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Classic Driving News

Endlich Porsche - aber welcher?

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KTM-Pressechef Thomas "Ready to Race" Kuttruf ist endlich alt genug für einen Porsche. Aber für welchen? Schließlich bekommt man für den Preis eines 911 alle drei Alternativen zusammen - einen 924, einen 944 und einen 928.

Ein wunderbarer Tag beginnt, wie es besser nicht sein könnte: Mit Sonne, einer satten Dosis Vorfreude auf gleich vier Porsche sowie einem dezenten Powerwheelie, untermalt von frühmorgendlichen, schnellen Bassschlägen der KTM. Sie wird mich souverän zum Treffpunkt tragen, mit knapp 180 PS bei exakt 200 Kilogramm RC8R. Leistung macht glücklich.

Zwei Petrolheads auf Porsche-Jagd

Doch heute geht es nicht um zwei Räder und Schräglage. Die Motor Klassik-Kollegen Götzl und Schröder haben geladen, um meine Evolution auf vier Rädern entscheidend nach vorn zu treiben. Kurzer Blick in den Rückspiegel: Hans-Jörg Götzl liebt Autos - und Motorräder. Man soll den Mann mit der Statur eines Moto GP-Piloten schon im Eiltempo gesichtet haben, verwegen am Hahn seiner Le Mans-Guzzi schraubend, stilsicher von der speckigen Harro Rennpelle behütet.

Thomas Kuttruf liebt Motorräder - und Autos. Zwei Petrolheads also, die auch noch in der glücklichen Lage sind, ihre Spinnereien im Beruf zu leben. Man rennt sich gelegentlich und vornehmlich in einem Fahrerlager über den Weg. Götzl fragt Kuttruf, und Kuttruf fragt Götzl zu allem rund um Blech, Gummi und Sprit. Daher weiß Götzl auch, dass der Zweiradmann tapfer spart und sein Radar auf klassische Sportwagen-Ware aus Stuttgart-Zuffenhausen gerichtet hält. Dann macht Götzl ernst.

Entscheidung um den richtigen Porsche

Er findet gleich vier propere Porsche und überrumpelt Kuttruf mit der Nachricht: "Kutti, es ist so weit. Mach das Sparbuch leer und dich auf die Socken. Habe einen super Porsche 911 aufgetrieben, ein schwarzer Porsche Carrera 3.2, prima Zustand. Fürs gleiche Budget kannst du aber auch drei Porsche Nicht-Elfer nehmen: Als da wären ein viel geschmähter, aber tadelloser Porsche 924 S, ein optisch sehr ansehnlicher Porsche 944 Sauger sowie obenauf ein voll ausgestatteter, scheckheftgepfleger Porsche 928 S4 aus erster Hand. Grüße und bis nächste Woche, Götzl."

Okay, es geht also nicht nur um eine möglichst sinnhaftige Entleerung meines Bankkontos, es geht gleichwohl um nichts Geringeres als die Beantwortung einer schwer wiegenden Frage: Welcher Porsche ist der beste für einen Sportwagen-Einsteiger mit überschaubarem Etat, aber hohen Ansprüchen? Da stehen sie also, akkurat in Position gebracht. Die Ziffer "9" verbindet sie als Mitglieder einer Familie. Doch abgesehen von jener Zahl haben alle vier sehr eigenständige Botschaften. Dem über Jahrzehnte zur unsterblichen Ikone gewachsenen Porsche 911 gebührt völlig zu Recht der Vorsitz und die Rolle des durchtrainierten Musterknaben.

Erste Porsche 911 Testfahrt

Sein bis heute makelloses Siegerlachen übt eine schier grenzenlose Faszination aus. Was sich auch ganz prima auf den Preisschildern der angebotenen Porsche 11er ablesen lässt. Der Boxer-Faktor stellt die restlichen drei Brüder erstmal ziemlich ins Eck. Und auch wenn der Zuschlag für den superschicken Porsche Carrera mit der sehr gesuchten hellen Innenausstattung quasi die Ausschöpfung meines Budgets bis auf den letzten Cent bedeuten würde - auch meine ersten Schritte zielen erst mal auf den legendärsten aller Sportwagen.

Nach einer ehrwürdigen Runde um das so einzigartig proportionierte Auto aus dem Jahr 1989 klettere ich zum ersten Mal überhaupt hinter ein Porsche 911er-Lenkrad. Anstatt ungeduldig anzustarten, genieße ich die Ausstattung des Coupés, sauge Anzeigen, Schalter und Hebel in mich auf. Der Porsche 11er ist selbstbewusst - zu Recht. Und es kommt sogar noch besser, sobald sich der Athlet in Bewegung setzt. Die Kupplung ist noch nicht eingerückt, da verwöhnt der Porsche 11er bereits mit einer für heutige Maßstäbe unglaublichen Leichtigkeit.

Porsche ist mit einem Sportmotorrad vergleichbar

Hundertprozentige Funktionalität gepaart mit einem radikalen Verzicht auf sämtlichen Nippes. Die Philosophie der Stuttgarter Entwicklung ist auch für einen unwissenden Biker glasklar am ganzen Körper zu erleben: Dieser Porsche ist mit dem Ritt auf einem Sportmotorrad vergleichbar. Der Fahrer ist aktiver Bediener und in permanenter Konferenz mit dem Vehikel. Die Synapsen bratzeln, hier werden die Sensoren des Piloten noch mit kräftigen Impulsen bombardiert. Fußsohlen, Kniekehlen, Oberschenkel, Hintern, Schultern und Hände werden permanent vom Data Recording der alten Schule massiert.

Dieses 21 Jahre Auto fährt nicht einfach, es spricht mit dir. Permanent. Und wenn du nicht artig zuhörst, dann wird es dich auch garstig beschimpfen. Verstehen sich Bediener und Maschine blind, so ist das Resultat ein einzigartig ungefiltertes Fahrerlebnis, das 98 Prozent aller hochaktuellen Vertreter des Sportsegments so nicht mal im Ansatz bieten können. Irre, wie der Porsche Boxer mit seinen tapferen 231 PS am Gas hängt, sensationell, wie das Fahrwerk absorbiert, präzisiert und manövriert.

Porsche-Sound reizt ganze Bücher zu schreiben

Hinzu kommt eine Akustik, über die allein es sich lohnen würde, ganze Bücher zu schreiben. Als ich den Carrera ausrollen lasse, fällt es schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Während sich die eine Gehirnhälfte versucht auszumalen, wie intensiv sich eine zornige Nordschleifenrunde in der kleinen schwarzen Zauberkiste anfühlen muss, arbeitet die andere an einer neutralen Bilanz. Fest steht: Der 911er ist nicht umsonst ein Held. Ich bin tief beeindruckt von so viel Kompetenz und Emotion auf vier Rädern. Götzl hat recht. Der Porsche 11er rockt.

Auch der Porsche 924 hat seine Qualitäten

Umsteigen in den Porsche 924 S, Baujahr 1986. Machen wir es kurz - das Image des dunkelblauen Stiefsohns ist nicht gerade der Hit. Nicht, dass man sich in einem Vierzylinder-Porsche schämen müsste, aber in der Eisdielenwertung braucht man sich hier keine Hoffnungen auf einen Spitzenplatz zu machen. Macht aber nichts. Denn in Wahrheit hat auch der Porsche 924 seine Qualitäten. Unaufgeregt, aber präsent metert der immerhin 150 PS starke und 24 Jahre alte Wagen über die Piste.

Bitte nicht vergessen: Ein 2,5 Liter großer Reihenvierer ist verglichen mit den heute üblichen Hubraumzwergen ein Drehmoment-Tier. Dank des Gewichts von gut 1.100 Kilo und der knackigen Schaltbox geht es nicht langweilig dahin. Dennoch - der wahre Reiz beim Porsche 924 liegt im Preis. Für gute 5.000 Euro kann man sich eine Porsche 924-Sahneschnitte an Land ziehen, sich gleichfalls über die einwandfreie Performance des Geräts und die Tatsache freuen, dass die Fahrer mancher italienischen Sportwagen für diese Summe gerade mal einen großen Service bekommen. Ich beschließe, den Porsche 924 in guter Erinnerung zu halten. Aber kaufen - bei dieser Konkurrenz - nein.

Preise für den Porsche 944 klettern munter

Zwei Schritte weiter wartet ein Kandidat, der auch als geheimer Initiator der ganzen Aktion bezeichnet werden kann - hatte doch ein dunkelgrauer 1986er Porsche 944 ohne Kat vor zwölf Jahren den Zündfunken für das Interesse an den Stuttgartern und zugleich einen Familienstreit ausgelöst. Meine Eltern wollten einfach nicht einsehen, dass ein Porsche 944 ein ideales Anfängerfahrzeug ist. Wer indes heute rund zehn große Scheine überreicht, der bekommt dafür jede Menge Technik und ein gefühlsmäßig topmodernes Auto. Sollte es ein Porsche 944er sein, dann empfiehlt es sich, möglichst bald einzusteigen. Es ist kein Geheimnis mehr, wie gut so ein Gerät fährt. Die Preise klettern munter.

Dieser knallrote Porsche 944 von 1985 lockt zudem mit einer Spitzenverpackung. Lack, Telefon-Räder, Dichtungen, Schlösser - alles sieht wie frisch aufgebügelt aus. Nicht ganz so streberhaft wie die Hülle, aber immer noch manierlich, zeigt sich der Innenraum. Doch ins Abseits schießt sich der dank meiner Vorbelastung als Geheimfavorit in das Match gestartete Porsche 944 mit dem Ausstattungsfeature "Automatik". Sorry, aber das geht gar nicht. Der bärige Motor wirkt damit angestrengt und zugeschnürt.

Porsche 944 mit Automatik ist eine Schnarcher-Konfiguration

Was vor allem deshalb ein Desaster ist, weil das Chassis dieses Porsche auch heute eine Sensation ist. Leichtfüßig, präzise und mit überlegener Traktion. Auch mit der doppelten Leistung würde ich mich am Steuer noch sicher fühlen und munter aufs rechte Pedal latschen. Stünde hier ein manuell geschalteter Turbo, so wären die Karten neu gemischt. In dieser Schnarcher-Konfiguration aber gebe ich den Zündschlüssel dankend zurück.

Was mich final erwartet, ist ein wahres Tier. Der Porsche 928 S4 ist keine drahtige Pistensau, sondern nichts anderes als ein langer, breiter und austrainierter Power-Bolide. Und doch kein Proll. Die 1,6-Tonnen-Flunder, Baujahr 1990, ist so eine Art Understatement-Angeber. Beim Hineingleiten in die perfekt konturierten Ledersportsessel wächst die Begeisterung weiter.

Porsche 928 S4 ist ein Sportwagen-Loft

Das ist kein Auto, das ist ein Sportwagen-Loft. Es ist nicht allein der erstklassige Zustand des jüngsten Autos des Porsche Quartetts; das gesamte Ambiente des Porsche 928 S4 ist schlichtweg super. Diese Mischung aus unaufdringlichem Luxus und einer in alle Winkel ausgebreiteten Ingenieurskunst schafft höchste Wohnkultur. Die wunderbar simple, analoge Zeituhr auf der Mittelkonsole ist eine perfekte Provokation für ein Auto, das rundum mit technischen Höchstleistungen und Superlativen vollgestopft ist.

Details wie das ganzheitlich schwenkende Instrumentenbrett oder die mit einem feinen Klappmechanismus versehenen Ablagefächer in den Türen, die wiederum schließen wie ein Panzerschrank, erfreuen. Beim Öffnen und Schließen des Schiebedachs fabriziert der Porsche-Elektromotor ein Geräusch, als würde die Startrampe des Space Shuttles in Position gefahren. Alles nur Details, doch sie beweisen, dass Porsche es mit diesem Auto sehr ernst gemeint hat, und sie ergeben in der Addition ein Gefühl von Perfektionismus.

Porsche 928-Sound kommt nicht an den 11er ran

Jetzt bin ich heiß - wie rennt der Porsche 928? Der Wagen ist aus erster Hand, Tachostand 89.000. Die Akustik ist so, wie man es von einem V8 erwartet: Ein seidig kraftvolles Streichorchester, das im letzten Drittel des Drehzahlbands auf Gitarren-Rock umschwenkt. Der Sound geht nicht so unter die Haut wie beim Porsche 11er, aber es reicht für sinnlichen Genuss und innere Ruhe. Auf der kurzen Testfahrt erweist sich der Porsche 928, wie von seiner Anmutung versprochen, in der Tat als Power-Cruiser. Extrem souverän bei jedem Tempo und, wenn gewünscht, brutal antrittstark und vehement. Bei dieser Performance lasse ich mir auch gern die überraschend flink werkende Automatik verkaufen. Die versprochenen 320 PS liegen gefühlt schon weit vor der Nenndrehzahl an. Volles Ausdrehen ist hier nicht wirklich gefragt.

Ein Blick ins Datenblatt des Porsche klärt auf, weshalb so eine Riesenramme derart marschiert: Mit knapp 1.600 Kilo wiegt der Porsche S4 gerade so viel wie eine aktuelle Mercedes C-Klasse. Gemessen an seiner Konfektionsgröße besteht der 928 auch die Prüfung des Fahrwerks mit großer Lässigkeit. Keine Spur von Öltanker-Feeling. Einen Porsche 928 auf einer Passstraße zu hetzen, kann man sich zwar sparen. Doch es wird immer noch reichen, um Fahrer aktueller Sportler ins Grübeln zu bringen.

Porsche 928 bietet nahezu eingeschränkte Alltagstauglichkeit

Rund 15.000 Euro sind gefragt, wenn es ein guter Porsche 928 sein soll. Eine Summe ähnlichen Ausmaßes schadet sicher nicht als Rückhalt. Dennoch: Wo gibt es ähnlich viel Auto fürs Geld? Hier treffen sich die Zutaten eines verdammt schnellen Autos mit nahezu uneingeschränkter Alltagstauglichkeit. Ich sehe bereits meinen Sohn grinsend in der Sitzschale hinter mir, sein Kinderfahrrad mühelos unter der großen Heckscheibe verstaut. Und das alles kommt nicht von irgendeiner Automarke.

Als Krönung stellt der Porsche 928 die überragende schwäbische Technik-Kompetenz wie bei einem Festbankett zur Schau: Ja, es ist ein Porsche. 911-Fahrer Götzl beunruhigt der starke Auftritt des Achtzylinders. Strauchelt der Motorradmann etwa? Schröder grinst. Auch er hat alle vier Porsche in Gedanken mitgetestet. Doch heute geht es um die Entscheidung des Manns in KTM-Orange. Geldbeutel auf: Die beiden Vierzylinder sind in der Vorrunde ausgeschieden. Für sich betrachtet beide in puncto Preis-Leistung sehr anständige Geräte, fällt der Baby-Porsche allein durch den harten Vergleich durch den Rost.

Entscheidung zwischen Porsche, Porsche, Porsche und Porsche

Der Porsche 944 scheitert ähnlich, nur auf höherem Niveau. Bleibt die finale Entscheidung zwischen Porsche 911 und Porsche 928. Boxer oder V8? Rennauto oder Gran Turismo? Superstar oder ewiges Talent? Volles oder halbes Budget? Sehr geehrte Kollegen - ich wähle den Porsche 928. Der Porsche 11er ist eine Granate, wenn es um Feeling, Vortrieb, Feedback und Rundenzeit geht. Keine Diskussion, der Porsche aller Porsche ist eine begeisternde Fahrmaschine, die auf vier Rädern absolut einzigartig ist und unglaublich gut ausschaut.

Macht unterm Strich eine begehrenswerte Dynamik-Image-Packung, die entsprechend hoch im Kurs steht. Der gewaltige Porsche 928 ist nach reiflicher Überlegung für einen wie mich aber die erste Wahl. Satter Schmalz, Spitzenkomfort, die feine Machart und die nur schwer in Worte zu fassende Haptik, die gleichermaßen anmacht wie beruhigt, sind die Sieg bringenden Argumente. Die gesparten Taler werde ich auf die Seite schaffen sowie in beschwichtigende Geschenke für meine Frau investieren.

Und wenn ich wieder einmal das Verlangen nach einer rasiermesserscharfen Fahrmaschine habe, die mich mit ihrer Fahrdynamik an den Rand der Besinnungslosigkeit peitscht, dann steige ich einfach auf meine KTM.

 

Quelle: Motor Klassik

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