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Ausfahrt in Sepp Herbergers Opel Rekord - Aus dem Hintergrund schoss Rahn, Herberger fuhr Rekord

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Eine Ausfahrt mit dem Opel Rekord. Nicht mit irgendeinem, der tundragrüne Rekord gehört dem "Chef", Sepp Herberger, persönlich.

Die Rechnungssumme für einen Opel Rekord B „L“damals: 9.564 Mark und 50 Pfennig Die Rechnungssumme für einen Opel Rekord B „L“damals: 9.564 Mark und 50 Pfennig Quelle: Opel

Der Trainer ohne Führerschein – das wäre Sepp Herberger nicht passiert. Der Fußball-Lehrer aus der Pfalz war ein Vorbild für Bescheidenheit und bedächtigen Fahrstil. Trotz eines WM-Siegs war er zufrieden mit einem 90 PS starken Opel Rekord.

Den Opel hatte der Nationalheld sogar voll bezahlt. Sepp Herberger wollte kein Sponsoring, nicht mal einen Nachlass: „Zwar hat es ihm nach dem Sieg über die Ungarn am 4. Juli 1954 an verlockenden Angeboten zur kostenlosen und dauerhaften Probefahrt in den Luxusmodellen aller möglichen Hersteller nicht gemangelt“, kann man in den Opel-Archiven nachlesen.

Doch der Fußballtrainer, der als Spieler einmal wegen der Annahme eines „Handgeldes“ gesperrt wurde, schlug alle Angebote aus. Deshalb steht auf dem Vertrag, den Herberger zwei Jahre nach seinem Rücktritt als Bundestrainer am 8. Februar 1966 im Autohaus Sporer in Weinheim-Lützelsachsen für einen Opel Rekord B „L“ unterschrieben hat, die volle Rechnungssumme: 9.564 Mark und 50 Pfennig, von Herberger bezahlt bis auf den letzten Pfennig.

Der Lack sattgrün wie Fussballrasen

Der Stammplatz des Herberger-Rekord in Opels Klassik-Sammlung Der Stammplatz des Herberger-Rekord in Opels Klassik-Sammlung Quelle: MOTOR-TALK Die zweite Auflage der 4,55 Meter langen Limousine wurde 1965 und 1966 nur elf Monate lang gebaut, das aber immerhin 300.000-mal. Für damalige Zeiten ein Massenauto. Geht man heute auf Tour mit dem grünen Nationaldenkmal, ist einem trotzdem die Aufmerksamkeit sicher.

Das ist kein Wunder, denn das gute Stück aus der Opel-Sammlung steht hervorragend da. Der über die volle Breite verchromte Kühler glänzt in der Sonne, der Lack wirkt satt wie ein guter Fußballrasen. Nur die originalen Weißwandreifen fielen dem Zahn der Zeit mittlerweile zum Opfer. Auch das Kennzeichen MA-SH-46 ist diesmal in der Garage geblieben.

Statt dessen rollt der Opel mit einem roten Überführungskennzeichen rund um das Frankfurter Waldstadion, erinnert uns an das Wunder von Bern wie an das „Sommermärchen“ von 2006. Schade eigentlich, dass der betagte Opel nicht direkt nach Brasilien tuckern kann.

Die Auslegware wirkt frisch

Innen sieht Herbergers letzter Dienstwagen, mit dem er noch fast zehn Jahre für den Fußballbund Spieler beobachtete, fast aus wie neu. Das dünne Lenkrad zeigt auch nach dem ersten Umlauf des Kilometerzählers keine Gebrauchsspuren, aus dem Becker-Radio Typ „Mexico“ singt Lale Andersen, und die Auslegeware in den Türen und im Fußraum wirkt frisch.

Die breiten Sitze sind ein wenig durchgesessen. Aber: viel mehr Seitenhalt boten diese Sessel noch nie. Dafür sind sie so bequem, dass man mit dem Rekord noch heute ohne Mühe wieder ans Wankdorf-Stadion fahren könnte – wenn das nicht vor ein paar Jahren abgerissen worden wäre.

Schon beim ersten Versuch startet der 1,9 Liter große Reihenvierzylinder. Unter dem Armaturenbrett den Pistolenhebel mit der Handbremse gelöst, an der Lenkradschaltung den ersten Gang eingelegt – und schon schnurrt der Rekord davon. Schnell nimmt der Streifen im Balkentacho eine neue Farbe an und signalisiert, dass man nun den „grünen Bereich“ verlässt und jetzt in der Stadt – Vorsicht, Herr Löw! - auf Starenkästen achten muss.

Leichter als ein aktueller Kleinwagen

In der Halterung für den Feuerlöscher zwischen den Vordersitzen sitzt noch immer der Abzieher, mit dem Herberger seine Scheiben gewischt hat In der Halterung für den Feuerlöscher zwischen den Vordersitzen sitzt noch immer der Abzieher, mit dem Herberger seine Scheiben gewischt hat Quelle: Opel Wer nun den Fuß weiter beherzt auf dem kleinen Pedal lässt und in die schwindelnden Höhen des vierten Gangs schaltet, den beschleunigen die 90 PS auf 160 km/h – das genügt noch heute, will man seinen Führerschein riskieren.

Mit einem Durchschnittsverbrauch von 9,6 Litern trinkt der Rekord fast zeitgemäß. Kein Wunder: Die ausgewachsene Mittelklasselimousine wiegt nur 1.000 Kilo, weniger als manch aktueller Kleinwagen. Kopfstützen, Sicherheitsgurte, Klimaanlage? Fehlanzeige.

Dennoch ist dieser Opel kein spartanisches Auto. Es gibt viel Platz, und Herberger gönnte sich etwas Luxus: Der Kaufvertrag weist neben 395 Mark Aufpreis für den 90-PS-Motor auch 95 Mark für das Viergang-Getriebe, 85 Mark für den Rückwandfenster-Trockner und 395 Mark für das Stahlschiebedach aus.

1994: Opel kauft das Auto zurück

Nach Herbergers Tod 1977 stand der Wagen lange Zeit in der Garage des Hauses in Weinheim-Hohensachsen, in der Sepp-Herberger-Straße 9. Als dort 1994 der Nachlass der inzwischen verstorbenen Witwe Eva Herberger versteigert wurde, griff Opel zu. Der Wagen wurde in der Werkstatt für historische Fahrzeuge renoviert und instand gesetzt, so dass Herbergers Dienstwagen heute wieder fährt.

Mit dem Rekord erwarb Opel noch weitere Stücke aus dem Nachlass des Weltmeister-Trainers: So liegt in der Feuerlöscher-Halterung zwischen den Vordersitzen noch immer der Abzieher, mit dem Herberger seine Scheiben wischte.

Auf der Rückbank liegt sein mit grünem Filzstift signierter Shell-Atlas, im Kofferraum das in Wagenfarbe lackierte Schild, das dem Rekord immer einen Parkplatz vor dem Hause Herberger sicherte. Das ist heute nicht mehr nötig. Wo der Wagen nun vorfährt, da macht man ihm gerne Platz.

 

 

Quelle: SP-X

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