02.10.2019 17:17
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UHU1979
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Kommentare (35)
| Stichworte:
Bilder, Fahrbericht, Fahrzeug, Fahrzeuge, Fotos, GAZ, GAZ-24, Geschichte, Geschichtsbuch, Historie, Limousine, Oldtimer, Russland, Sowjetunion, Wolga
der Name Wolga steht nicht nur für den längsten europäischen Fluss, sondern auch für die automobile gehobene Mittelklasse zu Zeiten des Ostblocks. Das Gorkowski Awtomobilny Sawod in Gorki/Nischni Nowgorod produzierte von 1956 bis 2010 PKW mit dem Markennamen "Wolga". Jetzt wollte ich wegen meinen persönlichen Assoziationen zu diesen Autos endlich einmal selbst einen Wolga fahren und gönnte mir dieses nostalgische Vergnügen mit dem GAZ-24 Wolga.
Der GAZ-24 kam 1970 auf dem Markt und hat eine für diese Zeit typische elegante, aber ziemlich strenge Linienführung mit Kanten und etwas Chromzierrat. Dieses Auto verkörpert auf seine Art die Ära der 1970er und 1980er Jahre in der Sowjetunion bzw. im Ostblock. Insgesamt liefen wohl bis 1992 1.479.389 Einheiten des GAZ-24 mit 4-Zylinder-Motor aus den Werkhallen.*
Das Blech wirkt beim Schliessen der Türen massiv, ohne entspechendes Sounddesign wie bei heutigen Autos.
Der Blick nach außen durch die große Frontscheibe gibt eine gute Übersicht, kleine „Flossen“ in der Karosserie helfen, die Maße des Autos gut abzuschätzen. Die Sitzposition ist zudem nicht zu tief und recht aufrecht. Folglich beschlich mich ein leichtes (na gut: deutiches) Gefühl der Erhabenheit auf den weich gepolsterten Plüschsessel. Seitenhalt gibt es selbstverständlich keinen. Das Fahrwerk mit hinterer Starrachse ist merklich für schlechte Straßen ausgelegt, Kopfsteinpflaster und kleine Stöße werden sehr gut gedämmt. Agilität und Seitenneigung ist jedoch nicht die Stärke des Fahrwerks. Der lange Radstand von 2,80 m gibt dem Fzg. auch einen guten Geradeauslauf. Angetrieben wird klassischerweise die Hinterachse.
Das Getriebe hat 4 Gänge und ist voll-synchronisiert, wobei durch den langen Schalthebel die Schaltwege recht lang sind. Der 3. Gang ist ziemlich kurz übersetzt, sodass ich relativ früh den 4. Gang nutzte, was durch das verhältnismäßig hohe Drehmoment des Motors unterstützt wird. Im Ergebnis dessen sind die Fahrleistungen für das Fzg. mit einer Leermasse von 1.455 kg angemessen, um im heutigen Verkehr mitschwimmen zu können, nur die Beschleunigung erscheint aus heutiger Sicht etwas langsam (0 – 100 km/h: 19 s angegeben**). Die eingetragene Höchstgeschwindigkeit beträgt 140 km/h, allerdings mutet man so etwas einem 45-jährigen Auto natürlich nicht mehr zu. Vielmehr nutzte ich den Wagen lieber für eine schöne ausgedehnte Spazierfahrt über die Landstraßen. Die elegante Limousine verführt eben zum bewussten Genießen der Entschleunigung.
Danke fürs Lesen.
Schöne Grüße, der Uhu
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02.10.2019 17:36 |
ToledoDriver82
Den mochte ich schon als Kind,meist sah man ihn bei uns als Taxi. Leider hatte ich nie die Gelegenheit mal in einem mit zufahren,aber,ich hab vor ein paar Tagen auch wieder ein gesehen. Wir waren mit unserem Altblech im Urlaub an der Ostsee,als einer mit 07er FLÖ Kennzeichen auftauchte...immer noch eine stattliche Limousine
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02.10.2019 17:41 |
dugi117
Den gabs auch als KGB-Version mit V8.
02.10.2019 17:47 |
fehlzündung
Sehr schön, solche Autos finde ich auch faszinierend. Aber das Radio mit USB-Stick paßt nun überhaupt nicht. Also wenn schon alles original ist, dann gehört da auch ein originales Radio rein (meine Meinung, ich weiß aber nicht, ob die Ostblockländer damals überhaupt UKW nutzten und ein originales Radio hier brauchbar wäre).
02.10.2019 17:49 |
Emeraldbaysreturn
War das vor oder nach der Wende?
Ich hatte vor genau 31 Jahren die Gelegenheit, eine 2-stündige Taxifahrt durch Ost-Berlin in so einem Wolga mitzumachen. Genau genommen war das eine Stadtführung, der Fahrer hat das für 20 oder 25 West-Mark gemacht und frei aus dem Bauch geredet. Ein unvergessliches Erlebnis.
02.10.2019 17:51 |
ToledoDriver82
Vor der Wende, danach verschwanden sie sehr schnell. Aber man sieht praktisch bei jedem Oldtimertreffen hier, zwei drei.
02.10.2019 17:57 |
UHU1979
Ich glaube auch, der GAZ war das Standard-Taxi in der DDR.
02.10.2019 17:57 |
Goify
So einer stand bei uns unten im Hof und den fuhr der Chef vom Forstamt. Ich fand den beeindruckend und hätte auch später kein Problem damit gehabt, ein Auto vom verhassten Bruderstaat zu fahren. Es kam alles anders und ich fahre was vom Klassenfeind.
Toll, dass du solch ein Sahnestück ergattern konntest. Selten ist er ja wirklich sehr.
02.10.2019 18:00 |
UHU1979
Der war gemietet. Und ich bin auch irgendwie froh, keinen Platz und keine Zeit zu haben ... weil verlockend ist so ein Hobby ja schon
02.10.2019 18:01 |
ToledoDriver82
Wem sagst du das
02.10.2019 21:26 |
PIPD black
Das glaube ich wiederum nicht. Da fuhren mehr Lada als Taxen. Und das waren bei uns in der Kreisstadt schon nicht viele. Die meisten Taxen waren bei uns Wartburgs.
02.10.2019 21:45 |
G7Blue
Schöner Beitrag, hat die Erinnerungen an meine Lehrzeit geweckt. Wir wurden 1971/1972 während eines mehrwöchigen Ausbildungsabschnittes (0,8 MP Montage) mit diesem " TAXI" vom Bauarbeiterhotel in Erfurt zum Schichtbeginn auf die Baustelle nach Elxleben gefahren und und nach Schichtende wieder abgeholt.
@ PIPD black
Der Lada kam erst mitte der 70er/80er sein Vorgänger war erst als Shiguli unterwegs.
Die Teile waren wie gefeilt aus einem Stück, Rostschäden gab es erst gefühlt nach 20 Jahren.
02.10.2019 22:17 |
PIPD black
So alt bin ich noch nicht, dass ich mich daran erinnern kann. Aber die Wolgas waren bei uns in den 80ern schon recht selten anzutreffen.
02.10.2019 22:20 |
Duftbaumdeuter272
Bei uns waren alle Taxen Wolga M24
03.10.2019 10:04 |
MadMax
Bei uns auch fast alles Wolgas - ein paar mit Gasumbau.
03.10.2019 18:00 |
schelle1
Durch 20 jährige Fahrzeit mit unzähligen M24 kann ich einige Angaben berichtigen. Der Ø Verbrauch entspricht etwa 13 Liter, 16 sind auch möglich. Die Höchstgeschwindigkeit variierte zwischen 125-130 km/h, 140 hatte ich nie erlebt. Ein Chockhebel ist mir nicht bekannt...oder vergessen, weil nie gebraucht. Man kann mit dem Wolga gut fahren, hatte selbst einen, aber von Drehmoment würde ich trotz der 2500ccm nicht sprechen.
03.10.2019 19:23 |
rpalmer
Sehr schöne Bilder und auch der Text gefällt mir sehr gut. Hat sich gut gelesen, "kurzweilig".
Daher ein dickes Danke für diesen Artikel in der mittlerweile ruhigen Blogecke. Ich weiß davon kannst du dir nichts kaufen.
Mir gefiel der Wagen, rein von der Optik auch immer, wie auch sein Vorgänger der M-21.
03.10.2019 19:30 |
hamstol
Auf diesem "Schiff" durfte ich damals meinen Führerschein machen. OMG! Diese Ausmaße und dann noch ein
defektes Getriebe, es kratzte immer beim runterschalten (vielleicht trennte die Kupplung auch nicht richtig).
Mir stand der Schweiß auf der Stirn, aber ich hab den Schein mit Bravour bestanden. Als gerade 18-Gewordener
und automobil Unerfahrener hat mich dieses Fahrzeug aber sehr beeindruckt. Der fährt sich einfach extrem lässig.
Sehr amerikanisch. Viel Hubraum wenig Leistung- ein "Gummimotor" . Schalten brauch man da zum Glück nicht
so häufig, man kann fast alles im 4ten Gang erledigen. Der hatte auch einen Gasumbau,konnte aber auch mit
Benzin fahren.
03.10.2019 20:25 |
UHU1979
@rpalmer Ich freue mich über deine Rückmeldung. Einen Artikel schreibe ich nur, wenn das Thema mich interessiert und ich Zeit habe.
@Schelle1 Danke für deine Erfahrungen. Beim Drehmoment habe ich ja bewusst "verhältnismäßig" geschrieben. Der zeitgenössische Mercedes-Motor M 115 V 23 hat nach mir vorliegenden Angaben auch nur 160 Nm. Mein im Text erwähnter Opel Vectra A 1.8 i hatte sogar nur 145 Nm. Mit heutigen aufgeladenen Motoren und auch ggf. heutigen Ansprüchen ist das nicht zu vergleichen.
Verbrauchsangaben sind ebenfalls immer abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen, sodass ich nur den bei mir gehabten Verbrauch erwähnen kann. Danke für die Ergänzung deiner Erfahrungen.
04.10.2019 02:19 |
schelle1
Ein Beitrag zum 3.Oktober ?
Auch wenn es unwichtig erscheint, ein Spritverbrauch von 9 oder 10 Litern ist mit dem Wolga einfach nicht möglich. In der damaligen Firma fuhren 100 Wolga, erst M21 später M24. Die Planerfüllung sah strengste Spriteinsparungen vor und wer sich nicht daran hielt, wurde teils wöchentlich zum Parteisekretär vorgeladen und in der Brigade diskutiert. Eifrige Planerfüller schafften auf der Autobahn bei 80 kmh und bergab ausschalten 11,5 Liter. Wenige kippten heimlich, von Busfahrern an der Betriebs-Tankstelle übrig gelassenen Heiz-Diesel mit rein, etwa 5 Liter auf eine Tankfüllung. Bei der monatlichen Abrechnung bekamen diese Genossen die Ehrennadel der Nationalen Front. Das Betriebsklima bei den damaligen Taxifahrern ist mir nicht bekannt. Mit dem eigenen Wolga bin ich Gasoline oder Katalyt für 30 Pfennige/Ltr. gefahren, da konnte man sich den hohen Verbrauch gerade noch so leisten. Im Winter hatte ich da im Stadtverkehr sogar um die 16 Liter.
04.10.2019 11:28 |
Erwachsener
Bei diesen niedrig verdichteten Motoren konntste noch fast alles reinkippen. Heißt heutzutage Vielstoffmotor und ist teures High-tech.
04.10.2019 11:31 |
Goify
Kann man nicht katlose Vergasermotoren extrem mager einstellen?
04.10.2019 15:39 |
Bayernlover
Ich war 2017 in Georgien und wir hatten dort einen Fahrer, der uns einen ganzen Tag in so einem Auto herumchauffiert hat. Mehr Ostblock-Feeling ging einfach nicht
04.10.2019 16:54 |
158PY
schönes Auto! Ich bin zu meinen Russlandzeiten, so vor 10-15 Jahren, als ich beruflich noch viel dort zu tun hatte, öfters damit als Taxi gefahren. Das waren schon die neueren Varianten mit den runderen Ecken...
Kostete 8-10.000,-$, so ein Wagen, aber man merkte im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums schon sehr deutlich, wie sehr das Design in die Jahre gekommen war. Vor 3 Wochen war ich in Novokusnezk im dortigen Automuseum und habe mir einen Wolga aus den 50er Jahren angeschaut, der war in einem ähnlich guten Zustand. Und natürlich den ZIL mit seinen Reifen, die einen Lastindex von 112 oder 114 haben, was bei 4 Tonnen Gesamtgewicht auch notwendig sein dürfte. Hat schließlich auch nur 4 Räder das Ding...
04.10.2019 20:06 |
bronx.1965
Der M 24 war im Ostteil Berlins damals das Standart-Taxi. Daneben gab es noch den Lada als 2101er Variante, selten Wartburgs und noch seltener den Moskvitsch als 412 oder 2140.
Anfangs der 80er Jahre drosselte der 'große Bruder' UdSSR seine Benzinlieferungen in die DDR drastisch und setzte neue Preise fest. Man brauchte Valuta und verkaufte das Erdöl lieber in größeren Mengen in westliche Länder.
Die DDR-Oberen reagierten darauf und setzten fortan auf Gas-Umbauten und andere Maßnahmen um den kostbaren Sprit anders aufteilen zu können. Ca 80% der M 24 Taxen des VEB-Taxi in Ostberlin (im Bild ein M 24-10 der 2. Serie, ab 1985) wurden fortan auf Erdgas-Betrieb umgerüstet. Diese waren von außen kenntlich durch eine rote Plakette neben der Lizenz-Nummer in der Heckscheibe. Der Erdgastank befand sich im Kofferraum, zwischen den Radkästen unmittelbar hinter der Rücksitzbank. Den ohnehin riesigen Kofferraum des M 24 schränkte er nur unwesentlich ein.
Ab 1985 wurden zudem die Botax-80 Taxameter (nein, nicht Botox!)
eingeführt um die zahlreichen Manipulationen bei der Fahrpreiserhebung in den Griff zu bekommen. Taxen waren knapp in Ostberlin und die Leute zahlten erstaunliche Preise, froh, überhaupt ein Taxi zu bekommen.
Was wenig bekannt ist: die VEB-eigenen Taxen tankten ihren Kraftstoff steuerfrei (0,75 Pfennig/L) die privat in der Genossenschaft (Zwangs-)Organisierten Taxler mußten 1,50 M/L bezahlen. Protektionismus gab es eben auch schon damals.
Die Abrechnung ohne Taxameter verlief folgendermaßen: Kilometerstand ablesen bei Ein- und Ausstieg des Fahrgastes, Kilometerzahl dann innerorts mit 65 Pfennig multiplizieren, außerorts mit 70 Pfennig, + Extragepäck und Nachtzuschläge, zzgl. zehn Pfennig "Wolga-Aufschlag". Ja, auch den gab es!
04.10.2019 20:09 |
ToledoDriver82
Bronx,unser Mann vom Fach
04.10.2019 20:13 |
bronx.1965
@Toledo: ich hatte 2 ehemalige Taxler in der Verwandschaft. Der Vater meines Schwagers und der Bruder meiner Mom.
04.10.2019 20:17 |
UHU1979
Danke für die interessante Geschichte *Daumen hoch*
04.10.2019 20:18 |
ToledoDriver82
Ich weiß,hattest du mal erzählt und als ich Wolga und Gas gelesen hatte,musste ich gleich daran denken
04.10.2019 20:28 |
bronx.1965
@UHU: gern! Ich hatte beim lesen dieses schönen Artikels wieder Erinnerungen der guten Art!
Dafür einen Daumen!
08.10.2019 15:03 |
Rapido42Camper
Nichts für ungut, wir lebten zwar hinter dem Zaun aber nicht hinter dem Mond.
Und ja - UKW Sender und Radios gab es auch im Ostblock.
06.11.2019 09:37 |
VentusGL
Ein toller Artikel, danke. Dieser Wolga als Taxi war 1992 mein erstes Modellauto, daher auch für mich von besonderer Bedeutung.
06.11.2019 18:13 |
Manitoba Star
Guten Morgen an alle !
Ich habe noch einen Wolga als russischen Polizeiwagen (d. h. in Orange) im Maßstab 1:43 als Modellauto zu verkaufen. 1994 in Russland gekauft, mit Faltschachtel-Originalverpackung, nur zum photographen ausgepackt, nie benutzt. 11 cm lang und 140 g schwer. Steht auch bei ebay-Kleinanzeigen drin, ich bin da der Hans.
Bei Interesse gerne PN, bin allerdings noch bis Sonntag am anderen Ende der Welt.
07.11.2019 09:03 |
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Kommentiert auf: MOTOR-TALK:
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07.11.2019 11:19 |
hanswurst19
Tolles Auto, mein Vater hatte so einen. Ich fuhr den Vorgänger M21 Bj. 69 bis 1989.
07.11.2019 21:41 |
UHU1979
Meine Tante und Okel hatten einen M21 sowie einen ausgeschlachteten Ersatzteilspender. Als Kind fand ich es cool, in der alten Karosse zu spielen.
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