Kia Stinger (2017): Fahrbericht von der Nordschleife

Dieser Kia sticht auch auf dem Ring

Heiko Dilk

verfasst am Mon Jun 19 01:00:21 CEST 2017

Im 4. Quartal startet der Kia Stinger hierzulande endlich in den Markt. Wir waren mit dem fast fertigen GT auf der Nordschleife - leider noch ohne Sport-Plus-Modus.

Kia Stinger (2017): Kurz vor der finalen Abstimmung durften wir den Kia Stinger auf der Nordschleife des Nürburgrings Probe fahren
Quelle: Kia

Nürburg – Eine „große Motivation“ nennt Albert Biermann den Stinger. Er blinzelt unter der Schirmmütze in die Eifel-Sonne und macht einen sehr zufriedenen Eindruck. Bevor er bei Hyundai und Kia unterschrieb, hatte er den Stinger schon als Tonmodell gesehen. Das machte die Unterschrift für den Entwickler nach 30 Jahren bei BMW und der M GmbH noch leichter.

Jetzt ist Mitte Juni und seine erste wirklich große Arbeit bei Kia fast auf Serienstand. Ein paar Details fehlen noch, aber im Grunde steht fest, wie der Stinger auf die Straße kommen wird. Im 4. Quartal soll es soweit sein. Einstweilen reihen sich sechs dieser fast fertigen Exemplare in zwei Gruppen auf. Rechts vom kleinen Konvoi: leere Tribünen. Links, hinter der Leitplanke: die Nordschleife.

Kia stimmt den Stinger GT gutmütig ab, aber nicht langweilig
Quelle: Kia

Kia Stinger GT 2017: Allradantrieb und 370 PS

Druck auf den Startknopf, es macht „pling“ und eine orangefarbene Warnleuchte geht an. Reifendruck zu niedrig. Das wird sich demnächst geben. Die 20,8 Kilometer Asphalt – und ein paar Meter Beton – der großartigsten Rennstrecke der Welt sind trocken, warm und griffig. Der Stinger ist darauf vorbereitet.

Die rechte Hand geht zum Drehrad in der Mittelkonsole. Drive Mode steht darüber, eine Drehung nach rechts legt „Sport“ ein. Das muss fürs erste genügen. Zwar leuchtet einen Klick weiter „Sport+“ im Display auf, doch der Modus ist noch nicht aktiv. Es fehlt noch am vollständigen Softwarepaket für alle Fahrmodi. Dazu später mehr.

Der Instruktor zieht zügig das Tempo an. Der 3,3-Liter-V6 im Stinger geht kräftig vorwärts. 370 PS mobilisiert der Twinturbo, und 510 Newtonmeter Drehmoment. Tempo 100 erreicht er mit Launch Control in 4,9 Sekunden. Eine Achtgang-Automatik verteilt die Kraft an alle vier Räder. Jawohl, wir sitzen im Stinger GT AWD – fürs erste die einzige Version des GT, die Kia in Deutschland anbietet. Hinterradantrieb gibt es nur für die kleinen Motoren, den 2,0-Liter-Benziner mit 255 PS und den 2,2-Liter-Diesel mit 200 PS.

Zwei Fahrwerkseinstellungen und zwei Abstimmungen für die Lenkung sollen reichen, fünf Fahrmodi gibt es trotzdem
Quelle: Kia

Adaptives Fahrwerk im Stinger GT

Man merkt das. Der Stinger bewegt sich wie ein typischer Allradler – auf der Nordschleife schafft das Vertrauen. Kia stimmt ihn gutmütig ab, aber nicht langweilig. Solange die Michelin kleben, fällt es schwer, hinten Schlupf zu erzeugen. Man muss ihn provozieren. Das kann man auch, und hat Spaß dabei, nicht die Hosen voll. Provokantes Einlenken und Lupfen in einer schnellen Kurve lässt das Heck schön berechenbar ausschwenken. Gut dosiertes Gas zieht es wieder in die Spur.

Er federt nicht knüppelhart, sondern lässt geringe Wankbewegungen zu. Nachvollziehbar und natürlich fühlt sich das an. In manchen Situationen wirkt der Stinger fast weich, nimmt Wellen und Curbs aber gut kontrolliert. Das Fahrwerk ist voll adaptiv und passt die Dämpfer individuell der Fahrsituation an. Im Sport-Modus wird weniger maximaler Federweg zugelassen als im Comfort-Modus, aber es dringen mehr Vibrationen durch. Fürs Gefühl.

Davon bietet auch die Lenkung ausreichend. Sie wirkt etwas zu leichtgängig. Man tendiert dazu, zu stark einzulenken. Das lässt die Vorderräder früher wimmern als nötig. Trotzdem: Zum Untersteuern neigt der Stinger nicht. Schön neutral geht er durch die Kurve, wer mag, kann ihn auch tief hineinbremsen. Die Vorderachse hakt sich prima ein, das Heck dreht gut mit.

Albert Biermann (Mitte) legt Wert auf die Feststellung, dass der Stinger ein Gran Turismo sein soll. Eine schärfere Version für später schließt er nicht aus
Quelle: Kia

Sport-Plus mit heckbetontem Allradantrieb

Richtige Drifts lässt der Stinger nicht zu. Dabei können bis zu 100 Prozent des Moments an die Hinterachse geschickt werden. Macht Kia aber nicht. Jedenfalls nicht, wenn hinten die Haftung ausgeht. Laut Biermann wird das im Sport-Plus-Modus so bleiben. Ein „Drift-Modus“, wie wir ihn aus dem Mercedes-AMG E 63 S kennen oder wie er im BMW M5 kommen wird, soll es nicht geben.

Auch so kommt der Stinger auf fünf Modi. Eco, Normal, Sport, Sport+ und zumindest in den USA und anderen Ländern soll es noch einen konfigurierbaren „Custom“-Modus geben. Für Fahrwerk, Lenkung und die Schaltstrategie wird es beim fertigen Stinger nur zwei verschiedene Einstellungen geben. Eine komfortbetonte und eine sportliche. Die Kombination macht dann den Modus.

In Sport+ wird der Allradantrieb die Hinterachse stärker favorisieren, verspricht Biermann. Der Schleuderschutz soll sich etwas mehr entspannen. Aktuell ist er dreistufig ausgelegt. Per Knopfdruck lässt sich die Traktionskontrolle deaktivieren, ein langer Druck deaktiviert das ESP komplett. Das will Biermann beibehalten.

Neben der Lenkung könnte auch die Automatik mehr Schärfe vertragen. Sie schaltet zwar schnell genug hoch, aber nicht vor Kurven herunter. Erst beim Kick-down – der übrigens auch gerne vor dem Scheitelpunkt liegen kann – zückt sie den richtigen Gang, um mit viel Schub aus der Kurve zu feuern. Das immerhin geht beeindruckend schnell. Und zum Glück darf man selbst per Wippe schalten.

Die Sport-Plus-Abstimmung soll sich von Sport vor allem durch die Balance des Allradantriebs und die Abstimmung der Regelsysteme unterscheiden
Quelle: Kia

20.000 Kilometer auf der Nordschleife

Biermann betont, dass der Kia Stinger GT kein Rennwagen sein soll, sondern ein Gran Turismo. Daher die leichtgängige Lenkung und das laxe Schaltprogramm. Eine straffere Lenkung, sagt er, würde im Alltag eher stören. Die Testkilometer auf der Nordschleife haben dem Stinger trotzdem gutgetan. Doppelt so viele wie üblich hat er abgespult. 20.000 Kilometer oder rund 961 Runden waren es.

Einige davon ist Biermann selbst gefahren. Bei einem Auto wie dem Stinger sei er stark in die Entwicklung eingebunden. Überwiegend in Korea, wo er direkt an der Teststrecke arbeitet. Während der Nordschleifentests kommt er gelegentlich vorbei. „Ich fahre immer nur eine Runde, dann weiß man ja, was mit dem Auto los ist“, sagt er.

Biermann lässt durchblicken, dass mit den drei Antriebsvarianten des Stinger GT noch nicht alles erledigt sein könnte. In den USA und in Großbritannien fährt der GT mit Hinterradantrieb. Bei entsprechender Nachfrage könnte die RWD-Version auch nach Deutschland kommen. Und eine noch schärfere Version wäre ebenfalls vorstellbar. Biermann sagt auf Nachfrage: "Jetzt sind wir erstmal froh, dass wir den Stinger GT haben." Kann man verstehen. So ein Auto hatte Kia bisher nicht.

Der Kia Stinger GT kommt zunächst nur mit Allradantrieb auf den deutschen Markt
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Als GT treibt den Stinger ein 3,3-Liter-V6 mit 370 PS an
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Zwei Turbos beatmen den Benziner im Stinger GT
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Kia stimmt den Stinger GT gutmütig ab, aber nicht langweilig
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Der Kia Stinger GT lässt mit sich spielen, ein Leistungsübersteuern lässt sich jedoch nur schwer auslösen
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Aktuell fehlt dem Stinger GT zur finalen Abstimmung noch der Sport-Plus-Modus
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Zwei Fahrwerkseinstellungen und zwei Abstimmungen für die Lenkung sollen reichen, fünf Fahrmodi gibt es trotzdem
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Die Sport-Plus-Abstimmung soll sich von Sport vor allem durch die Balance des Allradantriebs und die Abstimmung der Regelsysteme unterscheiden
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Das Fahrwerk des Stinger GT ist voll adaptiv und lässt ein gutes Maß an Wankbewegungen zu
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Auf der Döttinger Höhe erreicht der Kia Stinger fast seine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h
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Albert Biermann (Mitte) legt Wert auf die Feststellung, dass der Stinger ein Gran Turismo sein soll. Eine schärfere Version für später schließt er nicht aus
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MOTOR-TALK-Redakteur Heiko im Stinger GT bei der Ausfahrt auf die Nordschleife
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Der Innenraum des Kia Stinger sieht sportlich aus, die Materialqualität liegt nicht ganz auf Premiumniveau
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Das Lenkrad im Stinger GT liegt gut in der Hand, die Übersetzung ist variabel, für unseren Geschmack könnte sie etwas straffer sein
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370 PS und 510 Newtonmeter Drehmoment schöpft der Stinger GT aus dem 3,3-Liter-Turbo
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Für Kia bedeutet Gran Turismo beim Stinger auch eine große Heckklappe
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Die Leder-Sportsitze im Kia Stinger GT bieten guten Seitenhalt, die Sitzposition liegt angenehm niedrig
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Der Radstand von gut 2,90 Metern schafft Platz für die Passagiere auf der Rückbank
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