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50 Jahre Schwalbe - Die (ost-)deutsche Vespa feiert Geburtstag

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Zu Ost-Zeiten war sie das Alltagsgefährt von Krankenschwestern und Bäuerinnen, heute ist sie ein superhippes Innenstadtmobil: Die Schwalbe feiert 50. Geburtstag.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, heißt es. 28 Jahre nach Produktionsende erlebt der Roller aber seinen zweiten Frühling Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, heißt es. 28 Jahre nach Produktionsende erlebt der Roller aber seinen zweiten Frühling Quelle: Martin Bienek

Suhl - Es gibt wenig Ost-Güter, die fast 25 Jahre nach der Wende so beliebt und so funktionstüchtig sind wie die Schwalbe. Das DDR-Zweirad, das in den Simson-Werken im südthüringischen Suhl gebaut wurde, ist unverändert begehrt in Ost- und Westdeutschland . Der Produktionsstart vor einem halben Jahrhundert wird an diesem Wochenende in Suhl gebührend gefeiert.

Viele Schwalben sind noch fahrbereit

Tausende Schwalben, aber auch andere Produkte der Suhler Simson-Werke mit Namen wie Star oder Sperber sind heute noch auf den Straßen zu finden. "Sie rollen und rollen, weil sie sich gut reparieren lassen", heißt es bei Fachhändlern in Sachsen-Anhalt wie in Baden-Württemberg. Wie viele Oldtimerschwalben noch fahrbereit sind, kann jedoch weder der Chef des Suhler Fahrzeugmuseums, Joachim Scheibe, noch der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes in Bonn sagen.

Da alle Schwalben vor 1992 gebaut wurden, dürfen sie bis zu 60 km/h schnell fahren Da alle Schwalben vor 1992 gebaut wurden, dürfen sie bis zu 60 km/h schnell fahren Quelle: Martin Bienek

Ersatzteile sind weiterhin gefragt

Der Grund: Die kleinen Gefährte müssen zwar versichert, aber nicht zugelassen werden. Die MZA Meyer-Zweiradtechnik GmbH, die in den 1990er-Jahren die Lizenz an der Marke Simson sowie technische Zeichnungen und Maschinen gekauft hat, geht von einer halben Million fahrbereiten Simson-Zweirädern aus.

"Wir produzieren und verkaufen jährlich so viele Ersatzteile, dass sich damit theoretisch etwa 12.000 Simson-Zweiräder bauen ließen", berichtet Marketingchef Marc Frömberg. Die MZA GmbH, 1993 gegründet, verlegte ihren Hauptsitz im vergangenen Jahr von Vellmar bei Kassel an den Heimatort des Kult-Rollers: nach Suhl. Dort entstanden zwischen 1964 und 1985 rund eine Million des DDR-Klassikers.

50 Mitarbeiter, in der Zweiradsaison seien es 70, produzieren dort Ersatzteile vom Motor bis zur Sitzbank. "Wir verzeichnen stetiges Wachstum", sagt Frömberg. Während Schwalbe und Co. zunächst vor allem im Westen Fans fanden, seien sie inzwischen auch im Osten wieder gefragt. "Die Fahrzeuge haben früher die Eltern gefahren, jetzt ihre Kinder."

Sonderregelung: Mit bis zu 60 km/h unterwegs

Vor allem junge Leute lieben die Roller mit Sitzbank und Spritzschutz. Und das hat einen Grund: Mit seinen bis zu 3,7 PS schafft die Schwalbe stolze 60 Kilometern pro Stunde, während moderne 50-Kubik-Roller nur 45 km/h fahren dürfen. Diese Regelung gilt für Roller, die vor Februar 1992 erstmals fuhren - und damit für alle Schwalben.

Museumsleiter Joachim Scheibe legt Wert darauf: Die Ost-Geschichte der Schwalbe darf nicht vergessen werden Museumsleiter Joachim Scheibe legt Wert darauf: Die Ost-Geschichte der Schwalbe darf nicht vergessen werden Quelle: dpa/Picture Alliance

Geburtstagsfeier in Suhl

Das Geburtstagsfest in Suhl (Süd-Thüringen) organisiert der rührige Chef des Fahrzeugmuseums, Joachim Scheibe. Der ehemalige Chefkonstrukteur bei Simson erwartet mehr als 1.000 Schwalbefahrer mit ihren Gefährten und Vertreter von etwa 50 "Schwalbeclubs" aus ganz Deutschland. Während des Fests können Besitzer ihre Oldtimer fachkundig bewerten lassen.

Er freut sich natürlich über den Schwalbenboom. Es soll aber auch daran erinnert werden, dass die Schwalbe in der DDR eher als "Alltagsgefährt" für Gemeindeschwestern, Bäuerinnen und Abschnittsbevollmächtigte der Polizei (ABV) diente.

Wiederbelebung der Produktion ohne Erfolg

Das Simson-Werk mit zuletzt etwa 3.500 Arbeitnehmern war Anfang der 1990er-Jahre von der Treuhand geschlossen worden. Es folgten mehrere gescheiterte Anläufe, die Zweiradproduktion in Suhl wiederzubeleben. Der Versuch einer baden-württembergischen Firma, eine Elektro-Schwalbe im Retro-Look auf den Markt zu bringen, scheint ebenfalls gescheitert.

Bei der Firma, die in den vergangenen zwei Jahren in Suhl einzelne Prototypen auf die Beine stellte, geht derzeit niemand mehr ans Telefon. "Von der E-Schwalbe haben wir leider nichts mehr gehört", heißt es auch bei den Verantwortlichen für Wirtschaftsförderung der Stadt Suhl.

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