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Fri Oct 02 21:26:10 CEST 2015    |    fate_md    |    Kommentare (13)

Von Pragmatismus und Schlumpfkotze

 

... oder warum Emotionen und Nutzwert nicht immer beste Freunde sind...

 

 

Ziemlich genau 14 Monate ist es her, da brodelte in mir die Idee auf, Kurzstrecken, für die ich mit dem Fahrrad zu faul war, mit einem günstigen motorisierten Zweirad abreis(s)en zu wollen.

Auto wäre zwar da, aber Innenstadt meide ich mit dem Bürgerkäfig wie der Teufel das Weihwasser. Die dicke Diva ist mir zu unhandlich und die Hornet zu schade um sie vor der Tür stehen zu lassen. Beide ruhen wohlbehütet und verschlossen am Stadtrand.

Fahrrad ist für alles bis etwa 5km Entfernung wohl die schnellste Alternative und deswegen auch im täglichen Einsatz. Nun änderten sich aber auch meine beruflichen Randbedingungen etwas und es war ggf. öfter mal nötig, flott den Stadtrand oder auch etwas weiter hinaus erreichen zu müssen.

 

Da ich früher - bitte schalten sie ihr Vorstellungsvermögen kurz in den schwarz / weiß Modus - schonmal einen Roller hatte, damals einen HighEnd 49ccm* Baumarktchinesen, einfach mangels Führerschein für größere Kaliber, war mir ein solches Gefährt auch direkt wieder in den Sinn gekommen. Nur eben mit mehr Schmalz an der Kette bzw. in dem Fall am Riemen.

Rechts drehen, nichts weiter tun, schnell. So die Idealvorstellung von Rollern jenseits der 50ccm Klasse. Ganz fürchterlich nach fahrendem Sofa sollte es auch nicht aussehen und die Räder nicht zu klein sein, trotzdem musste ein gewisser Nutzwert gegeben sein. Mehrere Wochen studierte ich die einschlägigen Onlineportale um mir dann im September das für mich passende Modell im Südwestharz an Land zu ziehen.

 

Der Yamaha X-City 250 hatte alles, was das Suchraster vorgab. Er war deutlich ausreichend schnell, er war praktisch, er sah nicht fürchterlich nach Sofa aus und er funktionierte einfach. Also genau das was ich wollte. Irgendwie. Denn früher hatte das Rollerminiding da irgendwie andere Emotionen und Fahrspaß vermittelt, als es sein großer Vetter jetzt tun wollte.

Früher hatte ich allerdings auch keinen Motorradführerschein und dementsprechend keinerlei Ahnung, wie sich einspurige Fortbewegung anfühlen kann. Und genau das war wohl der Unterschied zu jetzt. Lastenheft vollständig erfüllt, die Emotionen blieben aber auf der Strecke. Es ist eben kein Motorrad, auch wenn der selbige Schein zum pilotieren benötigt wird.

Trotz mangelnder Gefühlsausbrüche fand ich die Kiste nicht schlecht, ebenso finde ich aber auch ein freies Taxi super, wenn ich nach einer Kneipentour nach Hause will. Ich ließ ihm seine benötigte Zuwendung angedeihen, er dankte es mit immer braver und unauffälliger Existenz. Nur eine richtige Bindung, die kam nie so wirklich auf. Egal. Im Juli noch zum Plakettenpatron gefahren und mit Bravour den bunten Rundling ans Kennzeichen verliehen bekommen.

Danach ging es alsbald drei Wochen in den Urlaub, zwei davon einspurig. Da waren sie. Emotionen. So muss sich das anfühlen. Selbst wenns nicht so toll war, war es toll. Auf dem Roller war es einfach nur, weder schlecht, noch toll, es war. Schiere Existenz zum Selbstzweck. Nein, das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ich bin zu jung für rein pragmatische Lösungen, darüber denke ich nochmal in 20 Jahren oder so nach.

 

Innerlich fasste ich also schon den Entschluss, dass ich "mal grob nach was anderem gucke". Einer oder Zwei Töpfe, 500-700ccm und mit der Option, auch mal einen Feldweg, Notfalls auch ohne Weg, zu nehmen. In der Moppednomenklatur schimpft sich sowas "Funduro" wie ich gelernt habe. Naja wie das bei mir mit dem "ich guck nur mal grob, was der Markt so hergibt" immer ist, waren wir 14 Tage später zu einem Besichtigungstermin 20km vor der Stadt.

Klassiker. Haus gebaut, Kind, Umzug, Mopped übrig. 1500km in 2 Jahren. Probefahrt? Aber gern. Pragmatismus? Am Arsch. Zwei Zylinder rotzen in einen GPR Endtopf und hacken solide auf die Kette, wenn man zu sehr den Ökomodus raushängen lässt. Klingt das neubausiedlungstauglich? Na auf gar keinen Fall. Dafür macht es richtig dicke Spaß. Nur angucken darf man es nicht, denn seine Erbauer haben es in wunderschönstem Schlumpfkotzeblau dekoriert. War wohl damals, also Anfang der 90er Jahre, total angesagt. Muss wohl die Hochzeit von psychodelischen Drogen gewesen sein.

Egal, Optik kann man ändern und preislich wurden wir uns nach einigen Verhandlungen dann auch einig. Eine Woche später tauschte ich somit Pragmatismus gegen Schlumpfkotze und hätte schön auf den ersten Runden unterm Helm im Kreis grinsen können. Bin ich jetzt schneller in und um die Stadt? Eher nicht. Hab ich mehr Spaß dabei? Aber Hallo! 1:0 für Schlumpfkotze.

Da ich mich an diese Optik aber gar nicht gewöhnen will, wird sie im Winter wohl ein neues Lackkleid bekommen. Nach dem A Corsa damals wollte ich eigentlich nichts mehr in schwarz matt haben, zumal das ja selbst für teure und neue Fahrzeuge eine absolute Massenoptik geworden ist. Nach diversen Spielereien mit Bildbearbeitungsprogrammen und der Tatsache, dass man die Dekoraufkleber im Originalstil auch in Wunschfarbe und vor allem in matt bekommen kann, stand die Entscheidung fest. Neben diversen Upgrades kommt auch ein mattschwarzes Lackkleid auf die Kunststoffhaut von... ja was ist es denn nun eigentlich geworden?

Eine Kawasaki KLE 500, eine 500er Zweizylinder Funduro mit bärenstarken 50PS die sich über ein erfeulich flaches Leistungsdiagramm erstrecken. Ausdrehen auf die möglichen 11000rpm macht keinerlei Sinn, dafür lässt sie sich zwischen 2500 und 8000rpm wunderbar dynamisch und emotionsgeladen bewegen. Der Todesstoß für den Pragmatismus? Fast, ein Topcase darf bleiben.

Ich hoffe sie nimmt mir das draußen stehen nicht übel und funktioniert einfach immer ohne Stress. Da ist mir Pragmatismus dann doch wieder lieber als Emotionen.

 

  • Schlumpfkotzeblau
  • Schlumpfkotzeblau Promobild
  • KLE mattschwarz Dekor mattweiß fake
Schlumpfkotzeblau Schlumpfkotzeblau

 

*laut Fahrzeugschein

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Sat Oct 03 11:52:25 CEST 2015    |    TDIBIKER

Hey, Fate, die Farbe ist doch geil!!

Lass die man so...

LG, Jo

Sat Oct 03 12:05:15 CEST 2015    |    fate_md

Da schönt die lasche Handy Kamera leider noch ordentlich.

Sat Oct 03 12:39:14 CEST 2015    |    TDIBIKER

Ich hatte ma ne Gilera Nordwest...

Von den Emotionen her von nichts zu übertreffen:

140 KG, 600 ccm Mono, 50 PS, riesige Grauguss-Doppelscheibe vorn, Niederquerschnittsreifen, offene Tüte...

Die war schweinerosa.

Da habe ich dann auch den Sattel erstmal braun gemacht und den Rest schwarz.

Kann ich also verstehen, Inch'Allah...nur ist die Kawa dann kein Pragmatik-Hobel mehr :D

Spendier' ihr bei der nächsten Gabelrevision schwarze Faltenbälge, dann sieht die Sache schon viel maskuliner aus.

Sat Oct 03 16:36:00 CEST 2015    |    fate_md

Die liegen schon hier :D

Über den Winter kommen härtere Federn und frisches Öl in die Gabel, dann kommen die faltenbälge mit rein

Sat Oct 03 20:50:02 CEST 2015    |    Airway

...ich habe auch eine KLE.....in Purplemetallic...eine scheußliche Farbe....aber genau deswegen habe ich mir die KLE gekauft(weil sie mir nicht gefällt)...sie muß jeden Tag herhalten...bei jedem Wetter....ein Bike das mir gefällt ,würde mir leid tun...die KLE,muß ich nicht mal putzen.....aber ich darf ihr nicht ganz unrecht tun....sie ist zuverlässig und fährt sich prima(für ihr Alter) und sie hat schon wesentlich modernere Motorräder in so mancher Kurve "stehen lassen"....das Schlumpfkotzeblau aber ,wär fast schon wieder zu schön....

Mon Oct 05 09:35:54 CEST 2015    |    pico24229

Stylishes Teil! Die Farbe war damals natürlich sehr modisch ;) Aber ist heute allemal zeitgenössisch! :D

Für den Einsatzzweck wahrscheinlich das ideale Vehikel!

Mon Oct 05 10:42:46 CEST 2015    |    egon1700

http://www.twin500.net/

 

am Drehvermögen kann man noch was tun ;-)

Mon Oct 05 12:04:23 CEST 2015    |    Lewellyn

Das ist doch schick. Unbedingt lassen. :D

 

Da die KLEs erwiesene Saufziegen sind (6 Liter+) würde die für mich nicht in Frage kommen. Aber ansonsten, besser als Plastikschüssel...;)

Mon Oct 05 13:38:36 CEST 2015    |    fate_md

@egon1700

Da bin ich schon angemeldet und habe somit @Lew schon eine Anleitung gefunden, wie man den Benzindurst etwas reduzieren kann. Das ist für meine Nutzung aber nur ein finanzieller Faktor, ansonsten ist alles was mehr als 50km Reichweite hat für den täglichen Einsatz hier ausreichend.

Mon Oct 05 16:37:04 CEST 2015    |    der_Derk

War's unter KLE-Eignern nicht immer Usus sich Nockenwelle uns sonstiges aus der GPZ einzubauen, um auf 60 PS zu kommen? ;)

 

Fand' den Motor nicht so passend für etwas Enduro-Artiges (8000 Umdrehungen - what?), aber rein technisch kann man wohl wenig damit verkehrt machen. Zumindest, solange man sich ausschließlich auf der Straße bewegen will. Wenn der Originallack noch brauchbar ist, und auch der Dekorsatz komplett würde ich es eher so belassen, mattschwarz umgerollt dürfte es schon genug geben... Steh' zu den 90ern ;).

Mon Oct 05 20:29:13 CEST 2015    |    fate_md

Ja die Umbauten gibt´s recht häufig, dafür hat sie aber bei mir das falsche Nutzungsprofil. Mehr als 6000rpm sieht sie selten.

Fri Oct 09 19:22:39 CEST 2015    |    moppedsammler

Das "Draußen stehen" nimmt sie Dir übel. Ich hab mal so eine KLE gekauft, kostete noch 500 Euro. Die hatte auch eine Laternengarage, deshalb lief sie nicht mehr. Der kleine GPZ 500 Motor mag keine Feuchtigkeit.

 

Das war indes leicht zu reparieren, im wesentlichen waren es 2 neue Zündkerzen, aber natürlich habe ich die ganze KLE überarbeitet. KLE 500 zählt zu den günstigsten Enduros in dieser Klasse. Der Motor passt nicht wirklich zu "Enduro", wenn man damit sowas machen will, wie WASTL, dafür ist das Motorrad vollkommen untauglich.

 

Für Deine Zwecke erscheint sie ideal.

 

Ich habe sie nach einem 50 km - Proberitt gleich wieder zum Verkauf angeboten, weil die Sitzposition für Menschen meiner Größe (190) suboptimal ist.

 

Achte darauf, dass die Abläufe für die Zündkerzenlöcher frei sind, wenn welche da sind. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich meine, das wäre da ebenso gelöst, wie bei den Vierzylindern. Ansonsten Kappen von z.B. ZRX oder ZZR in über die Zündkabel schieben und die Kerzenlöcher damit verschließen.


Fri Oct 09 19:42:20 CEST 2015    |    fate_md

Danke für den Tipp! Werde ich mir in ein paar Wochen mal anschauen, dann wird sie nackig gemacht, bekommt Service und upgrades und für die Minustemperaturen Periode einen trockenen Stellplatz in netter Gesellschaft.

Deine Antwort auf "Von Pragmatismus und Schlumpfkotze"

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