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Thu Feb 16 10:23:25 CET 2023    |    Tobner    |    Kommentare (32)

Vor dem kleinen Update muss ich Euch hier, glaube ich, nochmal abholen. Was war denn alles geschehen?

 

Ich habe einen doppelt aufgeladenen Motor in meinen Audi 80 reingebaut. Warum? Weil ich es kann und weil ich so einen technisch anspruchsvollen Umbau einfach nur bezaubernd sexy finde.

Der Plan war, ein System zu bauen, mit dessen Hilfe sich der doch recht müde 16V "etwas" besser fahren lässt. Ist der Plan aufgegangen?

 

..Volle Rakete. Bin ich glücklich? Die Lernkurve hat stellenweise richtig wehgetan. Also JA! Spaß beiseite, das Auto fuhr im Laufe der Saison und nach jeder Schrauberaktion immer besser, bis es gegen Ende der Saison schon saumäßig gut lief. Besser, als ich das je gedacht hätte. Der Kompressor macht jetzt bei 2000 U/min schon 0.6bar, bei 2500U/min 0.7bar und bei knapp 3000U/min 0.8bar Ladedruck. Damit steigt das Drehmoment schon so, dass sich der 2Liter Motor wie ein 3,5Liter anfühlt. Wenn ich mal ins alte Leistungsdiagramm schaue und die Daten etwas vergleiche und herumrechne, müsste der Motor bei 2500U/min schon knapp 300Nm machen. Und das ist, finde ich, für das Setup mit dem wild aneinander geschräubelten Konglomerat an Kleinanzeigen-Teilen schon amtlich. Und es fühlt sich mittlerweile auch bombenmäßig an. Der Motor hat direkt ab Gasstoß Ladedruck anliegen und die Fuhre kommt instant in Wallung. Der Sound ist dazu noch das I-Tüpfelchen!

 

Aber die Früchte des Erfolgs habe ich teilweise bitter bezahlt. Wir schreiben Mitte Juli 2022. Wir waren gerade auf dem Rückweg vom Treffen, als ich bergauf auf der BAB bei irrwitzigen 37°C fast den Wagen niedergebrannt hatte. Was war geschehen? Beim Überholvorgang ging durch den niedrigen Zündwinkel und die sonst abnormen Temperaturen die Abgastemperatur so durch die Decke, dass die Abgasanlage in Katnähe die Hohlraumkonservierung auf Wachsbasis verflüssigte. Diese tropfte auf den Auspuff und verdampfte mit einer übelsten Rauchwolke. Wenn man bedenkt, wie schnell so Paraffinwachs brennt, ist es ein Wunder, dass da nichts passiert ist. Beim Drunterschauen auf dem Parkplatz lief das Wachs wie dunkles Öl aus der Karosse auf den Boden. Sowas habe ich auch noch nie erlebt. Außerdem ist der Abgastemperatursensor aus dem Krümmer gerutscht und die ausströmenden Abgase haben den Luftfilter verkohlt und leicht entzündet. Außerdem ruckelte der Wagen durch zu heiß gewordene Zündspulen immens und er sprang auf dem Rastplatz kaum noch an.

 

Nach dieser Aktion hatte ich erstmal keine richtige Lust mehr, mit dem Auto zu fahren. Da ich eh kein Fan von so Temperaturen bin, habe ich mich in dieser Sommerphase eher verkrochen. In den kommenden Wochen habe ich diverse Fehlersuch-Aktionen betrieben und bin, abends nach 20Uhr, noch zu der einen oder anderen Logfahrt aufgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt war der Ladedruckaufbau des Turbos richtig grottig, der Lader kam sehr spät (irgendwo zwischen 4500-5000 Umdrehungen fing er an, LD aufzubauen) und kam auch nach dem Schalten oder Lastwechsel kaum auf Touren.

 

Als erstes fiel mir auf, dass meine Kompressor-Bypassklappe undicht war und dass mir somit im Bereich Kompressor Ladededruck verloren ging. Ich habe den Bypass mit einer PET-Flasche verschlossen (die passte zufällig saugend in das Saugrohr) und schon stieg der Ladedruck. Der Turbo kam wie zu erwarten später, weil er jetzt nicht so "frei" ansaugen konnte. Im Bereich Kompressor hatte ich direkt 0.2bar mehr Ladedruck. Das war schon sehr aufschlussreich.

 

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Danach habe ich mal das System komplett ohne Kompressor betrieben. Hier habe ich die Druckmimik vor dem Turbo ausgebaut und habe den Lader direkt ansaugen lassen. Der Kompressor blies ins Freie. Hier die nächste Überraschung: Der Turbo allein macht auch schon "untenrum" leichten Ladedruck und der Turbo spoolt eher. Die einzige Schlussfolgerung für mich war, dass meine Edelstahl-Klappe mechanisch zu schwer aufging und damit das andrehen des Laders verschlechterte. Kurzum: Meine Bypassklappe funktioniert nur semigut. Sie ist undicht und der Turbolader bekommt sie schwer auf. Das war schon schwer verdaulich, weil die Klappe auch schon viel Zeit in Anspruch genommen hatte.

 

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Danach kam aber der Oberknaller. Ich habe bei Youtube Videos des Garrett G30-660 gesucht und wollte wissen, wo die andere Tuner so sind mit dem Ansprechverhalten. Bei den Videos dachte ich so bei mir "Das sieht irgendwie viel kleiner aus als mein Turbolader". Dann bei einem Vergleichsvideo der Garrett G-Serie sehe ich es: Ich habe garnicht den G30-660 sondern den G30-770 am Motor :eek::eek::eek:

 

:confused: Fragezeichen :confused:

 

Direkt ans Auto und nachgemessen. Es ist tatsächlich der falsche Turbo. Und jetzt? Dealer angerufen, der hats nach Recherche bestätigt. Er bot mir an, die Rumpfgruppe, also Turbo ohne Abgasgehäuse zu tauschen. Das Abgasgehäuse der beiden Lader sind gleich, also kann ich das behalten.

Jetzt kommen wir wiedermal zu einer Odysee. Aber keine Angst, ich bins ja gewohnt mit dem Auto. Kleiner Tech-talk:

 

Das Ansprechverhalten des Turbos wird maßgeblich durch das Abgasgehäuse bestimmt. Die Verdichterseite hat zwar auch einen Einfluss, dieser ist aber geringer. Macht es jetzt Sinn, den Lader zu tauschen und alles umzubauen? Ich las sicher 15-16h im Internet umher, schaute Videos der beiden Lader und wollte abwägen, wie viel eher der kleinere Turbo spoolt. Wenig bis keine Hinweise. Auch die Kompressor-Map, mit deren Hilfe man die Charakteristik der Turbos betrachten kann, ergeben wenig Hinweise. Getestet hats auch noch keiner. Mein Dealer, selbst ein Tuner, meinte, es könnte schon 500 Umdrehungen bringen. Alle anderen Tuner und Schrauber und Turbomenschen verneinten das. So telefonierte ich stundenlang durch die Gegend. Turbozentrum, Turbo-parts (offizieller Garrett-Ansprechpartner in Deutschland), Ladedruckklinik und diverse Tuner waren alle derselben Meinung: Kleineres Kompressorgehäuse wird nicht viel bringen.

 

Wer die Wahl hat, hat die Qual.

 

Fakt: Mit dem kleineren Lader büße ich ca. 100PS Endleistung ein. Das steht fest. Fakt ist auch, dass die Wahrscheinlichkeit des besseren Ansprechverhaltens eher gering ist. Fakt ist, dass ich jetzt die Wahl habe und mich der Tausch nichts kostet. Fakt ist, dass ich aber danach ein Upgrade von G30-660 auf G30-770 dann zahlen muss, falls ich mit dem 660 nicht zufrieden bin.

 

Ich würde also 100PS Leistung gegen schlimmstenfalls kein besseres Ansprechverhalten tauschen. Schwierig. Ich haderte 2 Monate mit der Entscheidung. Ein Typ im Facebook meinte aber dann, dass er mit dem G30-660 am 1.8T bei 4000Umdrehungen 2Bar Ladedruck anstehen hatte. Dort wollte ich hin. Das war der fehlende Ruck. Also schob ich den Ladertausch an.

 

Spoiler: War sinnlos, was in Anbetracht des Aufwandes richtig bitter ist.

 

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Zwischendrin habe ich noch 2-3h mit der Ladedruckregelung verbracht. Diese hat nicht funktioniert und ích fuhr "nur" Dosendruck von 1.3 Bar. Ich hatte das Ladedruckregelventil falsch angeschlossen. Auf der Luftseite und auf der Stromseite. Alles umgesteckt und schon ging es. Zum Test mal fest angetaktet, um mal etwas mehr Druck zu machen. Hat alles funktioniert, hab aber sicherheitshalber den Ladedruck wieder runtergedreht.

 

Die Ansaugung von kleinen Lader ist nur noch 76mm groß. Die vom -770er ist 102mm. Also musste ich die gesamt Ansaugung umbauen. Da ich eh das Bypassventil umbauen musste, kam mir das gelegen. Ich besorgte mir ein Bypassventil aus einem A6 3.0BiTDI. Das aus Alu, komplett federbelastet und geht butterweich auf. Außerdem ist es strömungsgünstig konstruiert. Es ist nach außen hin absolut dicht und der Lader kann es ohne jedwede Anstrengung aufziehen. Das Ventil habe ich in eine Alu-Ansaugung integriert, habe mir ein V-Band-Anschluss gedreht und habe alles eingebaut. Leider sind mir hier die Schweißarbeiten weniger gelungen, aber sei es drum. Mir geht es eher darum, alles selbst zu fertigen. Auch, wenn es vielleicht nicht so bezaubernd aussieht. Egal, Probefahrt.

 

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Die erste Probefahrt war der Hammer. Der Ladedruckaufbau ist bedeutend besser, selbst im Bereich Kompressor fährt es sich spürbar besser. Ich habe jetzt bei 2500 1/min 0.6 Bar, bei 2800 1/min 0.7Bar und bei 3400 1/min schon 0.8Bar Ladedruck. Damit fährt der Audi wirklich gut. Gefällt mir. Der Turbo kommt auch eher. Nicht viel, aber spürbar. Auf mein Ziel, bei 4000 Umdrehungen vollen Ladedruck zu haben, bin ich noch nicht gekommen, aber viel getestet hatte ich bis dato auch nicht.

 

Negativ sind mir jetzt relativ hohe Wassertemperaturen von über 105°C aufgefallen. Auch die Abgastemperaturen sind mir entschieden zu hoch. Beim kurzen Anblasen mit 1.4Bar Ladedruck stehen fast instant 900°C aufm Display. Meine Vermutung war erst, dass die AGA stopft, denn bei 60mm Durchmesser ist irgendwo bei 300PS Schluss. Der Zündzeitpunkt war hier aber eher der Übeltäter.

 

Außerdem habe ich nochmal das Getriebe ausbauen müssen, weil ich diverse Undichtigkeiten zu beklagen habe. Die Ventildeckeldichtung, Ölwannendichtung, Simmerring Kurbelwelle getriebeseitig und Simmerring Getriebeeingangswelle kommen neu. Die Pleuellager kontrollierte ich auch nochmal. Der Motor hat zwar noch nicht viel gesehen, aber sicher ist sicher.

 

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..Beim Wechseln der Ventildeckeldichtung musste ich leider das Wastegate nochmal lösen. Leider ist das dort am Ventildeckel so eng, dass der Deckel nichtmal abzubauen geht. Mit meiner Stirnlampe hampelte ich im Motorraum rum und irgendwann fiel auf, dass Licht durch das Wastegate scheint.

 

Nanu?! Das müsste dicht sein. Wenn Licht durchscheint, strömt auch Abgas durch. Wenn das Abgas durch das Wastegate strömt, strömt es nicht durch den Turbolader. Ergo Fragezeichen.

 

Nach Zerlegen des Wastegates fiel mein dilletantischer Anfängerfehler auf: Dichtring vergessen. Ich hätte mir gern selbst eine ins Maul gehauen. Der Dichtring sorgt dafür, dass das Ventil des Wastegate ordentlich aufsitzt und dichtet. Ohne diesen Dichtring ist das Wastegate quasi offen. Und das war auch die gaaaaaanze Zeit der Grund für das schlechte Ansprechverhalten BEIDER Lader. Sowas ärgerliches. Ich wäre also sicher mit dem G30-770 auch auf ein passables Ansprechverhalten gekommen. Naja gut, ich könnte wieder auf groß umbauen, nur leider kostet die Rumpfgruppe von dem Turbolader gleichmal fast 1500€.

 

Egal, shit happens, es ist vorbei, der Lader ist getauscht. Hat er am Ende halt nur 550PS. Damit kommt man auch halbwegs vom Fleck. Aber wie ich mich kenne, baue ich das irgendwann nochmal anders.

 

Die Probefahrt jetzt war richtig überwältigend. Jetzt stehen die oben genannten Ladedruckwerte an und der Turbo hat bei 3800U/min vollen Ladedruck. Damit fährt die Kiste sagenhaft. Bei einem Zündwinkel von immernoch zahmen 14° ab 0.8bar LD ging auch direkt die Abgastemperatur nach unten.

 

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Die neue 76mm-AGA habe ich noch unters Auto gebaut. Diese kommt von Simons, hat eine ECE-Zulassung und ist eigentlich für den S2/RS2. Passgenauigkeit war recht gut, ich habe es leider nicht geschafft, die Endrohre 100% auszurichten. Diese gefallen mir mit 2x80mm auch nicht soooo gut. Aber der Preis der Anlage ist mit 750€ unschlagbar und ich musste nicht selber basteln. Die Anlagen sind auch recht leise, was zwar nicht unbedingt mein Ansinnen ist, aber dafür gibts weniger Ärger mit der Polizei (hoffentlich).

 

Im Vergleich sieht man mal die Ausmaße der Dämpfer.

 

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Danach habe ich noch die Halter vorne an den Kats ändern müssen. Die starre Aufhängung des Auspuffs am Getriebe und am Tunnel sind einfach abgerissen. Ich dachte, es sollte durch die Flexrohre etwas Flexibilität drin sein, aber da habe ich mich geirrt.

 

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Außerdem habe ich die AGA im Bereich vor Kat in der Nähe vom Getriebe und hinten im Bereich Differentialeingang noch mit Hitzeschutz eingewickelt. Da ich im Sommer eine wirklich unschöne Erfahrung mit einem Fahrzeugbrand hatte, steckt mir die Feuerangst sehr tief in den Knochen. Auch die darauffolgende Probefahrt war eher unentspannt, weil sich der Hitzeschutz erst einbrennt und das stinkt und qualmt.

 

Ich konnte es mir nicht verkneifen, auch mal das Wastegate mit 30% anzutakten. Damit stieg der Ladedruck auf knapp über 1.5bar und die Kiste fuhr jetzt schon wie die Feuerwehr. Ich freue mich echt auf nächste Saison, wenn dann richtig Dampf aufm Kessel ist.

 

Ich habe nach der letzten Probefahrt dann das Auto einfach in die Garage gestellt und habe die Batterie abgeklemmt. Im April gehts dann weiter. Im Winter muss ich mich mit folgenden Dingen beschäftigen:

 

- Getriebeflansch/Flanschwelle vorne links hat hohes radiales Spiel. Daher sicher auch die Vibrationen beim Fahren.

- Recaro-Beifahrersitz einbauen, den mir meine Freundin organisiert hat

- alle 4 Gelenkmanschetten an den Antriebswellen VA erneuern, die sind undicht und es ist überall Fett (Vor allem auf dem Auspuff und den Bremsscheiben)

- Bremsbeläge vorne organisieren/erneuern (s. oben)

- Zündung mal überschauen wegen den Rucklern bei heißem Motor

- Abstimmer suchen, Ladedruck 1000 eingeben, Motor aufwischen

 

Ich freue mich langsam wieder, mit dem Projekt weiter zu machen. Das wird dann aber wahrscheinlich eher auf Youtube stattfinden. Momentan weiß ich noch nicht so recht, wie ich mit dem Bloggen und dem Vloggen weitermache. Vloggen macht Spaß und ist anschaulich, Bloggen macht mir aber auch Spaß, beides parallel ist aber wenig sinnvoll... Mal schauen...

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Blogautor(en)

Tobner Tobner


Infos zur Person... hmmm mal sehen...

 

Ich bin BJ 92 und vom Beruf Medizintechniker. Damit verdiene ich das Geld, was ich gleich wieder in meinen Fuhrpark investiere :rolleyes:

Ich schraube an so ziemlichen Allem, was Räder oder Ketten hat, sich fortbewegt, oder einfach nur Lärm und Qualm fabriziert. Mein Motto ist dabei: Normal kann jeder.

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