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Serie: Deutsche Rennstrecken - Norisring - Harte Bremspunkte vor der Steintribüne

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Deutsche Rennstrecken sind asphaltierte Geschichte – von Tragödien und Triumphen, echtem Leben und Tod. Wir stellen Euch fünf Strecken vor. Heute: Norisring.

Der Norisring während des DTM-Laufs 2014 Der Norisring während des DTM-Laufs 2014 Quelle: Daimler

Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze

Nürnberg – Was ist das Besondere am Norisring? Ist es seine bewegende Geschichte? Sind es die Menschenmassen auf der Steintribüne des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes? Oder ist es der spezielle Charakter eines Stadtkurses? Die Antwort: Es ist die Mischung aus all diesen Besonderheiten, die die Rennstrecke am Dutzenteich so einzigartig macht.

Die Fakten:

  • 2,3 Kilometer ist der Norisring lang
  • 4 Kurven
  • 18. Mai 1947: Erstes Motorradrennen, ab 1948 auch Autorennen
  • Höhepunkt heute: DTM-Lauf über 83 Runden (2015 geplant: 26.-28. Juni)

Auf dem Nürnberger Stadtkurs 1977 beim Lauf zur Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM) folgt ein krasser Rempler dem anderen. Keiner der Piloten will nachgeben. Gut möglich, dass es vor allem am Layout des Kurses liegt: lange Geraden, enge Kehren, extreme Bremspunkte. Noch heute schwärmt Ex-Formel 1-Pilot Marc Surer: „Der Norisring ist mit vier Kurven eine sehr einfache Strecke. Aber auch eine fantastische Piste für Spätbremser, da kann man Zeit gutmachen!“

Die DTM ist die prominenteste Rennserie am Norisring Die DTM ist die prominenteste Rennserie am Norisring Quelle: Motorsport Club Nuernberg e.V. im ADAC und Tim Upietz

Da gehen auch entspannten Fahrern die Nerven durch

Wer Marc Surer persönlich kennt, weiß: Marc ist ein ruhiger Typ, cool und zurückhaltend – genau so, wie er als Formel-1-Kommentator am Bildschirm rüberkommt. Doch bei der DRM 1977 am Vollgas-/Brems-Kurs Norisring zeigt er im BMW-Junior-Team, dass er auch ganz anders kann.

Der DRM-Lauf 1977 am Norisring wird als „Skandalrennen“ in die bunte Geschichte des Norisrings eingehen: Ford gegen BMW, der etablierte Tourenwagen-Star Hans Heyer (der mit dem unvermeidlichen Tiroler Hut) gegen den aufstrebenden Eidgenossen Surer. Zusätzlich im Brennpunkt: Heyers Teamkollege Armin Hahne und Surers Markenkumpanen Eddie Cheever und Manfred Winkelhock.

Nach heißen Positionskämpfen zwischen allen fünf Piloten liefern sich Hahne und Surer ein besonders hartes Duell. Das Ende vom Lied: Heyer rollt mit geschrottetem Auto durchs Ziel, hält die ramponierte Tür seines Ford Escort mit der Hand fest, und ist der umjubelte tragische Held. Surer ist der Sündenbock und verliert vorübergehend die Rennlizenz.

Surer versteht die Welt nicht mehr. Heute sagt er augenzwinkernd: „Mir, dem Bösewicht, nahm man die Lizenz weg. Dabei hatte ich doch nichts anderes getan als Hahne vorher, oder?“

Alte Steintribünen der ehemaligen Zeppelin-Werft werden mit Gerüst-Tribünen ergänzt Alte Steintribünen der ehemaligen Zeppelin-Werft werden mit Gerüst-Tribünen ergänzt Quelle: BMW

Zuerst reine Motorradrennen

Der Rennbetrieb auf dem Norisring startete 1947 zunächst mit Motorradrennen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend. Denn in Nürnberg entstanden kurz nach dem Krieg massenhaft motorisierte Zweiräder bei den sechs fränkischen Marken Ardie, Hecker, Mars, Triumph, Victoria und Zündapp.

Die Rennstrecke entstand auf dem Zeppelinfeld. Hier beschleicht heute noch viele Menschen ein mulmiges Gefühl, denn Reste alter Größenwahn-Architektur erinnern an die Reichsparteitage, die hier zelebriert wurden. Doch die Propaganda von einst ist längst Rennsport vom Feinsten gewichen, wenn am Dutzenteich hochgezüchtete Motoren den Ton angeben.

1970 feiert das vielleicht legendärste Rennauto aller Zeiten Premiere am Norisring: Der Porsche 917 mit Jürgen Neuhaus am Steuer hinterlässt als Sieger des Laufes zur Interserie von Anfang an einen imposanten Eindruck. Kartensponsor am großen Renntag: das örtliche Versandhaus Quelle aus Fürth.

Die temporäre Strecke in Nürnberg ist nur 2,3 Kilometer lang und bietet 8 Kurven - davon aber gleich zwei Haarnadeln Die temporäre Strecke in Nürnberg ist nur 2,3 Kilometer lang und bietet 8 Kurven - davon aber gleich zwei Haarnadeln Quelle: Daimler

Nach Unfall wurde der Kurs verkleinert

Die Interserie ist schuld daran, dass der Norisring seit 1971 nur noch 2,3 statt bis dahin 3,94 km misst: Damals verunglückt der Mexikaner Pedro Rodriguez mit seinem Ferrari 512M tödlich beim 200-Meilen-Rennen. Vor allem die Hubraummonster der Interserie (der Ferrari schöpft immerhin rund 600 PS aus 5 Liter Hubraum) schossen damals mit unglaublichem Tempo auf die harten Bremspunkte zu. Am Ende eines Highspeed-Teilstücks ("Schlauch") berühren sich zwei Boliden, Rodriguez kommt von der Strecke ab.

Seit dieser Tragödie machen die Fahrer an der Grundig-Kehre einen U-Turn. An den Unfalltod von Pedro Rodriguez erinnert seit 2006 eine Gedenktafel.

Heute ist der Norisring der einzig verbliebene Stadtkurs der DTM und bereichert diese mit seiner ureigenen Atmosphäre. Große Teile der Rennstrecke und die Boxengasse werden extra für das große Tourenwagen-Event und Rahmenrennen wie Porsche-Cup und Formel 3-EM aufgebaut. Der Aufwand lohnt sich, denn mit zuletzt 121.000 Zuschauern am Rennwochenende überflügelt der Nürnberger Kurs andere Strecken wie Hockenheim (75.000) bei Weitem – begeisterte Zaungäste, die die Rennen aus den Fenstern und von den Balkonen der umliegenden Stadtwohnungen verfolgen, nicht mitgerechnet.

Infos zu Strecke, Historie, Events: www.norisring.de

Video zum Skandalrennen 1977:

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