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Motorkultur

From the East Coast to the West Coast: Drivestyle-Report USA Pt.I

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Saisonkennzeichenfahrer leiden im Winter. Die Benchseat der S-Bahn ist einfach nicht dasselbe, der kalte Entzug hat schmerzhafte Schüttelkrämpfe und Zuckungen im rechten Fuß zu Folge und sogar der Nachbarhund grüßt dich als Passant nicht mehr.

Um den Melatonin-Spiegel zu senken und den körpereigenen Oktangehalt zu erhöhen, empfahl mein Hausarzt Dr. Bleifuss Autourlaub in Übersee. Also ab ins Mutterland der gefühlten Beschleunigung, den USA...

...um die Sunshine States Florida und Kalifornien abzuklappern. Die Route 66 liegt zum Glück weit weg von Florida, so dass es nach einer Umrundung des Bundesstaates mit dem Leihwagen braungebrannt via Flieger zur Westküste gehen sollte. Stop-And-Go-Verkehr mit bescheuerten Touristen kann man schließlich auch Zuhause im Serengeti-Park Hodenhagen haben.

Erste Amtshandlung nach der Landung in Tampa war ein Besuch bei Autosammler und Benzinmensch Geoffrey Hacker. Mit einem Mustang oder Charger braucht man Geoffrey gar nicht kommen. Der Doktor der Philosophie sammelt in seiner Garage und in seinem Vorgarten ausschließlich Autos, von denen, wenn es hoch kommt, vielleicht fünf oder sechs gebaut wurden. Schwerpunkt seiner Kollektion sind Fiberglas Kit-Cars, die man sich in den Fünfzigern an einem Nachmittag auf alte Chevy oder Ford-Rahmen laminieren konnte, um im Nu aus einem biederen Blech-Sedan einen rassigen Kunststoff-Racer zu basteln. Geoffreys Haus sticht schon von weitem aus der Armada weiß angemalter, hölzerner Einfamilienhäuser am Memorial Highway hervor: Während die meisten seiner Nachbarn akkurat gemähten Rasen und einen neuen Chevy Suburban vor dem Haus haben, ist Geoffreys Vorgarten komplett zugeparkt. Prioritäten müssen halt gesetzt werden.

Eigentlich weiß man gar nicht recht, wo man anfangen soll. Unter dem Carport steht ein Gougeon, ein Alu-Streamliner von 1939, am Beckenrand des Swimmingpools ein nie vollendetes 1959er LeMans Coupé, dessen Scheibenausschnitte nie aus dem GFK gesägt wurden, und auf der Hebebühne ein Covington El Tiburon Roadster mit Renault-Antrieb, mit dem Geoffrey in den Siebzigern zur Highschool fuhr. Eine Autostunde mit Geoffreys altem U-Haul Truck von Tampa entfernt, geht der automobile Wahnsinn weiter. Auf der Fiberglass Farm stehen noch mehr GFK-Sportler aus den Fünfzigern unter freiem Himmel auf einer Pferdekoppel. Der „Studebaker Stiletto" hinterm Schuppen sieht aus wie ein zu heiß gewaschener Facel Vega, ein weitere El Tiburon Roadster (unnötig zu erwähnen, dass Geoffrey alle drei der je gebauten Tiburons besitzt...) parkt daneben. Im Schuppen hortet Geoffrey Ersatzteile und einen, genau wie das LeMans Coupé, nie fertig ausgesägten Meteor. Macht aber nichts. Einen fertiggestellten Meteor hat Geoffrey direkt gegenüber unter einem Baum stehen. Nach genauerer Betrachtung der 1952 erstmalig vorgestellten Meteors ist einem klar, wo AC Mitte der Sechziger das Design für die Cobra hernahm...

Es fängt an zu dämmern. Die Pferdeweide liegt eine Viertelstunde Sandpiste durch Mangrovenwälder vom Highway entfernt Wir laden die durchgebrochene Karosserie eines Grantham Stardust in den U-Haul und machen uns wieder auf den Weg nach Tampa.

 

 

Quelle: Motoraver Magazin

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