eine Sanktion bei einer missbräuchlichen Veröffentlichung im Internet praktisch durchsetzen lassen soll.

Wie steht Ihr zum Thema Dashcam? Was haltet Ihr von den Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags? Oder habt Ihr vielleicht selbst schon eine Mini-Kamera in Eurem Auto installiert? Wir sind gespannt auf Eure Meinungen und Erfahrungen!

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1 Kommentar
Avatar von AdmiralDirekt
Themenstarter
Wed May 25 09:01:13 CEST 2016

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat übrigens in einer ersten obergerichtlichen Entscheidung Dashcam Aufnahmen bei schweren Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten zugelassen. Im konkreten Fall ging es um einen Autofahrer, der eine rote Ampel überfahren hatte. Ein anderer Verkehrsteilnehmer hatte den Vorfall mit seiner Onboard-Kamera aufgezeichnet:

 

 

Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart

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  • AdmiralDirekt
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