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Rolls-Royce Silver Shadow als Art Car - The Spirit of Anarchy

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An diesem 71er-Rolls-Royce ist nur eine Hälfte schön. Die andere scheint ruiniert, die Emily liegt in Ketten. Über ein rollendes Kunstwerk mit Tüv und H-Kennzeichen.

Der Rolls-Royce Silver Shadow steht zur Hälfte verunstaltet im Carwerk in Berlin Der Rolls-Royce Silver Shadow steht zur Hälfte verunstaltet im Carwerk in Berlin Quelle: MOTOR-TALK

Berlin – Ulrich Schober sieht nicht aus wie ein innerlich zerrissener Mensch. Er gibt sich entspannt und freundlich, sein grau meliertes Haar sitzt gut frisiert. Nichts deutet auf eine dunkle Seite hin. Womöglich hat er keine. Er hat aber einen Rolls-Royce ruiniert.

Zumindest werfen ihm das sogenannte Freunde vor, sagt er und kokettiert mit der Dark Side. Sein Silver Shadow sieht schlimm aus. Genauer: dessen rechte Seite. Großflächig überzieht Rost die einst so eleganten Rundungen, schmutzig und mit alten Kennzeichen geflickt steht das Auto vor seinem Schöpfer. An der Heckstoßstange klebt ein alter Reifen, der vordere Kotflügel hat Löcher. Der Scheinwerfer sieht aus wie mit Draht angenäht, der vordere Blinker stammt von einem Trabi. Entsetzlich, denkt der Betrachter. Wenn da nicht die linke Seite wäre. Sie glänzt makellos, mit dick aufgetragenem Lack, poliertem Chrom und einer Top-Form.

Halb und halb: Rolls-Royce Silver Shadow aus dem Carwerk in Berlin Halb und halb: Rolls-Royce Silver Shadow aus dem Carwerk in Berlin Quelle: MOTOR-TALK

Der Silver Shadow wurde mit Absicht verunstaltet

Der Silver Shadow ähnelt dem ambivalenten Schurken aus Batman, Harvey Dent. Als Bezirksstaatsanwalt der große Hoffnungsträger, die Lichtgestalt von Gotham City, wollte er den Moloch aufräumen. Doch er fiel einer Säureattacke zum Opfer. Sein Gesicht verunstaltet, die eine Hälfte verätzt und abstoßend, die andere unversehrt und attraktiv. Traumatisiert und seelisch schwer gestört, macht er als bipolarer Widersacher „Two-Face“ Batman das Leben schwer.

Schobers Rolls provoziert, manchen regt er sogar auf. Das geht vielen bei der Fettecke von Joseph Beuys oder dem Urinal von Marcel Duchamps nicht anders. Kunst muss eben manchmal stören. „Die Ausgangsbasis für das Auto war top. Zustand 2 minus vielleicht“, sagt Schober. Trotzdem ähnelt nicht mal die gute Seite mehr dem 71er Silver Shadow, den er im Sommer 2015 kaufte.

„Die Basis war weiß und hatte schwarze Ledersitze“, erzählt Schober. Aber weiß? Das roch ihm zu sehr nach Eheschließung, Girlanden und Blumenbouquets. Schober ließ den Silver Shadow in der naheliegendsten Farbe lackieren: in Silber. Die Ledersitze mussten neu bezogen werden, Schober entschied sich für einen Creme-Ton - und ließ sie auf der Beifahrerseite schrecklich zurichten. Völlig verschmutzt und geflickt sehen sie aus, dabei sind sie völlig in Ordnung. Sonst würden Beifahrer sich ja die Klamotten versauen. Der Fußboden ist übersät mit Kieselsteinen.

Ein Oldtimer-Friedhof zum 50. Geburtstag

Rolls-Royce "TwoFace" aus dem Carwerk in Berlin Rolls-Royce "TwoFace" aus dem Carwerk in Berlin Quelle: MOTOR-TALK Michael Fröhlich heißt der Mann, der all das umgesetzt hat. Ihm hat Schober den Rolls auch abgekauft. Ihn als „Oldtimer-Händler“ zu bezeichnen wäre untertrieben. Ja, er verkauft Oldtimer, aber Künstler und Autonarr trifft es besser. Ein Beispiel: Im Neandertal opferte Fröhlich im Jahr 2000 insgesamt 50 Oldies von 1950, stellte sie in den Wald und gab sie der der Natur preis. Als Geschenk an sich selbst zum 50. Geburtstag.

Fröhlich lieferte auch die Inspiration für den „Two-Face“-Rolls. Eher unfreiwillig. Sein eigener Silver Shadow fackelte vor rund zehn Jahren um ein Haar im Innenhof ab. Fröhlich rettete das Auto im letzten Moment, doch die Außenhaut war ruiniert. Statt das Auto zu restaurieren, fuhr er mit dem „Brandopfer“ durch Düsseldorf – inklusive verbogener, an die Motorhaube geketteter Emily, der „Spirit of Ecstasy“. Mindestens die Düsseldorfer kennen ihn und das Auto.

Schober kannte es auch und fragte Fröhlich im vergangenen Jahr: ob er Lust hätte, einen Silver Shadow umzubauen? „Ich wusste ja nicht, ob der mich gleich wieder rausschmeißt, wenn ich das vorschlage“, sagt er. Machte er nicht, er „war sofort Feuer und Flamme“. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Ali machte er sich an die Arbeit. Die vor allem eine Bearbeitung war. Sie hämmerten, flexten, nieteten und flickten dem Rolls-Royce am Blech.

Der Tüv-Gutachter war wohl auf dem einen Auge blind - zum Glück, der Rolls-Royce hat sogar ein H-Kennzeichen Der Tüv-Gutachter war wohl auf dem einen Auge blind - zum Glück, der Rolls-Royce hat sogar ein H-Kennzeichen Quelle: MOTOR-TALK

Silver Shadow „ohne festgestellte Mängel“

Von der Projektbesprechung bis zum fertigen Auto dauerte es kein halbes Jahr. Kurz vor Weihnachten 2015 war der Silver Shadow halb und halb.

Der Rolls ist zum Fahren gedacht. Und zum Mitfahren. Ein Parkschein vom 26. Dezember 2015, um 12:58 Uhr ausgestellt am Ku‘Damm, belegt das. Und natürlich der Untersuchungsbericht des Tüv. „Ohne festgestellte Mängel“ steht drauf. „Im Moment hat er leider Elektronik-Probleme“, sagt Schober. Sonst fahre er tadellos.

Unter der hübsch-hässlichen Haube wummert seit mehr als 40 Jahren das originale Herzstück, ein 6,7-Liter-V8. Konkrete Angaben zur Leistung machte Rolls-Royce damals nicht, es hieß nur: „ausreichend“. Im Kfz-Schein stehen 156 kW, also 212 PS. Er wurde irgendwann teilweise silber lackiert. Wie ein Schmuckstück sieht er nicht aus. Nicht mal zur Hälfte. Doch der Silver Shadow hat ein H-Kennzeichen – wobei der Gutachter den Bewertungsspielraum offenbar weit ausgelegt hat. Denn als originalgetreu restauriert geht er kaum durch. Als Kulturgut schon.

Im Vordergrund "TwoFace", hinten rechts Paul Walkers Porsche 911 Turbo Im Vordergrund "TwoFace", hinten rechts Paul Walkers Porsche 911 Turbo Quelle: MOTOR-TALK

Paul Walkers Porsche Turbo im Angebot

Schober nennt den Silver Shadow „Art Car“, er nutzt ihn als Marketing-Instrument für seinen Autohandel der etwas anderen Art, das Carwerk. Man entdeckt das nicht gleich, die Halle liegt versteckt in einem ranzigen Hinterhof in Berlin-Tempelhof. Was in der Halle parkt, sieht gar nicht ranzig aus. „Two-Face“ steht hier inmitten von etwa 40 Traumwagen. Maserati, Ferrari, Lamborghini und vor allem Porsche 911 bietet Schober zur Besichtigung und zum Kauf an. Wenn sich jemand findet, der genug bietet.

Eilig hat der Unternehmer es nicht, die Schätze loszuwerden. Viele davon sind wie guter Wein. Gut gelagert, steigen sie im Wert. Ein Lamborghini Aventador LP 700-4 Pirelli Edition wartet auf Gebote, ein Mercedes 300 SE „Rote-Sau“-Umbau, oder ein Porsche 911 Carrera S 50 Jahre. Der knallrote 87er Porsche 911 Turbo, den Schober vor einiger Zeit auf mobile.de ersteigerte, steht im Moment nicht in der Halle. Er stellt ihn gerade auf der Retro Classcis in Stuttgart aus. Der 930 gehörte dem tödlich verunglückten Fast-and-Furious-Schauspieler Paul Walker.

Weitere "Art-Cars" sind in Planung. Als nächstes soll ein Daimler Double Six geopfert werden. Der wird entkernt, mit Bauschaum übergossen und silber lackiert. Da dürfen sich nach den Rolls-Royce-Fans dann die Jaguar-Freunde aufregen. Vermutlich hat Schober doch eine dunkle Seite.

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