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Live-Traffic-Dienste für Navigationssysteme - Mit Echtzeitinfos schneller durch den Stau

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Moderne Navis wissen, wo es sich staut, dank Live-Traffic. Die dazu nötigen Informationen stammen hauptsächlich von vier Anbietern. Wir sagen Euch, was dahinter steckt.

Navigationsgeräte mit Live-Traffic-Diensten können Staus schneller erkennen und dem Fahrer Ausweichmöglichkeiten vorschlagen Navigationsgeräte mit Live-Traffic-Diensten können Staus schneller erkennen und dem Fahrer Ausweichmöglichkeiten vorschlagen Quelle: picture alliance / dpa

Berlin – Im vergangenen Jahr staute es sich in Deutschland auf insgesamt fast einer Million Kilometer. Das ist laut ADAC ein neuer Rekord und entspricht rund 285.000 Stunden oder auch 32 Jahren Stillstand. Erleichterung versprechen Verkehrslagedienste, die in Echtzeit darüber informieren, wo es sich staut.

Für die Stauprognose werden verschiedenste Verkehrsdaten gesammelt, verarbeitet und drahtlos an Smartphone und Navi geschickt Für die Stauprognose werden verschiedenste Verkehrsdaten gesammelt, verarbeitet und drahtlos an Smartphone und Navi geschickt Quelle: picture alliance / dpa In Deutschland gibt es im Wesentlichen vier Anbieter, die in Echtzeit Informationen liefern. Das sind Inrix, Tomtom, Google und Here, das derzeit noch zu Nokia gehört. Alle nutzen eine Kombination verschiedener Datenquellen, wobei die wichtigsten Infos von den jeweiligen fest verbauten oder portablen Navigationsgeräten der Hersteller oder von Smartphones kommen.

"Die modernen Systeme sind internetbasiert und legen als Overlay die Verkehrssituation auf die jeweilige Navigationskarte", sagt Johannes Weicksel vom IT-Verband Bitkom. Anders als bei länger bestehenden Systemen wie TMC (Traffic Message Channel), wo die Informationen von der Polizei, Kontaktschleifen in der Fahrbahn oder Staumeldern stammen, werden die Daten nicht per UKW-Radio verteilt. "Die Idee ist, verschiedene Quellen zu nutzen und diese um die Rückmeldung von Endgeräten der Nutzer zu ergänzen", sagt Weicksel. Tomtom, Inrix und Here verwenden für ihre Live-Dienste zusätzlich Tracking-Daten von Fahrzeugflotten. Andreas Erwig, Traffic-Experte bei Tomtom, sagt, dass inzwischen nur noch GPS-Daten verwendet würden.

Ein Algorithmus berechnet die Verkehrslage

In die Autos oder auf die mobilen Endgeräte kommen die Daten dann meist über das Mobilfunknetz. Wobei "live" streng genommen eine Übertreibung ist, sagt Erwig. "Eine 1-zu-1-Abbildung des Verkehrs kann es nicht geben, die Latenzzeit bei uns beträgt etwa zwei Minuten." Dabei werden die Daten auf den Tomtom-Servern alle 30 Sekunden aktualisiert. Um einen guten Kompromiss zwischen Aktualität und Datenverbrauch zu finden, habe man aber für das Update beim Endnutzer ein größeres Intervall gewählt.

Moderne Navigationssysteme arbeiten mit Echtzeitinformationen - das spart im Idealfall viel Zeit Moderne Navigationssysteme arbeiten mit Echtzeitinformationen - das spart im Idealfall viel Zeit Quelle: Tomtom

Was der Nutzer dann als rot (Stau) und grün (freie Fahrt) auf seiner Karte sieht, ermittelt ein Algorithmus. Bei Tomtom basiert die Berechnung auf der "nächtlichen Freiflussgeschwindigkeit", erklärt Erwig. Das sei das Tempo, mit dem der Verkehr nachts unter normalen Umständen an einer bestimmten Stelle fließt. Liegt die ermittelte Geschwindigkeit 30 Prozent darunter, könne man von einem Stau ausgehen. Basierend auf dem errechneten Zeitverlust schlägt das Navi dann eine Ausweichroute vor - wenn es sich lohnt.

"Man muss, wenn man sich für Live-Traffic-Dienste interessiert, berücksichtigen, dass es ohne Datenverbindung nicht funktioniert", gibt Hans-Christian Dirscherl von der Zeitschrift "PC Welt" zu bedenken. Insofern gilt auch für in den Autos fest eingebaute Navis, dass sie eine SIM-Karte mit Datenvertrag benötigen. „Es gibt da verschiedene Ansätze, bei denen entweder die SIM-Karte im Auto verbaut ist, oder die Daten werden über das eigene Smartphone bezogen“, sagt Dirscherl.

Auf Datenverbrauch und Roaming-Gebühren achten

Praktischer sind laut Dirscherl die Inklusivlösungen der Autohersteller, aber man muss sie extra bezahlen. „In den ersten Jahren ist das oft kostenlos, aber früher oder später muss man ein Abo abschließen.“ Wer die Live-Daten hingegen über das eigene Smartphone bezieht, sollte den Datenverbrauch im Auge behalten. „Im Ausland kommen außerdem noch Roaming-Kosten hinzu, wenn man die Datenverbindung dort nutzt. Bei einer zweiwöchigen Urlaubsreise kann das ganz schön teuer werden“, sagt der „PC Welt“-Autoexperte.

Die Navi-App von Here funktioniert auch offline Die Navi-App von Here funktioniert auch offline Quelle: Here Berlin

Laut Andreas Erwig von Tomtom arbeiten viele Autohersteller mit Mobilfunkanbietern zusammen. „Die verbauen dann meist SIM-Karten, bei denen europäisches Roaming inklusive ist“, sagt er. Je nach Vertrag und Hersteller sind die Kosten für zwei bis drei, in manchen Fällen aber auch für fünf bis sieben Jahre inklusive. Gerade bei den Oberklasse-Herstellern ist das ganze Konnektivitätspaket aber kein billiges Vergnügen, wie Dirscherl weiß. „In Verbindung mit den Navigationssystemen wird man da bei Mercedes, BMW, Audi - und übrigens auch bei VW - leicht an die 3.000 Euro oder mehr los.“

Google Maps ist in der Stadt gut, auf dem Land weniger

Portable Geräte sind da deutlich günstiger, funktionieren ansonsten aber ähnlich. Auch hier gibt es Geräte mit fest verbauten SIM-Karten oder solche, die die Anbindung über das Smartphone nutzen. Hier besteht die Möglichkeit, Abonnements abzuschließen. Insbesondere in hochpreisigen Geräten um die 300 Euro ist der Live-Traffic-Dienst aber auch lebenslang verfügbar. Noch günstiger kommt man per Google Maps an Echtzeitdaten zur Verkehrslage. „Wer ein Smartphone mit Android-Betriebssystem hat, hat Google Maps Navigation schon vorinstalliert“, sagt Dirscherl.

Die Verkehrslagedaten von Google seien zumindest in Ballungsgebieten oder für Autobahnen ziemlich genau, sagt Dirscherl, und daher für die meisten Autofahrer völlig ausreichend. „Auf dem Land, wo es eher mau aussieht, gibt es ja auch kaum Verkehrsbehinderungen.“ Großer Vorteil: Der Dienst ist kostenlos. Allerdings steht das Kartenmaterial nicht offline zur Verfügung, was bedeutet, dass beim Navigieren relativ große Datenmengen übertragen werden müssen. Und man übermittelt seine Positionsdaten an Google, die immerhin anonymisiert sein sollen.

Was passiert mit den Positionsdaten?

Ähnlich gut wie Google Maps funktioniert laut Dirscherl übrigens der ebenfalls kostenlose und weniger bekannte Dienst Here. Ein wenig Vertrauen muss man allerdings in jedem Fall mitbringen, schließlich lassen sich ohne Positionsdaten keine Aussagen über die Verkehrslage treffen.

Dirscherl und Weicksel gehen immerhin davon aus, dass die Daten zumindest bei den etablierten Anbietern sicher sind. „Bei Navi-Apps auf Smartphones ist es von den Anbietern abhängig, welche Daten erhoben werden, bei den namhaften Navigationsherstellern aber kann man sich meist sicher sein, dass mit den Daten kein Missbrauch betrieben wird“, sagt Bitkom-Mann Weicksel.

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