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Qualitätsprobleme in den USA - Studie: Mehr Rückrufe als Neuzulassungen

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In den USA überflügeln die Rückrufe die Neuzulassungen, zumindest bei manchen Autoherstellern. Auf dem ersten Platz der neuen Studie landete BMW.

Die vielen Rückrufen in der Automobilindustrie sind teilweise hausgemacht Die vielen Rückrufen in der Automobilindustrie sind teilweise hausgemacht Quelle: dpa / Picture Alliance

Hannover/Bergisch Gladbach - Die Automobilindustrie kämpft mit Qualitätsproblemen. Zumindest in den USA. Laut einer Studie mussten die Autoriesen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten im ersten Halbjahr 2013 im Schnitt mehr Wagen wegen Sicherheitsmängeln zurückrufen, als sie im gleichen Zeitraum verkauft haben.

Die Rückrufquote aller Hersteller lag bei 142 Prozent. Das heißt, die Autobauer mussten 42 Prozent mehr Fahrzeuge in die Werkstätten holen als sie Neufahrzeuge verkauft haben. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoexperten der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach in einer am Mittwoch vorgelegten Studie.

US-Markt als Referenz

Am schlimmsten erwischte es BMW, Chrysler und Hyundai/Kia. Gemeinsam mussten sie in den ersten sechs Monaten 2013 rund dreimal so viele Fahrzeuge zurückrufen wie sie Neuwagen absetzten. Die Untersuchung berücksichtigte nur Pflichtrückrufe der US-Behörde NHTSA, bei denen es um riskante Defekte oder um verfehlte Sicherheitsstandards geht. Die Branchenexperten betrachten den US-Markt wegen seiner großen Absatzbedeutung, der scharfen Sicherheitsrichtlinien und des hohen Klagerisikos als Referenzregion für ein aussagekräftiges Gesamtbild.

Den Großteil der sicherheitsrelevanten Produktmängel machten im US-Markt des ersten Halbjahres Probleme mit Insassenschutzeinrichtungen (38 Prozent) und elektrischen Baugruppen (29,5 Prozent) aus. 27 Prozent der Mängel lagen im Motorbereich, die restlichen Fälle verteilen sich auf andere Baugruppen wie Brems- und Lenkanlage sowie Fahrwerk und Karosserie.

BMW belegt Platz eins

BMW belegt bei der Rückruf-Studie den ersten Platz BMW belegt bei der Rückruf-Studie den ersten Platz Quelle: dpa / Picture Alliance Negativer Spitzenreiter der Studie ist der Münchner Premiumhersteller BMW mit einer Rückrufquote von 334 Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet dies deutlich mehr als 500.000 zurückgerufene Pkw. Bei den betroffenen BMW verschiedener Baureihen und Jahrgänge dominierten Probleme mit der Spannungsversorgung und dem Airbag. Die Analyse betont, die Werte der Münchner seien keine Momentaufnahme: «Insgesamt ist auffällig, dass bei BMW die Negativserie von hohen sicherheitsrelevanten Mängelquoten auch im vierten Jahr in Folge nicht abzureißen scheint.»

Aus den Zeitreihen der Untersuchung geht hervor, dass BMW von 2006 bis 2009 gute Werte aufwies, seit 2010 aber mit einem sprunghaften Anstieg der Rückrufe kämpft. Bei Volkswagen (inklusive der Tochter

Audi) und bei Daimler ist der Trend dagegen umgekehrt, also positiv.

BMW widersprach der Darstellung. «Die Qualität unserer Autos ist so gut wie nie zuvor», sagte ein Sprecher. Andere Studien stützen dieses Bild. Bei den erwähnten Fällen in den USA sei freiwillig eine Steckverbindung am Stromverteiler getauscht worden. «Dass derartige freiwillige Maßnahmen sich bei volumenstarken Fahrzeugen über den gesamten Lebenszyklus in den Statistiken niederschlagen und ein verzerrtes Bild vermitteln, ist uns bewusst, im Vordergrund steht bei BMW jedoch ein zufriedener Kunde», sagte der Sprecher.

Zu viele gleiche Teile als eine Ursache

Als Ursache für die vielen Mängel nennt Studienleiter Professor Stefan Bratzel drei Kategorien: Zum einen verkürzten sich im wachsenden Wettbewerbsdruck die Zyklen der neuen Baureihen. Das erhöhe das Entwicklungstempo. Gleichzeitig wachse die Bedeutung der Zulieferer, deren Wertschöpfungsanteil inzwischen bei 75 Prozent liege. Lokale und globale Lieferanten im Qualitätsmanagement zu verzahnen und Sparvorgaben zu justieren, sei ein heikles Feld. Zudem sei der Trend zu immer mehr gleichen Teilen in unterschiedlichen Fahrzeugtypen Fluch und Segen zugleich. Denn diese Strategie spare zwar, erhöhe aber auch die Verwundbarkeit.

Bratzel kommt zu dem Schluss, dass Qualität vor Quantität gehen müsse. Statt auf Absatzrekorde zu schielen, müssten die Konzerne auch nach innen wachsen. «Hochwertige Qualitätsmanagementsysteme werden zu einem zunehmend wichtigen Erfolgsfaktor von globalen Automobilherstellern», erklärte er. Für nachhaltigen Erfolg müsse «die Produktqualität über Wachstumsziele der Unternehmen gestellt werden».

Auch wenn die Macher der Studie die US-Angaben für aussagekräftig halten, zeigen sie nur einen Ausschnitt. Das betonen die Fachleute auch am Beispiel des VW-Konzerns, der in den USA glänzt: «Jenseits des US-Marktes ist jedoch auch der stark wachsende Volkswagen-Konzern derzeit nicht frei von Qualitätsmängeln, was die Rückrufaktionen rund um das Doppelkupplungsgetriebe unter anderem im wichtigen chinesischen Markt zeigen.»

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