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Pfefferspray und Prügelei: Verkehrskontrolle vor Gericht - Beweisvideo wurde im ersten Prozess nicht geprüft

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Zum zweiten Mal wird eine aus dem Ruder gelaufene Verkehrskontrolle in Herford verhandelt. Der Vorwurf an die Polizisten: Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Verfolgung Unschuldiger.

Eine Verkehrskontrolle in Herford endete 2014 in einer Schlägerei. Nachdem bereits gegen die Verkehrsteilnehmer prozessiert wurde, stehen nun die Beamte vor Gericht Eine Verkehrskontrolle in Herford endete 2014 in einer Schlägerei. Nachdem bereits gegen die Verkehrsteilnehmer prozessiert wurde, stehen nun die Beamte vor Gericht Quelle: dpa/Picture Alliance

Herford - Am rechten Fahrbahnrand steht ein weißer Kleinwagen. Polizisten kontrollieren den Fahrer, Routine. Alles läuft ruhig und nach Plan. Der Fahrer zückt seine Brieftasche und reicht einem Beamten die Papiere. Plötzlich eskaliert die Situation. Es kommt zu einer Rauferei, weitere Polizisten greifen ein. Der Beifahrer will seinem Kumpel beispringen und wird attackiert. Der Fahrer bekommt einen Strahl Pfefferspray ins Gesicht. Eine Videokamera im Streifenwagen zeichnet das Geschehen in Farbe auf. Nur der Ton fehlt.

Diese Polizeikontrolle von Mitte Juni 2014 kommt jetzt zum zweiten Mal vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat Anklage erhoben gegen einen 39 Jahre alten Beamten und seinen Kollegen (35). Vorwurf: Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Verfolgung Unschuldiger.

Nach den ersten Ermittlungen vor mehr als einem Jahr sah die Sache noch ganz anders aus. Der Autofahrer und sein Cousin mussten sich vor dem Amtsgericht wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verantworten. Dabei flog auf, dass die von der Polizei vorgelegten Video-Prints nur einen Teil der Wahrheit zeigten.

Das Video selbst habe man im Vorfeld der Verhandlung nicht geprüft, räumte Oberstaatsanwalt Christoph Mackel im Mai 2015 ein. Man sei davon ausgegangen, dass das Bildmaterial vollständig gewesen sei und eine Notwehr-Handlung der Polizisten zeige.

GdP: Keine Vorverurteilung

Warum die Polizisten ein Strafverfahren gegen den Fahrer und dessen Cousin ausgelöst und Schmerzensgeldforderungen gestellt hatten, bleibt für deren Verteidiger Detlev Binder ein Rätsel. „Das Motiv liegt für mich noch immer im Dunkeln“, sagt der Anwalt.

Gegenüber der Staatsanwaltschaft Bochum haben die Polizisten sich zur Sache geäußert. Zum Inhalt will sich ein Sprecher noch nicht äußern und verweist auf das mögliche Hauptverfahren am Amtsgericht Herford. Für Anwalt Binder stellt sich auch eine andere Frage: Wer hat das Beweismaterial in der Wache in Herford zusammengestellt? Wer ist da verantwortlich gewesen?

Für die Gewerkschaft der Polizei ist eins klar. „Bürger haben ein Anrecht darauf, dass Polizisten sich korrekt verhalten. Deshalb muss dieser Fall jetzt richtig aufgeklärt werden“, sagt ein Sprecher. Er warnt aber vor Vorverurteilungen. Die Kreisgruppe der Gewerkschaft hat zum Thema Ende November eine Kampagne gestartet. Eine der Kernaussagen: „Wir stellen uns der Kritik, wenn sich einmal ein Polizist nicht richtig verhalten sollte, wir verwehren uns aber gegen jede Form der Vorverurteilung.“

Anders sieht das der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, Thomas Wüppesahl. Solche Fälle seien leider kein Einzelfall: "In diesem Fall hatte der Autofahrer einfach Glück, dass die Beweismittellage durch das Video für ihn sprach."

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