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Nürburgring-Versteigerung - Was wird nur aus der Nordschleife

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Am vergangenen Wochenende startete die Rennsaison auf der Nordschleife. In den Boxen war ein Thema besonders heiß: Was wird aus dem Nürburgring? Eine Bestandsaufnahme.

Der Nürburgring kostete das Land Rheinland-Pfalz rund 500 Millionen Euro. Fans wollen die Motorsport-Legende trotzdem nicht aufgeben. Der Nürburgring kostete das Land Rheinland-Pfalz rund 500 Millionen Euro. Fans wollen die Motorsport-Legende trotzdem nicht aufgeben. Quelle: renn.tv, Thomas Suer

Nürburg - Es ist ein Drama, in ungezählten Akten. Der Nürburgring, die berühmteste Rennstrecke der Welt, steht zum Verkauf. Und mit dem Grand-Prix-Kurs und der Nordschleife das gesamte Brimborium aus Ringwerk, Achterbahn und dem ganzen anderen Betonschrott. Für mindestens 100 Millionen Euro. Der Meistbietende bekommt den Zuschlag. Und je nachdem, wer das ist, droht der Legende das Ende.

Verbrannter Gummi, verbranntes Geld

Noch näher wäre auf der Strecke: Fans campen direkt an der Absperrung Noch näher wäre auf der Strecke: Fans campen direkt an der Absperrung Quelle: MOTOR-TALK Doch gehen wir zurück zum Anfang dieses Dramas. Schon seit 86 Jahren verbrennen die Menschen Gummi, Benzin, Bratwürste, Bier – also sehr viel Geld an und auf dem Nürburgring.

Seit 2007 wird es auch rund um die Strecke verbrannt. Der Ring, der noch dem Land Rheinland-Pfalz gehört, sollte attraktiver werden. Bunter, lustiger, lifestyliger. Und so plante der Aufsichtsrat im Eifelkaff neben der Rennstrecke eine Erlebniswelt mit Eventhallen, Kino, Achterbahn. Also allem, was bunt, lustig, lifestylig klang.

215 Millionen Euro sollte das Projekt kosten. Bis die Erlebniswelt im Juli 2009 öffnete, verschlang die Eifelbaustelle 330 Millionen Euro. Finanzminister Ingolf Deubel musste gehen, der Geschäftsführer Walter Kafitz ebenfalls. Noch bis zum Schluss glaubten beide, dass künftig eine halbe Millionen Besucher zusätzlich kommen würden. 130.000 zusätzliche Übernachtungen, 2.500 neue Arbeitsplätze. Ein Traum. Eine Blase, die platzt.

Am Ziel vorbei gebaut

Motorsportfans verbringen die Nacht zum Sonntag (24.05.2009) während des 24h-Rennens auf der Nordschleife des Nürburgrings an der Rennstrecke, hier im Streckenabschnitt "Am Brünnchen" Motorsportfans verbringen die Nacht zum Sonntag (24.05.2009) während des 24h-Rennens auf der Nordschleife des Nürburgrings an der Rennstrecke, hier im Streckenabschnitt "Am Brünnchen" Quelle: picture-alliance/ dpa Klopft man heute an die Tür dieser Gebäude, klingt es meist hohl. Unbenutzt. Kein Mensch braucht sie, kaum welche nutzen sie. Die Erlebniswelt Nürburgring ist ein gewaltiger Flop. Immerhin wurde sie im Vergleich zum Flughafen Berlin-Brandenburg, der Elbphilharmonie in Hamburg oder dem Bahnhof Stuttgart 21 bereits fertiggestellt.

Dabei ist die Basis so spannend. Die Basis heißt Nordschleife und jeder, der auf dieser Welt etwas von Autos und Sport versteht, lächelt, wenn er den Namen hört. Die Traditionsstrecke in der Eifel entstand 1925. Schon damals als strukturfördernde Maßnahme in einer dünn besiedelten Region gedacht. Eingeweiht am 18. Juni 1927, berühmt geworden mit den Mercedes-Silberpfeilen und dem Feuerunfall von Niki Lauda. Am 1. August 1976 war das. Noch immer ist der Nürburgring die längste permanente Rennstrecke der Welt und lockt Fans und Fahrer aus allen Ländern an.

Ring zu verkaufen - Zukunft unklar

Selten zu sehen: Die Nürburg verschwindet meist im Nebel Selten zu sehen: Die Nürburg verschwindet meist im Nebel Quelle: MOTOR-TALK „Wenn der Ring verkauft wird, ist seine Zukunft ungewiss“, sagt Michael Frison. Und der kennt sich aus. Der 47-jährige gebürtige Eifler begleitet mit seinem Blog seit zehn Jahren die Entwicklung am Nürburgring. Ähnlich wie Wilhelm Hahne warnte er schon vor Baubeginn vor dem drohenden Kollaps. Heute deckt er auf, was in den vergangenen Jahren unter den Teppich gekehrt wurde. Zum Beispiel die für das Projekt passend getricksten Zuschauerzahlen.

Jetzt wird es spannend. Der Ring hätte sich mit der Nordschleife locker allein getragen. Jetzt muss die Nordschleife als Touristenattraktion und Testgelände das Geld für den Erhalt der Betonwüste erwirtschaften. Unmöglich ist das. Gleichzeitig darf das Land Rheinland-Pfalz kein neues Geld in Form von Subventionen für den Beton-Park nachschießen. Das verbietet das EU-Recht.

Preis für alles: 100 Millionen Euro

Campen an der Strecke: Die Fans sind ausgezeichnet organisiert Campen an der Strecke: Die Fans sind ausgezeichnet organisiert Quelle: picture-alliance/ dpa Darum soll ein Konkursverwalter jetzt die gesamte Anlage verkaufen. Also das Tafelsilber Nordschleife mit Ringwerk, Kino und der nicht funktionierenden Achterbahn. Das ist logisch und bizarr zugleich. Denn natürlich investiert hier nur, wer die Rennstrecke bekommt. Doch was, wenn der Ring an einen reichen Chinesen verkauft wird? Bleibt er dann das Herzstück der deutschen Testkompetenz? Können dann weiter Breitensportprojekte wie die VLN dort starten? „Dann kann man den Rest von Rheinland-Pfalz ja gleich bei eBay einstellen“, sagt Michael Frison.

Bisher musste der Ring kein Geld verdienen. Sein Ziel ist laut Satzung die „Förderung des Motorsports und der Verkehrssicherheit sowie Strukturförderungen der Region“. Die Fans des Rings befürchten das Ende des Breitensports und vieler Kleinbetriebe in der Region, wenn die Nordschleife verkauft wird. Sie kämpfen mit Aktionen wie „Save The Ring“ oder dem eingetragenen Verein „Ja zum Nürburgring“ gegen einen Verkauf.

Kämpfen für den Nürburgring

Der Nürburgring-Boulevard und die Achterbahn, die nur sehr, sehr kurz zum Einsatz kam Der Nürburgring-Boulevard und die Achterbahn, die nur sehr, sehr kurz zum Einsatz kam Quelle: picture-alliance/ dpa Die Regierung von Land Rheinland-Pfalz verfolgt andere Interessen. Das Land steht mit 330 Millionen Euro in der Kreide, die offenen Forderungen sollen rund 500 Millionen Euro betragen. Für den Ring und das Ringsherum liegt der Verkaufspreis bei geschätzten 100 bis 150 Millionen Euro – die Differenz trägt der Steuerzahler. Ministerpräsidentin Malu Dreyer würde das Problem gerne schnell loswerden. Denn die Schuldenlast drückt.

Aktuell gibt es Verhandlungen in Brüssel, bei denen der Ex-ADAC-Präsident Otto Flimm eingebunden ist. Er ist einer der Ring-Unterstützer und versucht, die Rennstrecken aus dem Verkaufsprozess abzukoppeln. Frison selbst verliert langsam die Hoffnung: „Wenn der Ring verkauft wird, endet das katastrophal. Dann wird aus der volkseigenen Sportstätte eine Geldanlage für wenige.“ Aus der berühmtesten Rennstrecke der Welt könnte dann eine Legende werden. Eine ohne Zukunft.

 

Quelle: MOTOR-TALK

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